Heidelberg. Wer bei einem Bummel durch die Heidelberger Altstadt einen Ort erleben will, der mehr ist als ein Geschäft, der sollte unbedingt einen Abstecher in die Neugasse unternehmen. Dort liegt – etwas unscheinbar und dunkel – der Heidelberger Zuckerladen. Er ist ein Refugium, eine kleine Schatzinsel, ein Stück Kindheit und ein Stück Heidelberger Geschäftsgeschichte.
Heidelberg ohne Zuckerladen? Das ist unmöglich.
Und wäre Antonia Brehme nicht gewesen, wäre dieser zauberhafte Ort nach fast 40 Jahren von der Stadtkarte verschwunden. „Heidelberg ohne Zuckerladen? Das ist unmöglich“, sagt Brehme. Die 36-Jährige lacht, wenn sie das sagt, doch auch die Ernsthaftigkeit schimmert in ihren Augen. Denn während das Eintauchen in die bunte Welt der Bonbongläser und Würfelspiele für viele Kunden ein lieb gewonnenes Ritual ist, war es für sie ein Sprung ins kalte Wasser.
Zuckerladen in Heidelberg: Antonia Brehme übernimmt Traditionsgeschäft
Die Geschichte dieses Ladens begann 1986, als Marion und Jürgen Brecht den Zuckerladen in der Plöck eröffneten. „Durch diese Tür sind viele Generationen von Heidelbergern gegangen, haben sich an der Süßigkeitenwand ihre Favoriten ausgesucht, geplaudert und gelacht“, sagt Brehme und ergänzt: „Auch für mich war er immer ein Stück Heimat.“
Als 2023 klar wurde, dass ein Nachfolger für die Institution gesucht wird, zögerte sie nicht lange. „Es war ein Gefühl, dass ich es machen musste. Es fühlte sich einfach richtig an“, sagt Brehme. Ihr Weg war aber alles andere als vorgeplant: Brehme wurde in Dresden geboren und zog mit vier Jahren in die Rhein-Neckar-Region, wuchs in Eppelheim auf und machte dort ihr Abitur. Danach studierte sie Wirtschaftsingenieurwesen in Mannheim und arbeitete anschließend bei Prominent, Roche und schließlich acht Jahre lang bei der BASF in Ludwigshafen in der internen Beratung.
Besitzerin des Heidelberger Zuckerladens: „Ich will etwas Eigenes, etwas mit Händen und Herz schaffen.“
Obwohl es ein sicherer, gut bezahlter Job war: Etwas fehlte. „Ich mochte meine Arbeit wirklich sehr und das Team war super, aber irgendwann kam die Erkenntnis: Ich will etwas Eigenes, etwas mit Händen und Herz schaffen“, erzählt Brehme. Die Entscheidung, den Zuckerladen zu übernehmen, kam in der Lebensmitte – mit Familie (drei Kinder) in Wieblingen, einem Haufen Verantwortung und dem Wissen, dass sich alles verändern würde. „Manchmal denke ich, der Zuckerladen hat mich ausgesucht“, sagt sie.
Dass es am Traditionsstandort in der Plöck nicht weiter gehen sollte, war für Brehme zunächst eine echte Belastung. „Ich habe keinen neuen Mietvertrag erhalten. Es war schwer das zu akzeptieren, der Zuckerladen gehörte da irgendwie hin.“ Aber das Schicksal hatte einen besseren Plan: Ein neues Zuhause fand sich in der Neugasse. Aus den Redaktionsräumen der Rhein-Neckar-Zeitung ist heute ein farbenfrohes Wunderland voller Leckereien geworden. „Als ich hereinkam, war mir sofort klar: Das ist es“, sagt Brehme und fügt an: „Der Familie Höltzcke bin ich wirklich wahnsinnig dankbar. Sie sind tolle Vermieter.“
Der Zuckerladen in Heidelberg ist ein geschichtsreicher Ort
So besonders ist der Heidelberger Zuckerladen übrigens, weil er über 200 Sorten Bonbons, Schokoladen und Lakritze sowie Trüffel und Nougat führt, die man sonst nirgendwo findet. Es ist die Stimmung, dieser Mix aus Nostalgie und Abenteuer, zwischen Harry-Potter-Feeling und den Erinnerungen der Kindheit, der den Reiz des kleinen Ladens ausmacht. „Viele Leute kommen rein und sagen, es fühlt sich an wie nach Hause kommen“, berichtet Brehme.
„Und genau das ist für mich das Allerschönste.“ Hier kommen Schüler mit 50-Cent-Stücken, Familien, die Tüten für Geburtstagsfeiern füllen, und Leute, die gezielt nach Geschenken für Weihnachten oder das Zuckerfest suchen, zusammen. „Mein Ziel ist es, dass jeder hier sich alles leisten kann. Selbst wenn es nur ein Brausebonbon ist, das Erlebnis zählt.“
Kult im Zuckerladen: Das Würfelspiel
Das Spiel „Hoch oder tief, gerade oder ungerade“ am Ende jedes Einkaufs darf natürlich auch nicht fehlen: Ein Würfelspiel, bei dem man kleine Extras gewinnen kann. „Das ist seit jeher existent. Es spielt keine Rolle, ob jemand eine Riesentüte oder nur ein paar Bonbons kauft – jeder darf würfeln“, sagt Brehme und ergänzt: „So drücken wir aus: Wir freuen uns, dass du hier bist.“
Und wie ist sie mit dem Druck umgegangen, einen solchen Traditionsladen zu übernehmen? „Natürlich hatte ich Angst, die großen Stiefel von Marion und Jürgen zu füllen“, sagt sie und erzählt, dass sich zahlreiche Kunden nicht getraut hätten, reinzukommen, weil sie dachten, es sei nicht mehr wie früher. „Aber ich denke, man hat immer gemerkt, dass wir das hier mit Herzblut machen.“
Brehme muss lachen, wenn sie an die ersten Wochen denkt. Zu Beginn hatte sie oft das Gefühl, nicht alles richtig zu machen. „Da haben mir die Vorbesitzer super geholfen. Und ich habe die Preise, die Rituale und die Liebe zum Detail übernommen.“ Inzwischen kommen viele ehemalige Stammkunden und sind begeistert. „Wenn sie sagen, es sei genauso schön wie früher, ist das eine tolle Bestätigung für mich.“ Geschenke aus eigener Fertigung, Erinnerungen zum Mitnehmen.
Der Zuckerladen ist aber längst mehr als ein Geschäft, er ist mittlerweile auch Werkstatt: Hier werden handgefertigte Geschenke, riesige Gestecke, Tortenkreationen aus Süßigkeiten und Herzen in sämtlichen Größen hergestellt. „Jedes Stück ist einzigartig und mit Liebe gefertigt. Für Hochzeiten, Firmen, Vereine, Weihnachten – oder einfach nur, um jemandem eine Freude zu bereiten“, sagt Brehme. Es besteht die Möglichkeit, sogar individuelle Firmenfarben auszuwählen und Logos anbringen zu lassen. „Das Beste ist, dass ich weiß, dass von uns gemachte Geschenke in Erinnerung bleiben.“
Die Courage zur Veränderung – und zur Kontinuität
Ihre Zeit bei BASF, wo sie in der internen Beratung arbeitete, sieht sie heute als großen Vorteil. „Ich habe dort die Fähigkeit erlangt, Prozesse zu verbessern, mit Menschen zu interagieren und Verantwortung zu übernehmen“, sagt sie und fügt an: „Ich weiß auch, wie entscheidend es ist, auf die Menschen, die hierherkommen, richtig einzugehen und ihnen zuzuhören.“
Unterstützung erhält Brehme vor allem von ihrer Schwester Theresa. „Sie ist meine wichtigste Stütze“, sagt sie, um direkt zu ergänzen: „Und natürlich ist da mein tolles Team. Das sind alles Mitarbeiter mit Herz, da passt es einfach.“ Angesprochen auf ihre Worklife-Balance lacht Brehme laut: „Was ist das?“, fragt sie und ergänzt: „Ich arbeite deutlich mehr als früher. Aber es fühlt sich nicht so an. Ich mache das aus Liebe und mit riesiger Freude.“ Dass die Geschäfte besser laufen, als erwartet, trägt sicherlich auch zur Zufriedenheit bei.
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