Der Duft von Honig, Anis und Zimt liegt in der Luft. Lockend umschmeichelt er die Nase und ehe man sichs versieht, ist man mittendrin im Weihnachtswunderland aus mehr als 150 Pfefferkuchenhäusern. Dicke Eiszapfen hängen dort von den Dächern. In einem verschneiten Wald steht eine Hütte, zu der eine einsame Skispur führt. Winzige Wichtel fahren mit klitzekleinen Schlitten die Hügel hinab. Und eines der Häuser gewährt einen Blick auf die festlich gedeckte Weihnachtstafel: Man kann sich kaum sattsehen an den vielen fantasievollen Gebäuden im Zentrum für Architektur und Design im schwedischen Stockholm.
In der Vorweihnachtszeit wetteifern in Schwedens Hauptstadt Erwachsene und Kinder, Amateure und Profis mit ihren Kreationen aus Teig und Zuckerguss im Wettbewerb um das schönste Lebkuchenhaus (Pepparkakshus). Auch Bäcker, Designer und Architekten kreieren und konstruieren um die Wette. Einzige Bedingung: Nur essbare Zutaten sind erlaubt. Um den Wettbewerb, der seit 1990 veranstaltet wird, interessanter zu gestalten, wird jedes Jahr ein neues Motto ausgerufen. Im vergangenen Jahr lautete es Luxus, und dieses wurde sehr unterschiedlich interpretiert. So baute Janna Johansson eine Registrierkasse, Lo Linnros ein Baumhaus mit Hängematte und Jacqueline Broms ein fünfeckiges Gebäude mit Rundum-Balkon, filigranem Geländer aus Zuckerguss und Säulen aus rosa geringelten Zuckerstangen.
Weihnachtshering nach einem Geheimrezept
Wenige Wochen vor Heiligabend schmückt sich ganz Stockholm mit Lichtinstallationen aus einer Million LED-Leuchten, „Stockholmsjul“ genannt. Auf 40 Plätzen und Straßen leuchten mitunter mehrere Meter hohe, weihnachtliche Motive: eine Elchfamilie am Sergels Torg, Hirsche mit Geweih am Brunkebergstorg, Rehe im Kungsträdgården und ein riesiger Mistelzweig am Centralplan. Täglich ist der Weihnachtsmarkt aus rund 40 rot gestrichenen Häuschen auf dem „Stortorget“ in der Altstadt Gamla Stan geöffnet. Auch eine Weihnachtslotterie gehört dazu. Sehr viel beschaulicher geht es zu, wenn man mit der Fähre von Slussen nach Djurgården übersetzt. Seit 1903 wird dort im Freilichtmuseum Skansen der älteste Weihnachtsmarkt Schwedens veranstaltet.
„Wie? Ihr tanzt in Deutschland nicht um den Weihnachtsbaum?“ Arvid Bredal-Hansen will sichergehen, dass er sich nicht verhört hat. „Das macht doch solchen Spaß!“ Als Mitglied der Volkstanzgruppe Skansen animiert er zusammen mit Mattias Wolinder und Anna Sjöström die Besucher mitzumachen - die meisten lassen sich nicht lange bitten. Ein paar Meter weiter an einem Stand nahe dem Eingang hat Henrik Hill alle Hände voll zu tun. Der nach einem Geheimrezept eingelegte Weihnachtshering aus Klädesholmen an der Westküste findet reißenden Absatz. Ebenso die „Suovas“, das sind mit Kartoffelpüree, geräuchertem Elchfleisch, Sauerrahm und Preiselbeeren gefüllte Fladenbrottüten. Eine schöne Tradition: Seit 1903 werden die „Hemliga Julklappar“ verkauft, hübsch verpackte Geschenke, deren Inhalt nicht verraten wird. „So kann man andere, aber auch sich selbst bei der Bescherung überraschen“, erklärt Sarah Skinner, die den Markt im Museum organisiert. Auch die Häuser im Museum sind weihnachtlich geschmückt. Handwerker, etwa Krugmacher, Buchbinder und eine Knäckebrotbäckerin, zeigen ihr Können, und wer möchte, kann sich seine eigene, mehrarmige Kerze ziehen. Noch stimmungsvoller ist lediglich das Konzert in der 1730 erbauten Holzkirche, in der ein Chor mit Inbrunst schwedische Weihnachtslieder vorträgt.
Stockholm
Anreise Mit SAS von Stuttgart nach Stockholm/Arlanda, mit dem Arlanda Express in die Innenstadt.
Unterkunft Grand Central by Scandic in Stockholm mit gediegenem Charme, Ü/F ab 140 Euro, https://scandic-grand-central.hotelistockholm.com/de/ Archipelago Hostel Old Town in historischem Gebäude und mitten in der Altstadt, DZ/F ab 75 Euro, www.archipelagohostel.com
Traditionelles Julbord-Büfett Restaurang Rökeriet Stockholm, www.rokeriet-fjaderholmarna.se Stora Gungan in Skansen, www.storagungan.se
Wärdshuset Ulla Winbladh auf Djurgarden, www.ullawinbladh.se
Weihnachtsmärkte Weihnachtsmarkt in der Altstadt (Julmarknad i Gamla stan), www.stortorgetsjulmarknad.com Weihnachtsmarkt im königlichen Hofstall (Julmarknad på hovstallet), www.kungligaslotten.se Weihnachtsmarkt auf Schloss Drottningholm, www.kungligaslotten.se
Allgemeine Informationen www.visitsweden.com
Imposant ist das Ambiente im Königlichen Reitstall, in dem die Besucher auch die Pferde und königlichen Kutschen besichtigen können. Dem Weihnachtsmarkt dort soll regelmäßig auch die königliche Familie einen Besuch abstatten, um das Angebot und die Kunsthandwerker aus dem ganzen Land kennenzulernen. Kristina Sundberg, die die Weihnachtsziegenböcke (Julbock) aus goldgelbem Stroh in dritter Generation herstellt, oder Elisabet Lennbom, deren Wichtel (Jultomte) mit den roten Filzzipfelmützen und den langen Bärten aus Märchenwolle die Besucher verzaubern. Beide Figuren bringen in Schweden die Geschenke.
Die Stände mit Karamellbonbons aus Mariannelund, rundem Weihnachtsknäckebrot aus Härjedalen, Bären- und Elchwurst aus Hälsingland und Lachsforellen aus Småland lassen ahnen, worauf die Stockholmer bei ihrem Weihnachtsbüfett (Julbord) auf keinen Fall verzichten wollen. Apropos Julbord: Einen Vorgeschmack gönnt man sich in Schweden schon in der Vorweihnachtszeit. Zahlreiche Restaurants bieten das Büfett zu festen Terminen oder für die Weihnachtsfeiern der Betriebe an.
Janssons Versuchung auf der Schäreninsel
Besonders schön ist es im Restaurant Rökeriet auf der Schäreninsel Fjäderholmarna, wohin man mit dem Schiff in 30 Minuten von der Anlegestelle Nybroviken aus gelangt. Eigene Räucherfischspezialitäten, Lachs, Hering und Krabben werden ebenso aufgetischt wie traditioneller schwedischer Weihnachtsschinken, Fleischklößchen (Köttbullar) und Janssons Versuchung (Janssons Frestelse), ein Kartoffelgratin mit Sahne und Anchovis. So ein Julbord erstreckt sich stets über einige Stunden und mehrere Gänge. Dazwischen wird gern das schwedische Weihnachtstrinklied angestimmt: „Hej tomtegubbar, slå i glasen och låt oss lustiga vara . . .“, was so viel bedeutet wie: „Hallo Weihnachtsmann, füll das Glas und lass uns lustig sein!“
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