Wasser, Wildnis, Wälder

Von 
Adrienne Friedlaender
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Die Kirche von Montgarri am Fluss Noguera Pallaresa in der Gemeinde Naut Aran. Das Val d'Aran, auf Katalanisch Vall d'Aran, auf Spanisch Valle de Arán, steht wegen seiner Abgeschiedenheit bei Wanderern und Mountainbikern hoch im Kurs.

© Friedlaender

Der alte Mann murmelt "Buenos Dias". Kurz blickt er unter der Schirmmütze hervor, um zu grüßen, bevor er auf seinen Wanderstock gestützt seinen Weg fortsetzt. Von Zeit zu Zeit bleibt er stehen, um ein wenig ausruhen. Versonnen schaut er in die Ferne, als könne er sich nicht sattsehen an dem Bergpanorama seines Heimattals. Die Wiesen des Val d'Aran sind von duftenden Blumen übersät, die bis dicht an die bewaldeten Berge heranreichen. Die schroffen Gipfel verstecken sich im Nebel. Irgendwo in der Ferne läuten Kirchenglocken.

Es hat seinen eigenen Zauber, das Val d'Aran, das "Tal der Täler". Schon die Römer bauten hier Heilbäder - und einen Weg, der die 33 Dörfer des Tals miteinander verbindet, den "Camin Reiau", den Königsweg. Umgeben von mächtigen Dreitausendern liegt das Tal rund 300 Kilometer von Barcelona entfernt und 150 Kilometer von Toulouse, verborgen im äußersten Zipfel Kataloniens.

Beziehungen zur Gascogne

Auf der Nordseite der Pyrenäen herrscht ein atlantisch geprägtes Klima, das dem Tal milde Jahreszeiten und eine üppige Vegetation beschert. Aber nicht nur wettertechnisch distanziert sich das Tal vom Mutterland. Zwar gehört es politisch zu Spanien, geografisch jedoch zu Frankreich, zur Gascogne, zu der es traditionell enge Bindungen hat. Aber die Bewohner des Tales fühlen sich weder als Spanier noch als Franzosen, sondern als Aranesen.

So ist nicht nur die Küche eine traditionelle Mischung aus französischer, spanischer und regionaler Küche - auch sprachlich kochen die Bewohner des Tals ihr eigenes Süppchen. Untereinander verständigt man sich auf Aranesisch. Es ist eine Variante des Gascognischen, die nur im Tal als Amtssprache zugelassen ist. Daneben wird Katalanisch, Spanisch und Französisch gesprochen. Englisch ist für viele Aranesen noch immer eine Herausforderung, und ein deutsches Wort ist nur selten im Tal zu hören. Wozu auch? Die Aranesen lieben ihr Tal, und nur wenige zieht es hinaus.

Auf den Spuren der Römer

Den Charme des Val d'Aran hat auch König Juan Carlos schon vor vielen Jahren entdeckt. Die königliche Familie bewohnt seit Eröffnung des Skiressorts Baqueira-Beret im Jahr 1964 ein Haus in Baqueira. Wo im Winter Skifahrer über Pisten preschen, hört man sonst im Jahr nur das Plätschern des Wassers. Und während es in der Skisaison turbulent zugeht, gilt das Tal sonst noch immer als Geheimtipp: für Romantiker und Genießer, Angler und Wassersportfans, Mountainbiker und vor allem für Wanderer.

Über 300 Kilometer Rad- und Wanderwege führen vorbei an Wasserfällen und Wäldern, Flüssen und Felsen bis in den Aigues Tortes National Park. Und ob man nun von Hütte zu Hütte durch die Berge wandert oder auf den Spuren der Römer auf dem Königsweg - man trifft nur selten Touristen.

Überall am Wegesrand findet sich Verpflegung für jeden Geschmack. Zum Beispiel am Tresen von Javi Sanmarti: Fleischbällchen, Garnelenspieße, Lachs, Tintenfische, frittiertes Gemüse, Oliven und Käse sind nur eine kleine Auswahl der regionalen Köstlichkeiten in seiner Tapas-Bar. Bis zu 60 Pinchos, wie sich die Snacks nennen, sind verführerisch auf dem Tresen angerichtet.

Der "Camin Reiau", der Königsweg aus den Römerzeiten, führt auf 150 Kilometer die Garonne entlang. Zu den 22 Dörfern, die er verbindet, gehört auch Bagerque. Auf 1490 Meter Höhe gelegen, umgeben von Steilwänden und Bergwiesen, ist es das höchste Dorf des Tals.

Hausgemachter Käse

Die Häuser sind mit Schiefer gedeckt. Rot, rosa und weiß quellen Geranien aus Blumenkästen. Auch vor dem Fenster der "Hormatges Tarrau". Selbst, wer kein Spanisch versteht, riecht beim Betreten des Ladens sofort, worum es hier geht: um Käse. José Antonio Tarrau ist der Chef des Produktionsbetriebs. Die Beine lässig gekreuzt, lehnt er am Verkaufstisch. "Früher war ich Skilehrer, obwohl man das heute kaum noch glaubt", erzählt der 35-Jährige lachend und streicht über seinen Bauch. Als Skilehrer gibt es außerhalb der Saison wenig zu tun. Er habe oft das Bild seiner Großmutter im Kopf gehabt, die auf einem Schemel in der Küche Käse rührte, erzählt José. So entstand die Idee, mit seinem Bruder die erste und bisher einzige Käserei im Tal zu gründen.

Versorgte die Großmutter damals nur die Familie mit ihrem hausgemachten Käse, produzieren die Brüder heute täglich 35 Kilo Käse. Für ihren "Hermatge dera Val d'Aran" und den "Blue de Bagerque", einen kräftigen Blauschimmelkäse mit Armangnac, erhielten sie zweimal die "Medalla de Plata", die Silbermedaille. Neben den prämierten Käsesorten steht ein kleines Töpfchen mit einer hellgrünen Creme. "Tupi" heißt die scharfe Creme aus Käse, Cognac und Rum. Die deftige Spezialität gibt es nur hier im Tal und ist aufgrund des großzügig verwendeten Alkohols vor allem in kalten Bergwintern beliebt.

Es rauscht, sprudelt und plätschert. Von überall strömen Flüsse, Gebirgsbäche und Wasserfälle in das Tal. Sie speisen auch die öffentlichen Quellen in den Orten. Eine Frau in Schürzenkleid und rotem Kopftuch trägt zwei riesige Plastikflaschen zur "Fuente", zum Brunnen auf dem Dorfplatz. Trotz fließenden Wassers im Haus trinken die Einwohner des Tals gern das frische Wasser aus ihren Bergen.

Schon die Römer räkelten sich in den warmen Quellen des Val d'Aran. Sie wussten von der wohltuenden und heilenden Wirkung des Schwefel-Wassers, das aus mehr als 300 Meter Tiefe sprudelt. Wer sich auf den Weg macht, das Tal der Täler zu entdecken, wird schnell verstehen, warum die Römer ihre ersten Häuser an den Quellen in Les, Tedós und Arties errichteten. Noch heute spürt man den Zauber dieser abgeschiedenen Region.

Tipps und Adressen

Flüge: Mit Air France, Brussels Airlines, KLM oder Lufthansa von Frankfurt nach Toulouse ab 225 Euro

Wohnen: Hotel El Ciervo, Plaza De San Orencio, 3, Vielha, www.hotelcierva.net, E-Mail: elciervo@arrakis.es, Tel.: 0034-973-64 01 65, Übernachtung und Frühstück pro Person im Doppelzimmer ab 31 Euro

Essen: Tapas-Bar "Tauèrnes Urtau", Arties, Plaza Urtau 12, www.urtau.com, Tel.: 0034-973-64 09 26

Käserei: Hormatges Tarau, Hermatge dera Val d'Aran, Dera Hont 1, 25598 Bagergue, Tel.: 0034-973-615 67 99 18, www.quesosdelvalledearan.com

Therme: Thermas de la Baronia de Les, Camino de la Lana, 25540 Les, www.termasbaroniadeles.com

Info: Tourismusbüro Val d'Aran, C. Samulra 10, 25530 Vielha, www.visitvaldaran.com, E-Mail: o.torisme@aran.org, Tel. 0034-973-64 01 10

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