Glücksnest im Niemandsland

Im Dorf Pyla, das direkt in der Pufferzone Zyperns liegt, leben griechische und türkische Zyprer von jeher meist friedlich zusammen. Es gibt zwei Bürgermeister, zwei Kaffeehäuser, zwei Schulen, eine große Kirche und eine Moschee.

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Margit Kohl
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Zwölf Uhr mittags in Pyla: Eine griechische Taverne, ein türkisches Kaffeehaus und ein Pub mit dem vielversprechenden Namen „Happy Nest“ haben ihre Terrassen zum Dorfplatz hin geöffnet. Draußen ist wenig los bei 35 Grad. Nur ein paar ältere Herren sitzen unter den schattigen Arkaden, trinken Kaffee.

Auf den ersten Blick ist das 16 Kilometer nordöstlich von Larnaka gelegene Pyla ein unscheinbares Dorf, wie es viele auf Zypern gibt. Wäre da nicht ein Großaufgebot an UN-Fahrzeugen, die auf dem Dorfplatz parken. Denn Pyla ist eines von nur vier Dörfern, die direkt in der Pufferzone zwischen türkischem und griechischem Inselteil und damit im Zuständigkeitsbereich der UN liegen.

zypern

Anreise

Ab Stuttgart nach Larnaca mit Eurowings, www.eurowings.com. Mit dem Mietwagen über die B 3 und die E 302 nach Pyla. Ein Hinweisschild informiert auf griechischer Seite, sobald man die Pufferzone betritt. Grenzposten muss man nicht passieren, www.pyla.com.cy.

Veranstalter

Die ganze Insel mit griechischem wie auch dem türkisch besetzten Teil besucht man am besten mit einer geführten Studienreise; z. B. einer Rundreise von Studiosus, auf der auch umfassende Treffen mit griechisch- wie türkischstämmigen Zyprern arrangiert werden, die sich sozial, politisch oder kulturell für ihr Land engagieren; 10 Tage mit Flug ab 2195 Euro. www.studiosus.com/Zypern. Ganz Zypern hat auch Gebeco auf einer 15-tägigen Rundreise ab 1895 Euro mit Flug im Programm. www.gebeco.de.

Allgemeine Informationen

Zypriotisches Fremdenverkehrsamt, www.visitcyprus.com MAKO

Kurioserweise kommt bei Pyla noch hinzu, dass hier etwa 1100 Griechen und 600 Türken schon seit Jahrzehnten auf engstem Raum meist friedlich zusammenleben. Vielen ist Nikosia als letzte geteilte Hauptstadt Europas noch ein Begriff. Aber Pyla? Das Dorf, in dem die Wiedervereinigung längst vollzogen wurde – oder besser gesagt, die Teilung niemals stattfand. Wie kann das sein?

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Aufklärung bringt ein Besuch bei Simos Mytides. Der Endfünfziger ist griechischer Bürgermeister von Pyla. Er sei aber für alle Belange im Ort zuständig, sagt Mytides, denn Pyla gehört verwaltungstechnisch zur Republik Zypern. Sein türkischer Kollege Veysel Güden kümmere sich hingegen um Belange der Zyperntürken, sofern diese mit dem nördlichen, von der Festland-Türkei besetzten Gebiet zu tun haben, das als eigener Staat international nicht anerkannt ist. Ein Blick auf die Landkarte im Bürgermeisterbüro verdeutlicht, Pyla liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zur britischen Militärbasis Dhekélia, die noch immer Hoheitsgebiet der Ex-Kolonialmacht Großbritannien ist. „Die Türken wollten sich beim Einmarsch 1974 nicht mit den Briten anlegen und bis nach Pyla vorrücken“, erklärt Mytides die komplexe Situation. Die UN sollen hier in der Pufferzone die Neutralität wahren.

„Wir erteilen hauptsächlich Bauern Genehmigungen, landwirtschaftliche Flächen zu nutzen, oder verhindern illegales Bauen“, sagt ein UN-Mitarbeiter, der seinen Namen nicht nennen will. Im Sommer 2023 gab es eine handfeste Auseinandersetzung, als die türkisch besetzte Seite den angeblich unrechtmäßigen Bau einer Umgehungsstraße vorantrieb. In Pyla haben alle Einwohner einen EU-Pass, womit auch Zyperntürken, anders als die im besetzten Nordteil nachträglich aus der Festland-Türkei angesiedelten Türken, bereits Europäer sind.

Einer von ihnen ist Mehmet. Der ältere Herr trifft sich gern mit anderen Senioren im türkischen Kaffeehaus zum Kartenspielen. Er kann sich noch gut erinnern, wie seine Leute die griechischen Mitbürger bei der türkischen Invasion beschützt haben und die Griechen das Gleiche für die Zyperntürken taten, als diese nach der Teilung nicht in den Norden umziehen wollten. „Wir sind bis heute Freunde geblieben“, sagt Mehmet.

Ob Pyla deshalb als Vorbild für eine mögliche Wiedervereinigung Zyperns nach inzwischen 50 Jahren Teilung taugt? Mytides ist skeptisch, denn dies sei leider nicht allein die Entscheidung der Zyprer. Unter Aufsicht der UN reden da noch die drei Garantie-Mächte Griechenland, Türkei und Großbritannien mit. „Da kommt viel Druck von außen ins Spiel“, meint Mytides und rät, der Rest der Insel solle einfach zusammen mehr Kaffee trinken, damit die Dinge besser laufen. Denn bevor man in Pyla gemeinsam eine Arbeit anfängt, trinkt man dreimal Kaffee. Einmal zyprischen, dann griechischen und dann türkischen, auch wenn in der Kaffeezubereitung nicht der geringste Unterschied besteht.

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