Rhein

Niederländische Wasserstraßen können begeistern

Auf einer Flusskreuzfahrt durch die Niederlande kommt man an Amsterdam und Rotterdam vorbei: Doch die heimlichen Stars sind die Wasserstraßen.

Von 
Christian Schreiber
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Düsseldorf, vom Rhein aus gesehen. © Viva Cruises

Bingo war gestern. Der neue Mitmachspaß auf Deck ist Schiffe-Raten. Die Passagiere lugen aus ihren Liegestühlen und rätseln über Namen, Flaggen und Ladungen. Die „Santa Maria“ mit ihrem bedeutungsschweren Schriftzug am Bug hängt tief im Wasser, sie hat den Bauch voller Kohle. Die „Amarone“ biegt ums Eck, die Ladung verborgen, dafür zwei Autos und drei Fahrräder mit an Bord. Bei der „Repos Ailleurs“ ist nicht nur der Name rätselhaft, man sieht am Heck auch keine Flagge, die über ihr Heimatland Auskunft geben könnte. Auf dem Rhein ist die halbe Welt unterwegs: Malta und Gibraltar, Panama und Tonga, Mauritius und Sri Lanka.

Und mittendrin die „Viva Tiara“. An Bord: rund 150 Passagiere, die sich für eine der spannendsten Wasserreisen in Europa entschieden haben. Von Düsseldorf geht es auf dem Rhein und auf großen Kanälen nach Amsterdam und Rotterdam - zwei Städte voller Wucht. Doch die heimlichen Stars sind die Wasserstraßen, die sich bei dieser Reise auf rund 800 Kilometer addieren. Es sind Flüsse und Kanäle, auf denen unermüdlich Kähne, Ausflugsboote und Flusskreuzfahrtschiffe durchs Land schippern. Auf dem Wasser ist immer etwas los. Selbst wenn man nachts den Vorhang in der kleinen, aber luxuriösen Kabine zur Seite schiebt, sieht man die Silhouetten der vorüberziehenden Schiffe.

Rhein-Kreuzfahrt

Städtetrip Niederlande Vier Nächte kosten ab 595 Euro pro Person. All-inclusive, inkl. Getränke und Tea Time. Start/Ziel: Düsseldorf. Je nach Reisezeit kann es sein, dass Antwerpen (Belgien) statt Nimwegen angesteuert wird und sich die Reihenfolge der Häfen/Städte ändert. Weitere Informationen: www.viva-cruises.com

Weitere Anbieter Rhein-Kreuzfahrten Richtung Niederlande haben unter anderem auch diese Veranstalter im Angebot: A-Rosa (ab/bis Köln), www.a-rosa.de; Nicko Cruises (ab/bis Köln), www.nicko-cruises.de; Phoenix Reisen (ab/bis Köln) www.phoenixreisen.com

Die Gruppe, die sich zum Raten auf Deck trifft, kommt vor allem auf dem 72 Kilometer langen Amsterdam-Rhein-Kanal aus dem Staunen nicht heraus. Die Wasserstraße gilt laut „Rijkswaterstaat“, dem Ministerium für Wasserverwaltung, als einer der meistbefahrenen Kanäle der Welt für Binnenschiffe. Sie verbindet die Waal und den Nederrijn, die beiden Hauptarme des Rheins in den Niederlanden. Der Kanal ist die kürzeste Schifffahrtsverbindung vom Ruhrgebiet nach Amsterdam, der freizügigsten Stadt in Europa, in der Einheimische und Touristen kiffend durch die Gassen laufen und Prostituierte in Schaufenstern auf den nächsten Einsatz warten.

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Die Flusskreuzfahrer erkunden diese verrückte Stadt standesgemäß auf dem Wasser. Die Stadtführerin plappert im Grachtenboot ohne Stopp ins Mikro. Irgendwann muss man raus zum Heck, wo es Stehplätze zum Fotografieren, vor allem aber keine Lautsprecher gibt. Und wieder ist man fasziniert von den Wasserfahrzeugen, die sich durch die 100 Grachten und unter die 1700 Brücken der Stadt zwängen. Die Jungs von der Feuerwehr machen Tauchübungen, es nähert sich ein Schiff voller Möbel. Ein Umzug? Wo sind die Rätsel- und Ratefreunde, die sich immer auf dem Deck der „Tiara“ treffen? Es ist eine behutsame Annäherung an Amsterdam, von den Problemen, die es in den Straßen und Gassen gibt, kriegt man hier auf dem Wasser nichts mit.

Das Durchschnittsalter auf der Reise beträgt 65 Jahre. Obwohl die „Viva Tiara“ bis zum nächsten Morgen in Amsterdam liegt, rafft sich nach dem Abendessen kaum jemand auf, das spannende Nachtleben zu erkunden. Die Gäste genießen vielmehr den Komfort des Schiffes, das sogar über eine kleine Wellnessabteilung verfügt. Das 110 Meter lange Schiff wurde 2006 gebaut und 2020 renoviert.

Blick auf Wolkenkratzer

Eigentümer ist die Reederei Scylla, die ihren Sitz in der Schweiz hat und sich 2018 entschied, Viva Cruises zu gründen, um einen eigenen Veranstalter für Flusskreuzfahrten zu haben. Mittlerweile fährt man mit acht Schiffen auf Rhein, Mosel, Donau, Rhône, Seine und Ostsee. Neu ist ab 2022 auch ein Expeditionsschiff, das bis in die Arktis vordringt. Zudem hat sich Viva entschieden, den Winter durchzufahren, und bietet die Rhein-Tour durch die Niederlande an.

Als Rotterdam erreicht wird, bricht die Rätselgruppe kurz ihre Grundsätze, lässt die „Pride“, die „Amazone“, die „Vigila“ kommentarlos vorüberziehen und kehrt dem größten Hafen Europas den Rücken zu. Zu spannend ist der Blick auf die Wolkenkratzer und Brücken. „In Rotterdam wird das Geld verdient, in Amsterdam ausgegeben.“ Die Stadtführerin fasst in einem Satz zusammen, was die Reisenden in zwei Tagen erlebt haben. Beide Städte passen so gar nicht zu den bedächtigen Niederländern, die gern über Deiche spazieren, Holzschuhe tragen und bunte Blumen lieben. Klischees, aber wahr, wie man bei der letzten Station der Reise in Nimwegen erfährt.

Die Stadt hat 175 000 Einwohner, ringsum ist plattes Land. Wer sich ein Fahrrad leiht, ist in wenigen Minuten im Naturschutzgebiet Ooipolder. Familien radeln zu Ausflugslokalen, die sich mit Tulpen, Geranien und Rosen schmücken. Spaziergänger fachsimpeln über die Vogelwelt und stehen am Fluss, um den Schiffen zuzuwinken. Adieu, „Tiara“.

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