Das Wichtigste in Kürze
- David Wilhelm fand mithilfe der Mannheimer Selbsthilfegruppe Nova Vita aus der Drogensucht.
- Er ist seit fast elf Jahren abstinent und engagiert sich ehrenamtlich.
- Wilhelm ist stolz auf seinen Weg und seine persönliche Entwicklung.
Mannheim. Was David Wilhelm geschafft hat, ist für viele Süchtige unvorstellbar. „Im August bin ich seit elf Jahren abstinent“, erzählt der 34-Jährige stolz.
Sein Weg in die Sucht begann früh: Seine erste Zigarette rauchte Wilhelm mit 13. Mit 15 war er das erste Mal betrunken, mit 16 rauchte er das erste Mal Cannabis. Er erinnert sich: „Alkohol bedeutet auch, einen Kater am Morgen danach zu haben, kiffen kannst du jeden Tag.“
David Wilhelms Weg in die Sucht: Von Cannabis zu Partydrogen
Sucht sei für ihn eine Strategie gewesen, sich nicht mit den tiefliegenden Problemen zu beschäftigen. Einen Grund für seine Sucht sieht der heute 34-Jährige auch in seiner Kindheit. Seine Eltern seien überfordert gewesen und hätten versucht, ihn mit christlichen Werten auf den richtigen Weg zu führen. Ein Fehler, den viele Eltern machen, sei es, ihren eigenen Lebensweg auf das Kind zu übertragen, sagt Wilhelm. Das führe dazu, dass das Kind versuche, den Ansprüchen der Eltern zu genügen und nicht seinen eigenen. Das mache langfristig unglücklich.
Mit Alkohol hat es immer angefangen, ich habe getrunken, dann gekokst und mich am Ende des Rauschs mit Gras wieder runtergeraucht.
Aber auch Wilhelms soziales Umfeld spielte eine Rolle: Vor seinen Freunden hatte er das Gefühl, sich beweisen zu müssen. Das ging auch mit dem Konsum einher. Durch den Kontakt zu seinen Dealern sei der Weg zu härteren Drogen als Cannabis nicht weit gewesen. Schnell fand Wilhelm Gefallen an den gängigen Partydrogen, vor allem Kokain nutzte er zu dieser Zeit. „Mit Alkohol hat es immer angefangen, ich habe getrunken, dann gekokst und mich am Ende des Rauschs mit Gras wieder runtergeraucht“, berichtet er.
Sucht greift nicht nur David Wilhelms Psyche, sondern auch Körper an
Durch den Konsum habe er Jahre voller Lügen erlebt. Besonders schlimm seien in dieser Zeit die nüchternen Momente in diesen Jahren gewesen. „Nüchtern wird einem bewusst, was für ein Mensch man eigentlich ist“, sagt er. Neben seiner psychischen Verfassung litt auch sein Körper unter dem Konsum. Am Ende verlor er sogar einige Zähne.
Nüchtern wird einem bewusst, was für ein Mensch man eigentlich ist.
Wilhelm kämpft, versucht immer wieder, die Drogen wegzulassen, und rutscht in das, was Psychologen Suchtverlagerung nennen. Statt Drogen zu nehmen, entwickelte er eine Essstörung, spielte übermäßig Computerspiele. Eine wirkliche Lösung für seine Sucht seien diese Verlagerungen aber nicht gewesen, sein Weg führte ihn immer wieder zurück zu seinem Drogencocktail. An einem bestimmten Punkt konnte er sich gar kein Leben ohne Drogen mehr vorstellen, erzählt Wilhelm heute nach fast elf Jahren Abstinenz.
David Wilhelms geht mit seinem Chef den ersten Schritt aus der Sucht
Sein persönlicher Aufwach-Moment, wie er es nennt, ereignete sich im August des Jahres 2014. Seine Partnerin hatte sich von ihm getrennt. Diese hatte er immer wieder betrogen und angelogen. Als er dann eines Morgens vollgedröhnt und betrunken aufwachte und merkte, dass er seinen Schichtbeginn verschlafen hatte, befürchtete er, auch noch seinen Job zu verlieren. Der Job, der seine letzte Konstante im Leben war.
An diesem letzten drogengeschwängerten Morgen erinnerte er sich daran, dass er bei seiner Einstellung einen Flyer bekommen hatte. Darauf fand sich eine simple Botschaft: Wenn Sie ein Suchtproblem haben, können Sie sich bei Ihren Chefs melden. Die können Ihnen beim Ausstieg helfen. Um seinen Job zu retten, bat er seinen Chef an diesem Morgen im August 2014 um ein Gespräch. „Ich bin drogensüchtig“, sagt Wilhelm ihm als Erstem von vielen Menschen. Das auszusprechen, sei ein ganz wichtiger Schritt auf seiner Reise gewesen, sagt er heute. So habe er Schritt für Schritt angefangen, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.
Der Schlüssel zur Abstinenz sei für Wilhelm die Arbeit an seiner Selbstzufriedenheit und Selbstliebe gewesen. Man müsse lernen, gerne Zeit mit sich selbst zu verbringen, teilt er seine Erfahrungen. Unterstützung in der Zeit des kalten Entzugs und der Therapie fand er in seiner Familie.
Selbsthilfegruppe „Nova Vita“ in Mannheim hilft Wilhelm abstinent zu bleiben
Dabei haben Wilhelm nicht nur sein Arbeitgeber und seine Familie geholfen, sondern auch die Selbsthilfegruppe „Nova Vita“ auf dem Waldhof. Dort treffen sich offene Gruppen zweimal pro Woche. Betroffene können sich hier anderen anvertrauen, die ihre Erfahrungen mit der Abstinenz teilen – ohne Druck oder Urteil. In diesen Gruppensitzungen können die Teilnehmer Themen mitbringen, die sie in der vergangenen Woche beschäftigt haben. Anschließend können alle etwas zum Thema erzählen. Wichtig sei aber, dass jeder bei sich bleibt.
Heute versucht er, die Hilfe für andere zu sein, die er damals bekommen hat. Bei Nova Vita leitete er zwei Gruppen ehrenamtlich und besucht immer wieder Psychiatrien, um dort Impulse für ein abstinentes Leben zu setzen. Auf dem Youtube-Kanal der Gruppe teilt er seine Erfahrungen und geht mit Menschen über das Thema Sucht ins Gespräch.
Durch ständige Arbeit an sich selbst können Menschen lernen, neue Strategien zu entwickeln, um mit ihrer Sucht zu leben. Davon ist Wilhelm überzeugt. Heute sagt er: „Ich darf meinen nüchternen Zustand niemals verlassen, sonst kommt der Junkie in mir hervor und der kennt kein Ehrgefühl.“
Selbsthilfegruppen für suchtkranke Menschen
„Du bist nicht allein“ - Das ist die Botschaft von Selbsthilfegruppen für suchtkranke Menschen überall und auch in Mannheim. Es gibt zahlreiche Angebote:
- Der Freundeskreis Nova Vita trifft sich auf dem Waldhof wöchentlich und ist immer offen für Betroffene, die Hilfe brauchen. Weitere Informationen unter www.freundeskreis-nova-vita.de.
- Meetings der Anonymen Alkoholiker in Mannheim findet ihr unter diesem Link www.anonyme-alkoholiker.de/meetings/meetingssuche/
- Termine für die Selbsthilfegruppe des Kreuzbunds gibt es unter folgende Link www.kreuzbund.de
- Eine Liste der Selbsthilfegruppen in Mannheim stellt der Gesundheitstreffpunkt in Mannheim online zur Verfügung.
- Informationen zu Sucht und Suchtberatung gibt es außerdem bei der Suchtberatung von Diakonie und Caritas in Mannheim unter folgendem Link: www.caritas-mannheim.de/hilfe-und-beratung
- Allgemeine Informationen zu Sucht und Hilfe bei Sucht sowohl für Betroffene als auch Angehörige gibt es auch beim Infotelefon des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) zur Suchtvorbeugung unter der Rufnummer 0221 892031 und online unter www.kenn-dein-limit.de/alkoholberatung
Sein Leben sieht nun ganz anders aus als in der Sucht. Wilhelm ist durch sein Engagement Teil einer Gemeinschaft, hat sich beruflich weiterentwickelt, ein gutes Verhältnis zu seiner Familie. Und der für ihn vielleicht wichtigste Punkt: Er sei durch viel Selbstreflexion und Arbeit jetzt an einem Punkt, an dem er sich nicht mehr für sich schämt, sondern stolz auf den Menschen ist, der er geworden ist.
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