Bürstadt. Es wirkt wie eine überdimensionale Patch-Work-Decke: das Firmengelände der Familie Bartholme in der Bürstädter Gärtnersiedlung. Auf 14 Hektar Fläche werden dort Topfpflanzen kultiviert – hauptsächlich die im Herbst so beliebte Besenheide. Die wächst schön sortiert auf Teilbereichen des Areals, was den Patchwork-Effekt ausmacht. Die Heide gibt es aufrecht, breit oder hängend wachsend. Und in einem riesigem Farbsprektrum – von kokosweiß über klassisch violett bis hin zu gelb-orange wie ein Sonnenuntergang im Spätjahr.
„1,4 Millionen Heidepflanzen verkaufen wir pro Jahr an Gartencenter, Großhändler und Friedhofsgärtner“, erzählt Geschäftsführer Bernd Bartholme beim Rundgang durch den Betrieb nicht ohne Stolz. Damit ist sein Team nach eigenen Angaben eines der größten Produzenten in ganz Hessen.
Das Unternehmen gibt es seit drei Generationen. Es ist inzwischen fast 70 Jahre alt. Damit gehören die Bartholmes zu den Familienbetrieben im südhessischen Ried, die durch ihre Beständigkeit auffallen. Insbesondere in dieser schnelllebigen Zeit. Es gibt sie im Handel, wie die Rosenbergers in Bürstadt, die seit Jahrzehnten Hüte verkaufen. Oder in der Landwirtschaft, wie die Lampertheimer Familie Billau. Und im Handwerk wie die Schmerkers mit ihrer Konditoren-Kunst oder eben die Bartholmes mit ihrem gärtnerischen Know-How.
Doch was macht den Erfolg dieser Familienunternehmen aus? Es scheint dieser Dreiklang zu sein aus Erfahrung und Wissen sammeln, das Können, Probleme in Chancen umzumünzen, und die Bereitschaft sich mit Ideenreichtum auf immer Neues einzulassen.
Ursprünglich stammen die Bartholmes aus Offenbach, sind seit 1958 in Bürstadt. Damals wurde die Gärtnersiedlung gegründet. „Dort konnte man sich unter der Prämisse niederlassen, Gemüse anzubauen und somit einen Beitrag zur Nahrungssicherung zu leisten“, erklärte Bernd Bartholme im Gespräch mit unserer Redaktion.
Sein Großvater Otto begann auf zwei Hektar Fläche. Doch dann brachen die Preise ein. Also stiegen die Familie und einige ihrer Nachbarn von Gemüse auf Blumen beziehungsweise Topfpflanzen um.
Die Heide macht den Hauptteil im Sortiment der Bartholmes aus. Früher gehörten auch Azaleen dazu. Vater Werner hatte inzwischen die Geschäftsführung übernommen. Und wieder gab es Hürden.
Die Bartholmes trotzen den wiederkehrenden Energiekrisen
Um die Jahrtausendwende stiegen die Heizölpreise, machten die Produktion in den beheizten Gewächshäusern teuer. „Dazu kam, dass die Azaleen einfach nicht mehr so gefragt waren. Auch in der Pflanzenwelt gibt es Trends“, sagt Juniorchef Bernd Bartholme achselzuckend. „Nichts bleibt eben, wie es ist.“
Aus der Bahn hat das den Familienbetrieb nicht geworfen. „Wir haben nach einem Ersatz gesucht und ihn mit dem Zickzackstrauch gefunden“, erinnert sich der Geschäftsführer und lächelt vielsagend. Den Unternehmergeist scheint man ihm dabei anzusehen.
Der Strauch mit seinen bizarr verschlungenen grauen Zweigen und den silbrigen Blättchen passte in den Geschmack des Millenniums. Zudem wächst die pflegeleichte Pflanze in der Wohnung genauso wie draußen auf dem Balkon oder im Garten. „Das alles hat die Leute neugierig gemacht“, erinnert sich Bernd Bartholme. „Nur mit dem Anbau war es anfangs gar nicht so einfach.“
Er und sein Team mussten deshalb ein wenig experimentieren, mit dem Gießen, dem Licht und der Beschattung in den Gewächshäusern. Rund 22.000 Quadratmter der gesamten Produktionsfläche liegt unter Hochglas.
Inzwischen hat sich das Familienunternehmen mit seinen Zickzacksträuchern europaweit einen Namen gemacht. „Das liegt daran, dass wir die Pflanze in der Wachstumsphase immer wieder anbinden und schneiden, um ihr so etwa eine schirmartige Form zu geben“, erläutert der Geschäftsführer.
Zwei Meister, zwei Gärtner und 15 Saisonarbeitskräfte aus Polen beschäftigt der Betrieb – mitunter schon seit Jahrzehnten. Egal, ob bei der Pflege der Pflanzen oder beim Beladen der Rollwagen für den Transport, die Frauen und Männer arbeiten routiniert zusammen, jeder Handgriff sitzt. „Ich habe mit allen drei Generationen von Bartholmes zusammengearbeitet“, verrät einer der Angestellten lachend. „Ich konnte mich immer auf sie verlassen und sie sich auf mich.“
Auch dieser Zusammenhalt trägt das Unternehmen, und die Zeiten bleiben herausfordernd. Der neuerlichen Energiekrise trotzt die Familie durch eine neue Photovoltaikanlage, die den Betrieb mit Strom versorgt. Aufgefangenes Regenwasser wird zum Gießen verwendet. Die Versorgung der grünen Zöglinge mit Wasser übernimmt ein komplexes automatisiertes System aus Rohren und Düsen. Auch ein moderner Klimacomputer ist im Einsatz.
Effizienz ist das Gebot der Stunde. Das weiß auch der Seniorchef, der gerade über den Hof läuft. „Die Produktionskosten und die Bürokratie sind nirgends so hoch wie in Deutschland. Das macht es nicht leicht“, sagt er und lässt die bunten Felder hinter sich. Allerdings nur für kurze Zeit: für die Mittagspause.
VideoEine Bürstädter Gärtnerfamilie zwischen Mut und Anpassung
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