„Ist jetzt nicht dein Ernst, Mama!“ Auf die Frage, welche Pflanze – neben den bunten Eiern und dem Hasen – ein Symbol für Ostern ist, hatten die Kinder Narzissen und Tulpen genannt. Jetzt aber halten sie ein kleines vertrocknetes Knäul in den Händen.
Tatsächlich ist es ein bisschen wie ein Wunder. Legt man das braune Etwas in eine Schale mit handwarmem Wasser, beginnt es schon nach kurzer Zeit sich zu entfalten. Der ganze Vorgang dauert nur wenige Stunden: Dann befindet sich in der Schale eine schöne grüne Rosette. „Das ist die Rose von Jericho“, erkläre ich den staunenden Kindern.
Das Wüstengewächs wird auch Auferstehungspflanze genannt. Früher war sie vor allem bei Pilgern populär. Inzwischen lassen viele christliche Familien auf der ganzen Welt zu Ostern oder auch zu Weihnachten den zunächst leblos wirkenden Knäul wieder „aufblühen“. Der Legende nach soll Maria die Pflanze gesegnet haben, als sie mit dem kleinen Jesus nach Ägypten geflohen ist.
Botanisch spannend ist, ob es sich bei dem Grünling, um eine Echte oder eine Unechte Rose von Jericho handelt.
Die Echte Rose von Jericho (Anastatica hierochuntica) wird auch Wüsten- oder Jerusalem-Rose genannt. Dann erinnert sie an die Stadt, in der Jesus gekreuzigt wurde. Die einjährige Pflanze gehört zu den Kreuzblütlern und hat ihre Heimat in den Wüstengebieten von Marokko bis Jordanien. Dort ist sie in Mulden zu finden, wo sich das Wasser sammelt, wenn es doch mal regnet.
Ist der Niederschlag verdunstet, zieht die Pflanze ihre Wurzeln zurück, rollt sich zusammen und lässt sich vom Wind wie eine Kugel über den Wüstenboden treiben. Gibt es erneut Regen, entfaltet sich die Echte Jericho-Rose wieder und gibt ihren Samen frei. So hat sie Nachkommen – trotz widriger Umstände.
Was ich jedoch versehentlich für unser kleines Experiment in der Osterzeit gekauft habe, ist eine Unechte Jericho-Rose (Selaginella lepidophylla). Denn viele Händler lassen das Wort „unecht“ einfach weg.
Für uns ist das nicht weiter tragisch, ein „günstiges Plagiat“ erstanden zu haben. Denn optisch sind sich Echte und Unechte Jericho-Rose ziemlich ähnlich.
Außerdem lässt sich der „Auferstehungseffekt“ bei beiden beobachten.
Botanisch heißt die unechte Variante Selaginella lepidophylla. Dieses Moosgewächs kommt natürlicherweise in Wüstengebieten der USA und Mexikos vor.
An die Bedingungen in diesen Regionen hat sich die wechselfeuchte Pflanze gut angepasst. Als trockene Kugel kann sie monatelang ohne Wasser überleben. Kommt sie wieder mit Nässe in Kontakt, rollt sie sich aus, kann dann aber – im Gegensatz zur Echten Wüstenrose – auch erneut Stoffwechsel und Photosynthese betreiben. Sie beginnt somit tatsächlich wieder zu leben.
Zuhause holen wir unser Exemplar nach einer Woche aus der Wasserschale, damit es nicht schimmelt. Und prompt wird es wieder zum braunen Knäul.
„Können wir das kommendes Frühjahr noch mal machen?“, wollen die Kinder wissen. Kein Problem, verspreche ich. Denn an einem trockenen, warmen Ort lässt sich die Wüstenpflanze gut aufheben.
Dennoch kann auch die Unechte Jericho-Rose nicht wirklich beliebig oft „auferstehen“. Denn ab dem zweiten Mal ist das erneute Entrollen und das Verwandeln zu einer grünen Rosette nur noch ein physikalischer Vorgang. Faszinierend bleibt er trotzdem.
Die Autorin
Daniela Hoffmann ist seit 2001 Redakteurin beim Mannheimer Morgen und lebt in der Pfalz auf einem ehemaligen Winzerhof. Dort ist Gärtnern zu ihrem Hobby geworden. Von Pflanz-Experimen-ten, Begegnungen mit Profi-Gärtnern, Floristen, Landwirten und Naturschützern erzählt sie in ihrer Kolumne.
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