Interview mit Andreas Gabalier über das neue Album „Vergiss mein nicht“, ewige Liebe und konservative Texte 

„Der Schmalz muss manchmal rinnen“

Schlager: Interview mit Andreas Gabalier über das neue Album „Vergiss mein nicht“, ewige Liebe und konservative Texte

Von 
Steffen Rüth
Lesedauer: 

Man kann ja weiterhin von ihm halten, was man will, aber Fakt ist und bleibt: Kaum einer kriegt die Hallen, Stadien und zuletzt sogar den Hockenheimring derzeit mit solcher Leichtigkeit gefüllt wie der 33-jährige „Volks-Rock-’n’-Roller“ aus Graz. Auf seinem neuen Album „Vergiss mein nicht“ versucht Andreas Gabalier denn auch gar nicht erst, sich selbst neu zu erfinden. Wieder bietet er eine mal laute, mal leise, mal ausgelassen lustige, mal ernste Mischung für Skihütten, Stadien und die Heiratsanträge der Fans. Inhaltlich bleibt die neue Platte des politisch als konservativ geltenden Musikers meist unverfänglich, nur zwei Songs bieten dem, der mag, Anlass zur Diskussion. „Hallihallo“, ein schamloser, immerhin leicht augenzwinkernder, Anbagger-Song ignoriert die #MeToo-Debatte in aller Konsequenz. Und „Kleine steile heile Welt“ erweckt den Anschein, als habe Gabalier das Parteiprogramm der CSU vertonen wollen. Wir unterhielten uns mit dem Sänger, der am 6. Oktober in der Mannheimer SAP Arena auftritt, in Hamburg.

Herr Gabalier, Sie spielen am 16. Juni im dritten Jahr hintereinander im ausverkauften Münchner Olympiastadion. Haben die Leute immer noch nicht genug von Ihnen?

Andreas Gabalier: (lacht) Anscheinend nicht. Vor drei Jahren schien die Idee mit dem Stadion noch undenkbar. Ich sagte „Wir gehen da rein“, und alle haben mir den Vogel gezeigt. Für mich war das nur noch mehr Motivation, zu schauen, dass es voll wird. Ich glaube, drei Jahre am Stück, das hat noch keiner geschafft. Das ist der Wahnsinn.

Was machen Sie richtig?

Gabalier: Ich mache einfach, und anscheinend besteht noch Sehnsucht. Der Erfolg macht euphorisch, und ich denke gar nicht so viel über alles nach, sondern haue einfach drauf. Ich habe Bock, ich will immer noch mehr. Und ich schreibe nach wie vor meine Lieder selbst. Die neuen Stücke sind mir so leicht gefallen wie noch nie, keine Spur von Schreibblockade, ganz im Gegenteil.

Ist „Vergiss mein nicht“ so etwas wie ein Rundflug durch die Welt des Andreas Gabalier?

Gabalier: Ja, das kann man sagen. Das ist sicherlich mein buntestes Album. Ein paar Lieder sind richtig schön hart und progressiv. Einen Song wie „Vergiss mein nicht“ kann man sich auf seinem sechsten Album ruhig mal erlauben.

Die Nummer hört sich fast nach Rammstein an.

Gabalier: Danke sehr. Ja, Rammstein fand ich richtig gut als Teenager, Metallica auch. Ich weiß noch, wie wir damals angefangen haben, Stromgitarre zu spielen und den Keller zu dämmen. Mit Eierkartons! Das brachte natürlich nichts, aber das wussten wir nicht. War das ein Spaß!

Sowohl der Text als auch die Musik Ihrer Single „Verdammt lang her“ lässt einen massiv an „Summer Of 69“ von Bryan Adams denken. Soll das so sein?

Gabalier: Der Bryan Adams war ein total prägender Einfluss für mich. Er war sogar der Hauptgrund für den Kauf meiner ersten Gitarre mit 14. Alles, was ich in dem Song verarbeite, ist wirklich so passiert. Das war meine Teenagerzeit, damals haben wir noch Musik auf Kassetten überspielt. Und ich bin mit dem Walkman in die Schule gegangen. Auch sonst ist alles da drin, die Partys, die erste Freundin, überhaupt das Ganze mit den Mädels.

Wann hatten Sie die erste Freundin?

Gabalier: Mit 20.

Und davor?

Gabalier: War eher so Lotterleben angesagt (lacht). Ich hatte eine lustige Jugend. Wir lebten am Stadtrand in einer wunderbaren Siedlung im Grünen, da war immer was los. Wir haben toll gefeiert in alten, stillgelegten Bunkern, manche Nächte waren durchzecht, und so langsam wurde man erwachsen. Also, ganz langsam. Erwachsen bin ich eigentlich bis heute noch nicht geworden.

Vermissen Sie das Lotterleben mit den Mädels?

Gabalier: Ach nein, das legt sich ja auch ein bisschen mit der Zeit. Man hört ja so viele Fälle, gerade aus Künstlerkreisen, von Kollegen, die fünf Mal geschieden sind…also, da bin ich froh, eine Partnerin an meiner Seite zu haben, bei der man zumindest daran glaubt, dass es passt.

Und solange man nicht heiratet, kann man sich auch nicht scheiden lassen.

Gabalier: Ja, ganz genau (lacht).

Sie sind seit fünf Jahren mit der österreichischen TV-Moderatorin Silvia Schneider liiert…

Gabalier: …und seit fünf Jahren läuft es wirklich gut zwischen uns. Es ist alles prima, es gibt keine Probleme, wir streiten uns tatsächlich nie. Vielleicht auch deshalb, weil wir so beschäftigt sind und uns so wenig sehen (lacht). Nein, also, ich bekomme das ja bei meinen Freunden mit, was die so erzählen, wie denen die Mädels auf den Keks gehen. Es kommen schon öfters mal Kumpels bei mir vorbei und sagen „Hast du ein Bier, ich halt’s nicht mehr aus daheim.“ Dieses Gefühl habe ich eigentlich nie.

„Ewig“ ist die Liebesballade auf dem neuen Album. Glauben Sie an die ewige Liebe?

Gabalier: Ja, durchaus. Ich habe das bei meinen Großeltern gesehen, dass so etwas sehr wohl möglich ist. Ob es mir selbst das ganze Leben so ergehen wird…? Man wird sehen. Es ist heute alles viel schnelllebiger geworden, man macht es sich einfacher, man gibt viel schneller auf und wechselt schneller aus. Man ist halt auch finanziell nicht mehr so aufeinander angewiesen wie früher, wo man oft ganz anders hat zusammenhalten müssen. Ob das jetzt immer toll und lustig war, das sei dahingestellt, natürlich haben die auch mal gestritten und es wurde hin und wieder richtig laut. Aber letztlich blicken beide Großelternpaare auf ein erfülltes, glückliches Leben zurück. 

Denken Sie bei einer Zeile wie „Ewig wirst du in meinem Herzen sein“ denn an Ihre Großeltern? Oder eher an Ihre Freundin?

Gabalier: „Ewig“ ist ein klassisches Gabalier-Schmalzlied. Das geht an alle. Es bezieht sich zum Beispiel auch auf meine Freunde. Mit einer Handvoll Burschen bin ich seit dem Kindergarten befreundet, das ist für mich auch eine gewisse Art von Liebe. Oder die Lisa, meine älteste Freundin, auch aus dem Kindergarten. Sie ist damals aufs Sportgymnasium gegangen und ich auf die Handelsakademie. Mittlerweile leitet sie ein Kunstatelier. Obwohl wir beide viel beschäftigt sind, gehen wir immer noch einmal die Woche zusammen laufen.

Ein Gabalier-Schmalzlied?

Gabalier: Ja, der Schmalz muss manchmal einfach rinnen. Diese Art von Liedern lieben die Fans. „I sing a Liad für di“ ist ein echter Live-Klassiker, solche Songs haben mich groß gemacht. Das ist tagsüber im Radio vielleicht ein bisschen zu viel des Kitsches, aber im Konzert, nach ein paar Bier – herrlich. Dann nehmen sich alle in den Arm. Die breite Masse will auch bedient werden. Für die mache ich Musik. Sonst würde ich nicht in Stadien spielen oder in Schladming vor 70 000 Leuten.

Zumal bei Ihren Fans von Kindern bis zu alten Leuten alles dabei ist, oder?

Gabalier: Absolut. Ein Lied wie „Ewig“ kommt vor allem bei der reiferen Jugend sehr gut an. Mein Publikum geht altersmäßig los mit Kindergartenkindern, ich habe auch ganz viele Jugendliche, dann Leute in meinem Alter und auch die älteren Semester. Ich gehe auch nach wie vor in Sendungen wie die von Florian Silbereisen, man holt überall ein paar Menschen ab. Ich war mir nie für irgendwas zu schade. Ich kenne so viele Künstler, die mich fragen „Warum tust du dir das an?“. Tja, die meisten der „Coolen“ begreifen das nicht, und deswegen spielen die in Clubs. Da können die das Kapperl noch so schief aufsetzen und die Hose unterm Arsch haben.

Sie singen auf „Ewig“ so schön rau. Haben Sie mit Whiskey nachgeholfen?

Gabalier: Nein, im Gegenteil. Den Gesang habe ich in Los Angeles aufgenommen, nachdem ich zwei Tage mit Arnold Schwarzenegger unterwegs war. Wir sehen uns eigentlich immer, wenn ich dort bin. Manchmal auch in Graz und in Kitzbühel.

Was macht man mit Arnold Schwarzenegger?

Gabalier: Eisen biegen (lacht). Der Arnold trainiert immer noch jeden Tag. Und wir haben uns zwei Fahrräder geschnappt, der Arnold hat mich im Studio besucht, außerdem waren wir Essen bei ihm daheim.

Die beiden berühmtesten lebenden Österreicher unter sich…

Gabalier: Na, ich weiß nicht. Er auf jeden Fall. Ein Superkerl.

Schwarzenegger ist 70. Wer kriegt mehr Eisen hoch?

Gabalier: Der Arnold. Gegen den hast du keine Chance.

„Hallihallo“ klingt wie der natürliche Nachfolger zu „Hulapalu“. Ein Gaudi-Song übers Mädels-Aufreißen mit eindeutigen Zeilen wie „Lipsticklady, bitte schau mich nicht so an – weil ich mich dann nicht mehr halten kann.“

Gabalier: Klar. Ein Discopartykracher muss dabei sein. Ich bediene ein Publikum, das unterhalten werden will. Bei „Amoi seg’ ma uns wieder“ oder jetzt „Hinterm Horizont“, wo es um den Freitod meines Vaters und meiner Schwester geht, sind sie still, weinen und zollen mir Respekt. Und dann gibt es eben Lieder wie „Hallihallo“, da singe ich über das Um-die-Häuser-ziehen. Beides ist Volks-Rock’n’Roll. Ich bin kein Reinhard Mey, sondern Entertainer.

Man könnte den Eindruck bekommen, dass die Zeile „Sagt sie ja, bleibst du da/ Sagt sie nein, gehst du heim“ wegen „#MeToo“ in den Text von „Hallihallo“ gerutscht ist. Damit keiner denkt, dass das so eine Art Grapscherlied ist.

Gabalier: Nein, nein. Flirten ist immer noch in erster Linie ein Spaß. Das ist keine #MeToo-Zeile.

In „Kleine steile heile Welt“ besingen Sie die Heimat. Was ist Heimat für Sie?

Gabalier: Heimat ist ein Wert, den ich als sehr positiv erlebe. Ich wohne nach wie vor in Graz, will da auch bleiben. Für mich wäre es undenkbar, nach Hollywood oder so zu ziehen. Meine Freunde sagen „Du bist so ein Bauernbub“, und ich sage: Ja, ganz genau. Ich will das nicht anders. Ich liebe es, heimzukommen, die Wäsche zu waschen, eine Runde im Wald zu laufen, mit den Nachbarsburschen den Grill anzuwerfen, ein Bier zu trinken, das Motorrad zu waschen. Daheim laufe ich von April bis Oktober bloß in der Badehose herum.

Sie singen zum Beispiel „Ich glaube an mein Land“. Können Sie verstehen, dass Sie manche politisch ziemlich weit rechts einordnen?

Gabalier: Nein, kann ich nicht. Ich distanziere mich ganz klar von Gedankengut, mit dem ich nichts zu tun haben will. Ich lasse mich auch von keiner politischen Partei vereinnahmen. Es gab mal die Anfrage, aber ich gebe meine Musik zum Beispiel nicht für Parteiveranstaltungen frei. Es ist heftig, was ich mir manchmal an Vorwürfen gefallen lassen muss. Da stehe ich zum Glück drüber und schreibe auch aus Trotz und mit der größten Freude solche Lieder wie „Kleine heile steile Welt“. Denn diese Werte, die mir wichtig sind, und die in der heutigen Zeit und in einigen Medien gern als hinterwäldlerisch dargestellt werden, die sind für mich sehr schön. Man muss da mal die Kirche im Dorf lassen. In der Bauernstube sitzen, mit dem Opa auf die Jagd gehen – das habe ich immer geliebt, und genug Menschen sehnen sich nach so einem Leben. Oder leben so ein Leben.

Auch die Zeile „In einem christlichen Land hängt ein Kreuz an der Wand“ kommt vor. Das dürfte dem bayerischen Ministerpräsidenten Söder gefallen..

Gabalier: Ja, aber das ist doch so. Warum soll man anfangen, in den Klassenzimmern und Krankenhäusern die Kreuze abzunehmen? Das Kreuz ist ein Teil unserer Kultur, wir sind ein christliches Land. Punkt. Wenn ich nach Ägypten gehe, sage ich ja auch nicht „Schiebt einmal bitte die Pyramiden zur Seite.“ Wenn du in Österreich bist, schaust du dir eine Kirche an, wenn du in einem muslimischen Land bist, schaust du dir die Moschee an. Vielfalt bedeutet für mich, dass nicht alles zu einem Brei wird. Ich liebe die Unterschiede, so wie ich zum Beispiel auch kleine, reizende Bäckereien schöner finde als überall so einen Starbucks.

Bald startet die Fußball-WM. Österreich ist nicht dabei. Wem drücken Sie die Daumen?

Gabalier: Tja, also, wenn wir schon nicht mitmachen dürfen, so wie meistens, dann halten wir aus reiner Not zu Euch (lacht).

Andreas Gabalier

  • Zur Person: Andreas Gabalier wurde am 21. November 1984 in Graz geboren. Der Jura-Student schaffte als Volksmusiker 2009 mit seiner ersten Platte „Da komm’ ich her“ den Durchbruch. In Deutschland dauerte das bis zu einem Auftritt in der „Carmen Nebel“-Show mit „I sing a Liad für di“ 2011. Nach der Teilnahme bei Xavier Naidoos „Sing meinen Song“ 2014 verkaufte sich Gabaliers Album „Home Sweet Home“ fast 700 000 Mal. Mit „Mountain Main“ erreichte er 2015 erstmals Platz eins der deutschen Albumcharts. 2017 kamen 80 000 Zuschauer zu seinem Open Air auf dem Hockenheimring.
  • Zur Platte: Gabaliers sechstes Werk „Vergiss mein Nicht“ ist bei Electrola erschienen.
  • Zum Konzert: Samstag, 6. Oktober, 20 Uhr, SAP Arena Mannheim. Karten unter 0621/18 190 333 (53,05 bis 93,05 Euro plus Porto).
  • Zum Open Air: Am 1. Juni 2019 lässt Gabalier ein Open Air in der Frankfurter Commerzbank Arena folgen. Karten unter www.tourneen.com (49,90 Euro plus Gebühren).

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen