Wilde Romantik

Mit dieser Insel verbindet man meist den Mittelmeertraum von azurblauem Wasser und feinen Sandstränden. Doch Sardinien kann mehr: Gerade im nördlichen Teil der Insel – der Gallura – finden Naturliebhaber auch schroffe Landschaften.

Von 
Nicole Adami
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Zerklüftete Felsen und azurblaues Wasser: Sardinien hat nicht nur feine Sandstrände, sondern auch kleine, wilde Buchten zu bieten. © Adami

Kristallklares Wasser, feine Sandstrände, zerklüftete Küsten, charmante Dörfer und jede Menge Korkeichen – so sieht das Landschaftsbild der Gallura im nordöstlichen Sardinien aus. Auch wenn dieser Inselabschnitt vielen insbesondere durch Porto Cervo mit all den luxuriösen Yachten und Partys bekannt ist, hat die Nordküste der zweitgrößten Mittelmeerinsel neben Champagner und Jetset noch weitaus mehr zu bieten: Nur wenige Kilometer von Porto Cervo entfernt liegen die Inseln des Maddalena-Archipels, kleine Buchten von wilder Schönheit sowie das mediterrane Hinterland mit seinen prähistorischen Nuraghen.

Mittendrin befindet sich das Weingut „Siddùra“, welches auf einem Boden aus Granit, Sand und Lehm die Vermentino-Traube kultiviert. Die lockere und trockene Erde sowie die sanfte Hanglage der Reben sorgen für den einzigartigen Geschmack, der den Weinen während der letzten Jahre eine Auszeichnung nach der anderen bescherte. Besitzer des Weinguts ist der Münchner Modeunternehmer Nathan Gottesdiener, welcher sich vor mittlerweile acht Jahren den Traum verwirklichte, im Herzen seiner zweiten Heimat Sardinien ein Weingut aufzubauen.

„Mit Liebe und Visionärsgeist“

Inmitten der sardischen Macchia erwarb er ein altes Landhaus und ließ drum herum 180 Hektar Land aufbereiten, um hier seine Reben zu kultivieren. „Zunächst haben die Dorfbewohner schon ganz genau beäugt, was der Deutsche hier so macht“, erinnert sich die Österreicherin Gabriela Gruber, die sich auf dem Weingut um den Verkauf kümmert. „Aber als sie sahen, mit wie viel Liebe und Visionärsgeist er das alte Grundstück auf Vordermann brachte, wich ihre Skepsis schnell dem Staunen.“ So gelang es dem Deutschen, der zuvor drei Jahrzehnte lang die Münchner Modelinie „Oui“ geleitet hatte, sich auf neuem Terrain einen Traum zu erfüllen.

Heute profitiert die ganze Region von der Bekanntheit der Siddùra-Weine. Während die erste Lese 2011 nur 3000 Flaschen ergab, können mittlerweile schon 150 000 Flaschen pro Jahr erzeugt werden. Ihren Geschmack haben sie vor allem dem Granitboden, aber auch dem Meereswind, der von der nur 20 Kilometer entfernten Küste herüber weht, zu verdanken.

Ein Getränk der etwas anderen Art bekommt man weiter nördlich an der Küste – bei Paolo Sardo, dem „Urgestein des Valle dell’Erica“, wie ihn die dortigen Hotelangestellten nennen. Der 58-jährige Sarde war hier schon zu Hause, bevor es das Fünf-Sterne-Resort der familiengeführten Delphina-Gruppe gab, welches sich heute malerisch in die Küstenlandschaft einfügt. Mit Eröffnung des ersten Hotels 1984 begann Paolo an diesem Ort zu arbeiten: als Bootsskipper für Tagesausflügler, Aufpasser und eben auch als Barmann.

Seine kleine Strandbar liegt in einer romantischen Bucht im unteren Bereich des Resorts und ist ein herrlich ruhiges Plätzchen ganz ohne großes Tamtam. Hier zaubert der Sarde nun seit vier Jahren seinen selbst erfundenen Drink, der auch seinen Namen trägt: Cocktail Sardo. Hinein müssen zwei Myrtenliköre, der Mirto Bianco und Mirto Rosso, Zitronensaft und für den herben Geschmack ein regionales Bier namens „Ichnusa“. Besonders zum Sonnenuntergang schmeckt der Drink köstlich, wenn man die gegenüberliegenden Inseln des Maddalena Archipels langsam im Dunst der Abendsonne verschwinden sieht.

Tagsüber fährt Paolo die Urlaubsgäste mit dem Schlauchboot hinaus zu den größeren Ausflugsschiffen, die das Maddalena-Archipel nahezu täglich vom Valle dell’Erica ansteuern. Die mehr als 60 Inseln des Nationalparks bilden den nördlichsten Ausläufer Sardiniens, wobei nur sieben von ihnen bewohnt sind. Zu klein und schroff sind die anderen, die fast wie kleine Felsen aus dem karibikblauen Wasser ragen. Seit 1994 fallen sie unter den Schutz eines eigens gegründeten Nationalparks. „Auf jeden Fall“, sagt Paolo, „kann es in der Karibik nicht schöner sein“. Und tatsächlich: smaragdgrünes Wasser in Abwechslung mit den türkis schimmernden seichteren Stellen, Seesterne, Korallen und vorbeiziehende Delfinschwärme. Dank dem hellen Meeresboden aus Granitsand leuchtet das glasklare Wasser in allen Blautönen.

Von der Isola Santo Stefano aus geht es mit dem Schiff in nur wenigen Seemeilen zum Capo d’Orso, dem Bärenkapp, zurück ans Festland. Über der kleinen Halbinsel nahe des Hafenstädtchens Palau erhebt sich der große Granitfelsen in Form eines Bären, der einst von den Kräften der Natur geformt wurde.

Das Bärenkap ist so imposant, dass es bereits in der „Geographia“ von Ptolemäus Erwähnung fand. Und auch Homer ließ seinen Helden Odysseus am Bärenkap vorbeisegeln. Wer durch diese unwirkliche Landschaft aus Tafoni-Felsen wandert und es bis auf den Gipfel der Klippe hinaufschafft, kann bei gutem Wetter bis nach Korsika schauen– eines der schönsten Panoramen über den Norden Sardiniens.

Reise-Tipps

Anreise: Die Gallura erkundet man an besten mit dem Mietwagen, der am Flughafen von Olbia geliehen werden kann.

Übernachten: Delphina-Resort Valle dell’Erica im Norden Sardiniens. Hier liegen zwischen alten Olivenbäumen und Wacholdersträuchern die 5-Sterne-Hotels „Erica“ und „La Licciola“; www.hotelvalledellerica.com

Speisen: Ein Besuch des Bärenkapps lässt sich optimal mit einem Besuch des vielgerühmten Fischlokals „Il Paguro“ verbinden, das dem Capo d’Orso Hotel Thalasso & Spa angeschlossen ist.

Strände: Der „Spiaggia del Relitto“ auf der Insel Caprera im Maddalena-Archipel ist ein Bilderbuchstrand mit den Überresten eines gestrandeten Schiffs. In „Porto Pollo“ finden Wind- und Kitesurfer ideale Bedingungen vor.

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