Mannheim. Es ist kein besonders einladender Ort hier unten. Stickig und schwül ist es, die Luft riecht leicht verfault. Von den Wänden und Decken hängen Spinnenweben herab. „Dominik! Siehst du Bläschen? Was zeigt das Multiwarn an?“, ruft es plötzlich von oben. Beim Blick in den stinkenden Schlick, in dem wir uns befinden, sind kleine, langsam aufsteigende Luftblasen zu erkennen. Ein schlechtes Zeichen?
Kanalarbeiter Dominik Zuber wirkt entspannt und schaut auf ein kompaktes Gerät, das um seine Schulter hängt. „Alles gut“, brüllt er zurück. Trotzdem: In einem Kanal wie diesem kann es schnell lebensbedrohlich werden. „Dadurch, dass der Kanal noch nicht gereinigt wurde, besteht die Gefahr, dass wir Schwefelwasserstoff aufwirbeln“, erklärt Dominik. Wenn das Warngerät anschlägt, muss man so schnell wie möglich raus. Neben Ertrinken ist die Vergiftung durch Gase die größte Gefahr bei der Arbeit in der Kanalisation.
„Hast du es gemerkt, als du wieder nach oben gekommen bist?“, fragt mich später Rolf. „Du hast ganz anders geatmet. Das ist die Luftfeuchtigkeit und die macht zu schaffen. Wenn du mal zwei, drei Stunden unten bist und arbeitest, dann merkt man das schon. Und das ist anstrengend.“
Rolf Gärtner muss es wissen. Seit 25 Jahren arbeitet er bei der Mannheimer Stadtentwässerung und kümmert sich gemeinsam mit seinem Team um die Säuberung, Spülung und Instandhaltung des fast 900 Kilometer langen Kanalnetzes. Spaß an der Arbeit hat er noch immer. „Es sind immer neue Herausforderungen“, erzählt der gebürtige Mannheimer.
Klischees, dass es bei der Arbeit nur um Fäkalien, Ratten und Gestank geht, lässt er gar nicht erst an sich. „Wir arbeiten mit Scheiße, aber es ist kein Scheiß-Job“, scherzt Rolf. Und auch aus der Mannheimer Bevölkerung erfährt er nach eigenen Angaben Wertschätzung. „Man wird schon wahrgenommen. Ich kriege sogar Sachen angeboten, Kaffee oder was zu trinken. Weil es sind schon Leute da, die schätzen das echt. Weil die wissen ja: Wenn es nicht läuft, haben sie Probleme“, sagt der Kanalarbeiter.
Rolf von der Stadtentwässerung kümmert sich mit seinem Team um das Mannheimer Kanalnetz
Dabei kommt Rolf ursprünglich vom Straßenbau. „Mein Bruder, der ist auch bei der Stadtentwässerung, der hat gesagt: Komm zu uns. Und dann habe ich gesagt: Okay, Peter, ich komme“, erinnert sich Rolf. Die richtige Entscheidung: „Das war echt gut. Ich fühle mich wohl hier. Und mit den Kollegen – wir verstehen uns alle gut.“ Rolf und sein Team sind eingespielt. Als sie an diesem Morgen in der Mannheimer Waldstraße ein Großprofil - also einen Kanal mit zwei Metern Dicke und 2,20 Metern Höhe - spülen, sitzt jeder Handgriff.
Die vier Frischwasser-Kubikmeter, die das Team am Morgen um 7.30 Uhr im Betriebshof der Stadtentwässerung getankt hat, werden zunächst in den Kanal geleitet - mit mächtig Druck. Damit Schlamm, Faserstoffe und andere Verschmutzungen aufgewirbelt werden. Anschließend wird das Kanalwasser aufgesaugt. Der Schmutz bleibt im großen Kessel des Fahrzeugs und wird später ins Klärwerk gebracht, das gesaugte Wasser wird aufbereitet, um es beim nächsten Kanal wieder zum Spülen zu nutzen.
YouTube-Serie „Mannheims Helden“
- In unserer Video-Serie „Mannheims Helden“ auf unserem YouTube-Kanal stellen wir die Menschen in Uniform vor.
- Wir wollen wissen, was sie an einem ganz normalen Arbeitstag erleben und warum sie sich für diesen Beruf entschieden haben.
- In Folge sieben begleiten wir Rolf Gärtner. Der Kanalarbeiter ist seit 25 Jahren bei der Stadtentwässerung und hat noch immer Spaß an der Arbeit. „Es sind immer neue Herausforderungen “, sagt er.
- In unserer knapp 14-minütigen Video-Reportage auf YouTube zeigen wir, welche Aufgaben Gärtner und sein Team erledigen müssen und welche Gefahren dabei lauern können. jaw
Ein einfacher Vorgang, der dennoch wichtig ist, um Verstopfungen und Geruchsbelästigungen vorzubeugen – und „um Schäden zu kontrollieren“, sagt Rolf. Deshalb werden die Mannheimer Kanäle turnusmäßig alle zwei Jahre gewartet. Dazu gehört nicht nur das Spülen, sondern auch die Arbeit im Untergrund, wenn zum Beispiel Steine, Hölzer oder Wurzeln in den Kanal geraten sind.
Regenfälle können bei der Arbeit in der Mannheimer Kanalisation zur Lebensgefahr werden
Ob wir an diesem Morgen auch in das Großprofil einsteigen können, ist zunächst unklar. Es nieselt leicht, in der Nacht hat es durchgängig geregnet. Wenn das Wasser im Kanal höher als 60 Zentimeter steht, bleiben wir oben, beschließt Rolf. Denn wenn es jetzt auf der Vogelstang stark regnen würde, hätten wir laut ihm etwa zwei Minuten Zeit, bis uns das Wasser mitreißen würde. Reicht das, um rechtzeitig herauszukommen? „Ganz knapp“, sagt der Kanalarbeiter.
Doch das Wetter scheint es gut zu meinen. Gewappnet mit Helm, Gummistiefeln, Handschuhen und einem Einmal-Anzug – um das Infektionsrisiko zu minimieren – geht es in Richtung Kanaldeckel. Dort wartet das nächste Problem: Die Steigeisen sind kaputt. „Das wird jetzt gemeldet“, erklärt Rolf. In etwa zwei Tagen könne dieser Abschnitt dann wieder begangen werden.
Feuchttücher, Q-Tips und sogar Messer machen der Mannheimer Stadtentwässerung die Arbeit schwer
Für uns geht es als Trost zum anfangs beschriebenen, etwas kleineren, abgelegenen Kanal in der Nähe der Feuerwache Nord. Neben der drückenden Atmosphäre fallen hier vor allem zahlreiche Feuchttücher auf, die der Stadtentwässerung die tägliche Arbeit erschweren. „Die lösen sich nicht auf. Die Leute sollen die nicht in die Toilette werfen, machen es aber trotzdem“, klagt Dominik. Doch auch Q-Tips, Essensreste, Rasierklingen, Spritzen und sogar Messer gelangen immer wieder in den Kanal und behindern Rolf und sein Team bei der Arbeit.
Und das Außergewöhnlichste, das er je gefunden hat? „Ein Moped“, antwortet er schnell - auch wenn er keine Ahnung hat, wie das dort hingelangt ist. Für uns geht es dann erst ins Klärwerk auf der Friesenheimer Insel und dann zurück zum Betriebshof. „Vielleicht müssen wir heute noch eine Verstopfung wegmachen“, sagt Rolf. Doch eigentlich fühlt es sich schon sehr nach Feierabend an.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/leben/treffen_artikel,-menschen-in-der-region-kanalarbeiter-in-mannheim-so-sieht-der-alltag-bei-der-stadtentwaesserung-aus-_arid,2314589.html