Metropolregion. Es wirkt schon apokalyptisch, wenn Schwalben plötzlich in Massen vom Himmel fallen und leblos am Boden liegen bleiben. Menschen, die das ungewöhnliche Schauspiel am Wochenende in der Region miterlebten, waren geschockt. Allein bei Gaby Weiß von der Ehrenamtlichen Wildvogelhilfe gingen deshalb über 100 Anrufe ein. „Eine Frau hat am Telefon sogar geweint“, schildert die engagierte Tierliebhaberin, die in Wehrzollhaus, einem Ortsteil von Lampertheim, zu Hause ist.
Was sich fast nach der Szene aus einem Hitchcock-Film anhört, ist tatsächlich ein unbarmherziger Vorgang der Natur. Die Zugvögel wurden auf ihrem Weg nach Afrika von drei Tagen Dauerregen und einem plötzlichen Kälteeinbruch überrascht. Die Folge: die Insekten, von denen sich Schwalben ernähren, stiegen nicht mehr auf. Den Vögel – sonst so geschickte Jäger – fehlte die Beute.
Tiere suchen zu Tausenden Schutz
Bald waren sie völlig entkräftet, legten zwischen Berg- und Weinstraße zu Tausenden Rast ein, suchten Schutz – in Fabrikhallen, auf Balkons, unter Pergolen und Markisen. Manchmal einfach an Hauswänden. „Aber auch dort konnten sich viele nicht halten. Sie hatten einfach keine Reserven mehr, waren ausgezehrt“, beschreibt Gaby Weiß.
Etliche Tierfreunde sammelten die Schwälbchen ein und brachten sie der Lampertheimerin. Die sitzt inzwischen umringt von kleinen Vögeln, die – in Küchentücher oder speziellen Aufzuchtnestern eingekuschelt – Kraft tanken. Ein Raum im Haus der 55-Jährigen ist als Schwalbenzimmer umfunktioniert. Trotzdem ist sie nicht die Einzige, die derzeit Zugvögel beherbergt. Etwa über die Hälfte der abgegebenen Piepmatze haben „Kolleginnen“ von anderen Pflegestationen übernommen.
In den vergangenen Tagen hat Weiß von morgens um 7 bis abends um 20 Uhr gefüttert. Alle anderthalb Stunden gab's für jedes Tier – mit der Pinzette serviert – sechs bis sieben Heimchen, also Grillen, die Tierhandlungen als Futter verkaufen.
„Auf Facebook haben viele geschrieben, dass sie die Vogelhäuschen in ihren Gärten aufgefüllt haben. Das aber hilft den Schwalben, die reine Insektenfresser sind, nicht“, sagt die Fachfrau.
Das Phänomen der vom Himmel fallenden Schwalben ist übrigens nicht neu. Im vergangenen Jahr trat es vor allem in Bayern und Österreich auf, als in den Alpen schon frühzeitig Schnee gefallen war. Ganz so schlimm wird es in der Region Rhein-Neckar wohl nicht werden. Dennoch soll es in den kommenden Tagen mitunter kühl bleiben – und der Zug der Schwalben geht noch bis Mitte Oktober.
So hilft man den gestrandeten Vögeln
„Wer den hier gestrandeten Vögeln beistehen möchte, kann vorsichtig Heizstrahler oder Heizpilze in ihre Nähe rücken“, sagt die Lampertheimerin. Nur am Boden liegende Tiere sollten gesichert werden. Schwalbenfreunde können dann das Innere eines mit Luftlöchern versehenen Kartons mit einem moderat erwärmten Kirschkernkissen versehen und die gefiederten Gesellen zur nächsten Auffangstation bringen. Die Adressen finden Interessierte auf der Homepage der Wildvogelhilfe.
Gaby Weiß indessen versucht, ihre Schützlinge möglichst schnell wieder fit zu bekommen. „Ich hoffe, dass ein Schwung bald stabil genug ist, um sich wieder auf den Weg Richtung Afrika zu machen.“ Der Rest wird wohl bei ihr in Lampertheim überwintern.
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