Fern von Dörfern und Straßen zieht sich der Pfad über Wurzeln und moosbesetzte Steine hinauf. Die Blätterdächer sieben Lichtflecken aus den Sonnenstrahlen. Gräser streifen an den Beinen entlang, Schmetterlinge tanzen. Ein Baum ist mit Zunderschwämmen übersät – einer Pilzart, die einst als Brennmaterial zum Anheizen diente.
Der Anstieg auf den Kronberg im Bayerischen Wald treibt den Schweiß ins Shirt und auf die Stirn, ist aber kein alpiner Gipfelsturm. Die Spitze kratzt an der Tausend-Meter-Marke, umzogen von dichtem Forst. Oben schält sich ein Holzkreuz aus dem Grün. Der Lohn des Aufstiegs ist die Stille – und kein lärmiges Wirtshaus.
Bierfernwanderweg
Anreise
Für die Anreise mit der Bahn eignet sich Zwiesel als Einstiegspunkt am besten. Es ist per Regionalbahn von Plattling aus, wo auch ICE halten, direkt zu erreichen. Nach Viechtach muss man von Plattling aus kommend noch einmal in Gotteszell die Bahn wechseln.
Bierfernwanderweg
Die Kernrunde führt über 109 Kilometer und sechs Etappen. Da die Beschilderung nicht immer gut ist, empfiehlt es sich, vorher die Karte auf sein Smartphone zu laden. Infos und Download unter: https://wandern.arberland- bayerischer-wald.de
Führung
Die Postkellerfreunde bieten in Regen Führungen durch historische Bier- und Eiskeller an. (www.postkellerfreunde-regen.de)
Tipp
Ein Überraschungseffekt bei der Zusatzetappe durch den Nationalpark Bayerischer Wald ist das sogenannte „Bier vom Stein“ in der Klause Schwellhäusl: Gezapft aus einer Leitung, die durch den Fels verläuft. (www.schwellhaeusl.de)
Informationen
Touristisches Servicecenter Arberland Regio, Amtsgerichtstraße 6-8, 94209 Regen (Tel.: 09921/9605 2222; E-Mail: tourismus@arberland-regio.de, Internet: www.arberland-regio.de)
Im Gegenteil: Weit und breit ist jetzt und hier auf dem Bierfernwanderweg kein Bier in Sicht. Es sei denn, man hat eins als Proviant in den Rucksack gepackt. Erst beim Abstieg hat die Durststrecke auf der Gutsalm Harlachberg ein Ende.
109 Kilometer, sechs Etappen
Aber nur keine Sorge vor Etikettenschwindel. Natürlich fließt auf „Deutschlands erstem Bierfernwanderweg“, wie ihn das Tourismusbüro des Arberlands bewirbt, reichlich Bier. Nur eben nicht überall. Acht Brauereien nebst Biergärten und anderen Lokalen entfallen auf die Kernrunde, die auf einer Länge von 109 Kilometern und 2836 Höhenmetern durch den Bayerischen Wald führt.
Eingeteilt ist der Rundweg ab Viechtach in sechs Etappen, wobei man ebenso gut in Zwiesel oder Regen einsteigen kann. Hinzu kommen zwei Zusatztouren ab Zwiesel, zu denen man per Bahn gelangt.
Der Bierfernwanderweg, der vorhandene Wanderstrecken miteinander kombiniert, ist in dieser Form neu. Pandemiebedingt ist er aber nie feierlich vor Ort eröffnet worden, sondern lediglich digital. Bislang darf man sich also auf dem Weg als Pionier fühlen, was allerdings auch mit planerischen Kinderkrankheiten verbunden ist.
Starten Sie unbedingt mit einem Download von Karte und Wegbeschreibung auf das Smartphone. Sich nur auf aufgeklebte Hopfensymbole entlang des Weges zu verlassen, funktioniert (noch) nicht. Die Beschilderung unterwegs ist mitunter schlecht.
Und wo bleibt das Bier, dass der Weg mit seinem Namen verspricht? Im Etappenort Zwiesel zum Beispiel, wo die Dampfbierbrauerei auf eine lange Tradition zurückblickt. Im 19. Jahrhundert gab es in dem niederbayerischen Städtchen über ein Dutzend Brauereien. Heute ist dies die letzte im Ort.
Mit etwas Pathos könnte man sagen: Der Bierfernwanderweg ist auch eine Route, die dem Brauereisterben entgegentreten will.
Dieter Pfeffer ist Seniorchef der familiär geführten Dampfbierbrauerei und vertritt sein Produkt mit Selbstbewusstsein. „Wir wollen ein Kontrast zu den Großen auf dem Markt sein“, sagt er. Den Trinkgenuss sieht Pfeffer als persönliches Erlebnis mit Geschichte: „Hier spüre ich die Region.“
Ihm habe es „gestunken“, sagt der Brauerei-Seniorchef, dass die Presse oft genug von Craft-Bieren aus Amerika geschwärmt habe, deren Hype hinüber schwappte – wo Vergleichbares doch gleich bei ihnen und anderen ohne lange Lieferwege entstehe.
In dieselbe Kerbe schlägt Frank Reuter. Er ist Braumeister bei Adam Bräu in Bodenmais, wo ein anspruchsvolles Stück des Fernwanderwegs hinauf zum Berg Hennenkobel beginnt. „In kleinen Brauereien in Bayern wurden schon immer Craft-Biere gemacht“, sagt Reuter. Ihn reize es, „Rezepte von früher wieder aktuell zu machen“.
Ehrensache, dass der 54-Jährige jeden Tag Bier trinkt. „Am liebsten ein Helles und immer das eigene. Ich habe nämlich eine Fremdbierallergie“, sagt Reuter und lacht. Wein zur Abwechslung ist für den Braumeister wiederum kein Tabu. Sofern es sich um einen „guten französischen Rotwein“ handelt.
Der Bierfernwanderweg verläuft vielerorts abseits ausgetretener Pfade. Die Frischluft ist Wellness für Seele und Lungen. Gleichzeitig schärfen sich Schritt für Schritt die Blicke für Miniaturen der Natur. Das Allerkleinste gewinnt an Größe.
Wann hat man inmitten medialer Reizüberflutung zuletzt auf Maserungen von Baumrinden geachtet, Symmetrien von Brennnesselblättern, das leuchtende Grün von Farnen im Gegenlicht? Oder auf Fingerhüte, Hahnenfüße, Klee, glitzernden Harz an Stämmen? Es muss nicht immer spektakulär zugehen.
Bereichert wird die Route durch das Flusstal des Schwarzen Regen, den idyllischen Schwellweiher, einen Abstecher zur Glasmanufaktur in Zwiesel oder die komplett ausgemalte Kirche von Ludwigsthal.
Ein Erlebnis ist eine Führung durch die historischen Bier- und Eiskeller in Regen. Die waren lange verschüttet und vergessen. Die Postkellerfreunde haben sie wiederbelebt. Sigrid Schiller-Bauer zählt zu ihnen. Ehrenamtlich hilft die 51-Jährige mit, das Kulturgut vor der eigenen Haustür zu erhalten.
„Außer Bier wurden früher bei idealer Kühlschranktemperatur auch Produkte wie Fleisch, Wurst, Lauch und Mohrrüben gelagert“, erzählt sie. Dabei steht ihr bei acht Grad Celsius der Eishauch vor dem Mund. Lichteffekte und Infotafeln vertiefen das Erleben im Untergrund.
Krönender Abschluss ist eine Bierkostprobe, draußen in der Hütte der Postkellerfreunde. Spruchtafeln zieren die Holzwände. Auf einer steht: „Im Himmel gibt’s kein Bier, drum trinken wir es hier.“ dpa
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