Mitten in der Ägäis

Die griechische Insel Skyros ist häufig von Eroberern heimgesucht worden – doch heute geht es viel ruhiger zu. Das schätzen Besucher wie Einheimische.

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Corinna Busalt
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Von der Küstenstraße ergeben sich viele wunderbare Ausblicke auf einsame Buchten und die verschiedenen Blautöne des Meeres. © Busalt

Ziegen, Schafe, eine junge Eule, eine Schildkröte: Wer mit dem Auto über Skyros fährt, muss langsam machen. „Die Tiere haben Vorrang – auch auf den Straßen“, sagt Maria Bouyouca-Athaniassiadis. „Wir sind auf ihrem Territorium unterwegs.“ Das gemächliche Tempo passt zu dieser griechischen Insel. Eilig scheint es keiner zu haben.

Wer die Insel inmitten der Ägäis erkunden will, sollte also ein bisschen Zeit mitbringen. Es gibt auch viel zu entdecken: von der langen Historie über einsame Buchten und kulinarische Genüsse bis hin zur ursprünglichen Natur. Skyros bietet eine große Vielfalt. Besonders stolz sind die knapp 3000 Einwohner auf das skyrische Pony, das auf der Südinsel frei und wild lebt. Am Himmel kreisen majestätische Eleonora-Falken, die Futter für ihre Küken suchen. Im Frühjahr und Herbst legen außerdem zig Zugvögel eine Pause auf Skyros ein, ehe sie ihren Weg fortsetzen. Das lockt auch einige Vogelbeobachter an.

„Nicht zu touristisch“

Richtig voll wird es auf Skyros nur im Juli und August, wenn vor allem Griechen vom Festland mit der Fähre übersetzen. Im Juni und September ist es weniger heiß und viel ruhiger, was Urlauber wie Einheimische schätzen. In den Tavernen sitzen die Skyrer rund ums Jahr. „Am meisten liebe ich an der Insel, dass es nicht zu touristisch ist“, sagt etwa Christina Dolfen. Sie ist eine von drei Deutschen, die seit Jahrzehnten auf der Insel leben. Ihr Geld verdient sie als Goldschmiedin – auch wenn dies seit der Finanzkrise schwieriger geworden sei. Über ein paar mehr Gäste würde sie sich daher freuen – „aber wie Mykonos soll es hier auf keinen Fall werden!“ Selbst in der kurzen Hauptsaison gebe es auf Skyros ruhige Plätze an einem der Strände. Und die Preise in Restaurants – selbst für den typischen Hummer – sind im Vergleich mit Touristenhochburgen niedrig. Sogar Strandliegen und Sonnenschirme sind kostenlos, wenn man ein Getränk an der Bar bestellt.

Auf Gastfreundschaft legen die Bewohner großen Wert. So bietet Lefteris Avgoklouris den Besuchern, die seine Schnitzereien anschauen wollen, sofort Kaffee an. Dazu reicht er köstliche Aprikosen, die er neben dem Haus pflückt. Lefteris gestaltet die typischen Stühle, die in jedem Haus der Insel stehen. Sie sind niedrig, aber sehr bequem, weil ihre Rückenlehne nach hinten gebogen ist. Als Motive schnitzt er Vögel, Schiffe oder das skyrische Pony ins Holz – alles per Hand. Zusätzlich gibt der 62-Jährige Workshops für Touristen. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Die Arbeit ist hart, der Verdienst gering. Seine Frau ist ebenfalls Künstlerin und formt Kunstwerke aus Treibholz vom Strand. Aus ihrem Atelier haben sie eine fantastische Aussicht übers Meer. Sie wirken zufrieden.

Stolz sind die Skyrer auch auf ihre Keramiken. „Diesen kulturellen Reichtum verdanken wir den vielen Einwanderern – über all die Jahrhunderte“, sagt Maria. Sie ist ein wandelndes Lexikon, was die Geschichte von Skyros betrifft. Diese lässt sich bis 2500 Jahre vor Christus zurückverfolgen, wie die Ausgrabungsstätte Palamari im Nordosten beweist. Die Strömung des Meeres trieb Segelschiffe einst aus allen Richtungen – von Byzanz wie Venedig – nach Skyros: inmitten der Ägäis. Die Eroberer erkannten die strategisch günstige Lage und ließen sich nieder. Allerdings kamen sie nicht immer mit friedlichen Absichten. Die Osmanen etwa verboten den gläubigen Griechen, ihre Religion auszuüben. Das ließen diese sich nicht gefallen und bauten heimlich Kapellen, die von außen wie Wohnhäuser wirkten. Denn in der Not verzichteten die Skyrer auf Turm und Glocken. Auf diesen Coup sind sie bis heute stolz.

Rund 400 Kapellen gibt es auf der ganzen Insel. Sie sind seit Generationen in den Händen von Familien und werden umsichtig gepflegt. Wer sich dafür interessiert und gerne wandert, besucht das Klosters Agios Dimitrios. Es liegt auf einem Hügel inmitten von blühenden Blumen und Granatapfelbäumen. Wenige Meter weiter sprudelt eine natürliche Quelle, dessen Wasser sich in ein Becken mit Goldfischen und Fröschen ergießt. Es wurde zwar künstlich angelegt, trotzdem beeindruckt die idyllische Lage im Hinterland.

Quelle der Nymphe sprudelt

Noch einsamer wird es auf der Südinsel, die kaum bewohnt ist. Sie wirkt zunächst karg, doch die Blütenpracht der Oleander beweist, dass im Untergrund Wasser fließt. Eine dieser natürlichen Quellen heißt „Quelle der Nymphe“. Urlauber wie Einheimische erfrischen sich gerne daran und füllen ihre Flaschen auf, ehe sie weiter der Straße nach Süden folgen. Sie treffen dort keine Menschenseele, entdecken aber Pflanzen mit spektakulären Formen: gebogen vom starken Wind, der über die Insel fegt und gekürzt von Ziegen und Schafen, die daran knabbern. Fast wie Bonsais wirken diese. Daneben wachsen hohe Ahornbäume, die aufgrund ihrer festen Blätter kaum als solche zu erkennen sind.

Zwischendurch passieren wir Militärzonen, die es im Süden wie im Norden gibt. Sie schränken Urlauber kaum ein, lediglich das Fotografieren ist verboten. Die Skyrer schätzen die Soldaten, weil sie sowohl von den Ärzten als auch dem Flughafen profitieren. Am Rand einer solchen Zone im Süden steht mitten in einem Olivenhain das marmorne Grab des britischen Dichters Rupert Brooke, der während des Ersten Weltkriegs vor der Küste starb. Ihm ist auch eine imposante Statue in der Stadt im Norden gewidmet. Die Aussicht von dort – auf Yachten und Fischerboote – ist wunderbar.

Ganz in der Nähe ist ein privates Folklore-Museum zu finden. Dort bekommt der Besucher einen Eindruck davon, wie die Menschen früher auf Skyros gelebt haben. Wir sehen wieder die typischen kleinen Stühle und das Porzellan sowie furcheinflößende Kostüme von Karneval. Gesammelt hat all diese Schätze Manos Faltaits, ein produktiver Maler und Schriftsteller. Jeden Sommer werden seine Theaterstücke im eigenen Park aufgeführt.

Die Stadt, auch Hora genannt, ist um einen kegelförmigen Fels herum gebaut. Es wirkt durch die weiß getünchten Häusern malerisch. Ganz oben auf dem Berg thront das Kloster des heiligen Georg, wo ein einziger Mönch nach dem Rechten schaut – und auch, dass Besucher den prächtigen Fresken und Ikonen nicht den Rücken zukehren. Wer durch die kleinen Gassen wieder bergab läuft, trifft auf eine weitere Deutsche: Martina Gerkmann lebt seit rund 30 Jahren auf der Insel und vermietet Autos. „In Deutschland war mir alles zu perfekt und zu ordentlich, hier ist es chaotischer und sympathischer“, sagt sie lächelnd. Für sie ist Skyros ein wahrhaft besonderer Ort. Nicht nur weil sie hier ihre Liebe gefunden hat, sondern weil die Insel einfach authentisch sei. Und das seit langer Zeit: Sogar die sagenhaften Helden Achill und Theseus sollen hier gelebt haben.

Info: Mehr Fotos unter morgenweb.de/wochenende

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Skyros

Anreise

Flug über Athen oder Charterflüge einmal die Woche von Paris oder Wien. Mit dem Auto über die Fähre (Skyros Shipping) ab Kymi

Unterkunft

Nefeli Hotel, Vier Sterne, sehr gute Küche mit Produkten aus eigenem Anbau, kinderfreundlich. Doppelzimmer mit Frühstück ab 115 Euro (www.skyros-nefeli.gr)

Aktivitäten

Surfen, tauchen, Wasserski sowie Segeltouren (feelinggreece.gr), wandern und moutainbiken

Allgemeine Informationen

www.visitgreece.gr

Redaktion Redakteurin des Südhessen Morgen und zuständig für die Ausgabe Bürstadt/Biblis

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