Die Korbsessel auf dem Achterdeck sind bis auf den letzten Platz besetzt. In den Cocktails klimpern die Eiswürfel, die der Wellengang sanft gegen das Glas wirft. Wie ein Ball aus glühender Lava hängt die Sonne über dem Horizont. Der Himmel verfärbt sich in jede nur erdenkliche Schattierung von Orange über Lachs bis Pastellgelb, berührend schön, fast schon kitschig.
Weitere, unvergesslich schöne Sundowner werden folgen. Denn jeden Tag ab 18 Uhr ist Happy Hour in der Bar auf dem Achterdeck der „Aranui 5“ – einem kuriosen Mix aus Fracht- und Passagierschiff, das alle drei Wochen von Tahiti aus abgelegene Inseln im Südpazifik mit lebenswichtigen Gütern versorgt. Es gibt ein Containerdeck und im Heck luxuriöse Kabinen. Auch der Service an Bord ist mit dem eines Kreuzfahrtschiffes vergleichbar. Eine Reise mit der „Aranui 5“ zählt wohl zu den exotischsten Kreuzfahrten überhaupt – wegen der „Exotik“ des Schiffes und der Route. Die führt von Papeete, der Hauptstadt Tahitis, über das Tuamoto-Atoll bis zu den Marquesas, einem Archipel, der in der scheinbar endlosen Weite des Ozeans liegt. Nur sechs der Inseln sind bewohnt. Angeblich ist kein besiedelter Ort auf diesem Planeten weiter vom Festland entfernt. Auch wenn die „Aranui 5“ in erster Linie ein Frachter ist: Alle Kabinen sind geschmackvoll im Kolonialstil eingerichtet, es gibt Pool und Sonnendeck, Boutique und Fitnessraum sowie ein Spa.
Französisch-Polynesien
Anreise
Air Tahiti Nui (www.airtahitinui.com) fliegt täglich ab Paris via Los Angeles nach Papeete auf Tahiti (mit Umsteigeverbindungen von allen deutschen Flughäfen, z. B. mit Air France (wwws.airfrance.de).
Einreise
Tahiti und die Marquesasinseln liegen in Französisch-Polynesien, einem französischen Überseeterritorium. Für die Einreise reicht der Reisepass, der mindestens noch 6 Monate nach Rückreisedatum gültig sein muss. Die USA verlangen für den Transit eine elektronische Einreisegenehmigung, https://esta.cbp.dhs.gov.
Die Kreuzfahrt
Das Kreuzfahrtschiff „Aranui 5“ hat 103 Kabinen und bietet Platz für circa 250 Passagiere. Die Auswahl reicht von Stockbetten im Schlafsaal bis zu Außenkabinen mit Balkon. In allen Preisen (ab rund 3000 Euro p. P.) sind Übernachtung, Vollpension, Tischwein und alle Landausflüge enthalten. Weitere Infos, Termine für 2023 und Buchung finden Sie unter: https://www.aranui.com/de.
Allgemeine Informationen
https://tahititourisme.com/en-us/ CN
Doch im Gegensatz zu einem „normalen“ Kreuzfahrtschiff, das durchschnittlich 3000 Menschen beherbergt, haben auf der „Aranui 5“ maximal 250 Gäste Platz. Und noch eine Besonderheit: Die Crew besteht (den deutschen Guide ausgenommen) ausschließlich aus Einheimischen. So wie Kailua Pureni, die morgens mit den Frühaufstehern auf dem Sonnendeck Yoga macht, ihnen beibringt, wie man die Ukulele spielt und einen Pareo knotet. Neben der Amtssprache Französisch spricht Kailua fließend Englisch – wie der Rest der Crew. Am Morgen des vierten Cruisetages erreicht die „Aranui 5“ Nuku Hiva, die größte und bevölkerungsreichste Insel der Marquesas. Rund 2700 Einwohner leben hier, die meisten in der „Hauptstadt“ Taiohae. Hier wird das Schiff bereits sehnsüchtig erwartet. Die Mole ist voller Menschen. Zwischen Pick-ups, Lkws und Gabelstaplern springen Hunde herum. Frauen, die üppige Blumenkränze wie eine Krone auf dem Kopf tragen, lösen sich aus der Menge, gehen lächelnd auf die Passagiere zu und legen jedem eine handgemachte Kette um den Hals. „Maeva!“ – Willkommen! Während das Schiff entladen wird, geht es für die Passagiere ins Inselinnere, wo – versteckt im Nebelwald – ehemalige Kultstätten der alten Polynesier liegen. Hier begegnet man auch Tikis, in Stein gehauene Götterfiguren, die mit überdimensionierten Köpfen, Glupschaugen und platten Nasen wie Aliens aussehen. Im Schatten eines riesigen Banyan-Baumes trommelt, singt und tanzt eine Folkloregruppe mit so viel Inbrunst, dass selbst die gigantischen Luftwurzeln des Baumes zu vibrieren scheinen. Die Körper der Tänzer sind vom Scheitel bis zur Sohle tätowiert. „Die Motive erzählen die jeweilige Lebensgeschichte“, flüstert der Guide leise. Auf einer steinernen Plattform unterhalb des Baumriesen zeigt er den beeindruckten Passagieren dann noch Vertiefungen im Stein, in denen das Blut der Opfer – meist Tiere, manchmal aber auch Menschen - aufgefangen wurde. Von allen Inseln bleibt Nuku Hiva als die geheimnisvollste, ja die schaurigste in Erinnerung. Von jeher haben die Marquesas Entdecker und Künstler magisch angezogen. „Man fühlt es fast wie einen Schmerz, so vollkommen ist die Schönheit.“ Diesen Satz notierte der amerikanische Schriftsteller Jack London („Der Seewolf“) nach einem Aufenthalt im Jahr 1907.
London, der zu seinen Lebzeiten einer der erfolgreichsten Autoren der Welt war, ist nicht der Einzige, der fasziniert war von den Inseln und der Gastfreundschaft der Bewohner. Sein Landsmann, der Autor Hermann Melville („Moby Dick“), lebte mehrere Wochen bei einem Stamm auf der Insel Nuku Hiva. Seine Erlebnisse dort ließ er in die Erzählung „Typee“ einfließen. Mehr als 50 Jahre später besuchte der schottische Autor Robert Louis Stevenson („Die Schatzinsel“) die Marquesas. In seinem Buch „In der Südsee“ beschreibt er auch den gewaltigen Banyanbaum, der heute noch als Kulisse für traditionelle Tanzvorführungen dient.
Die Insel Hiva Oa wurde bis weit über die Grenzen Französisch-Polynesiens hinaus bekannt, weil sich dort zwei VIPs häuslich niederließen: der französische Maler Paul Gauguin – seine farbenfrohen Gemälde von Südsee-Schönheiten machten ihn weltberühmt – und der belgische Chansonnier Jacques Brel. Beide haben ihre letzte Ruhestätte auf dem Friedhof des Dorfs Atuona gefunden. Brels ehemaliges Haus in Atuona ist heute ein Museum und Pilgerstätte für seine Fans. Gleich nebenan liegt das Paul-Gauguin-Museum, in dem Repliken seiner berühmtesten Gemälde ausgestellt sind. Und dann gibt es noch Fatu Hiva. In den Augen vieler ist das die spektakulärste der Marquesasinseln. Steile, mit tropischem Regenwald bewachsene Basaltkegel prägen die Landschaft. Die Küste ist nur an wenigen Stellen zugänglich. Die „Aranui 5“ ist die einzige Verbindung zur Außenwelt. Die rund 500 Einwohner leben vom Verkauf von Kopra. So nennt man das getrocknete Fleisch der Kokosnuss, aus dem Palmöl gewonnen wird. Von Fatu Hiva aus macht sich das Schiff auf den Rückweg. Fregattvögel begleiten es. Wie jeden Abend treffen sich die Passagiere zur Happy Hour in der Bar auf dem Achterdeck. Jeder Korbsessel ist besetzt. Nirgendwo klingt ein Tag in den Tropen genüsslicher aus.
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