Die Mauer ist weg, und seit 1989 hat sich viel getan. Altbauten in den Ost-Berliner Bezirken wurden saniert und Neubauten in Baulücken gesetzt. Marode Straßen und Bürgersteige wurden auf West-Berliner Niveau gebracht, Schulen, Krankenhäuser und gewerbliche Bauten ebenfalls.
Im Aufräumfieber, das die Osthälfte der Stadt ergriff, wurde manchmal zu übereifrig gehandelt. Natürlich blieben Meilensteine der Architektur des real existierenden Sozialismus wie etwa der Fernsehturm am Alexanderplatz, das Kino International, die Wohnbebauung der Karl-Marx-Allee oder das Café Moskau vor der Abrissbirne verschont.
Andere Bauten wie die Großgaststätte „Ahornblatt“ mit ihrem blätterförmigem Dach, erbaut 1973 für die X. Weltfestspiele, wurden abgerissen. Dabei hätte das markante Gebäude ohne weiteres auf die Denkmalschutzliste gesetzt werden können. Trotz heftigen Protestes von Architekten und Bürgerinitiativen wurde es im Jahr 2000 abgebrochen.
Bemalte Plattenbauten
Dem Erdboden gleichgemacht wurde auch ein anderes Kleinod der DDR-Architektur, der Palast der Republik. Er wurde wegen angeblicher Asbest-Probleme abgerissen. 1976 wurde der Bau von Erich Honecker eingeweiht, wegen seiner tausenden von Hängelampen im Inneren tauften ihn die Ost-Berliner „Erichs Lampenladen“.
Andere Bauten, wie etwa die Plattenbauten in Hohenschönhausen oder Marzahn, hat man stehengelassen und saniert. Weil die graue Originalfarbe den Wohnungsgesellschaften wohl zu trist erschien, pinselte man die Hochhäuser in Pastellfarben an, verpasste Balkonen kitschige Farbkleckse oder malte gleich ganze Fassaden mit Sonnenblumen voll.
Im Funkhaus an der Nalepastraße, das wird gleich beim Betreten der Lobby klar, hat sich seit DDR-Zeiten nichts verändert. Von hier sendete der DDR-Rundfunk bis zum Mauerfall. Besucher laufen über Linoleum in verschiedenen Brauntönen, dem immer noch jener modrige Geruch aus längst vergangenen Zeiten anhaftet. Architekt Franz Ehrlich plante höchst elegant: Die geschwungenen Treppen haben Marmorstufen, in den Hallen liegt Parkett. 2017 hat Uwe Fabich die Anlage gekauft. Sie steht unter Denkmalschutz, und so blieb dem Unternehmer nichts anderes übrig, als Raum für Raum zu sanieren. Die Gebäudesubstanz ist gut, denn zur Bauzeit Anfang der 1950er Jahre wurde´nur erstklassiges Material verwendet.
Klassik-Stars aus den USA
Glanzstück der Anlage sind die zwei Musikaufnahmesäle mit immensen Dimensionen. Sie sind errichtet in einer Haus-im-Haus Konstruktion und dermaßen schallisoliert, dass man selbst ein Flugzeug, das direkt über das Haus fliegt, darin nicht hört. Die Säle sind hoch attraktiv für Musikaufnahmen, nicht nur Daniel Barenboim und die Staatskapelle sowie der Rundfunkchor Berlin waren da, auch Klassik-Stars aus den USA fliegen extra ein, um hier ihre CDs aufzunehmen.
Dass ein architektonisches Juwel wie das Restaurant Moskau an der Karl-Marx-Allee heute für die Öffentlichkeit geschlossen ist, ist jammerschade. Das Café Moskau wurde als eines von sieben Nationalitätenrestaurants im Zuge eines städtebaulichen Wettbewerbs nach dem Entwurf von Josef Strauß im Jahre 1964 erbaut. An der Karl-Marx-Allee gab es noch die beiden Restaurants Budapest und Warschau, in der Stadtmitte die Restaurants Bukarest, Sofia, Praha und Morava.
Nachtbar im Keller
Im Café Moskau sollten die DDR-Bürger die Feinheiten der russischen Küche kennenlernen. Für viele blieb dies allerdings ein Traum, denn das Café Moskau war vergleichsweise teuer. Neben dem Restaurant gab es eine Mocca-Bar, ein Tanzcafé und eine Nachtbar im Keller.
Der Bau ist mit seiner offenen Atriumbauweise sehr luftig gehalten, Trennwände aus Beton-Ornamenten geben ihm ein unverwechselbares Äußeres. An einer Ecke ist die Sputnik-Raumkapsel in Originalgröße nachgebaut. 2007 ließ die Nicolas Berggruen Holdings GmbH das denkmalgeschützte Haus komplett sanieren, nun glänzt es wieder im Charme der 1960er Jahre.
Nicht weniger glamourös gibt sich das Kino International gegenüber. Eröffnet im Jahr 1963, steht es heute als Zeugnis der architektonischen Moderne unter Denkmalschutz. Die Architekten Josef Kaiser und Heinz Aust planten das Foyer im ersten Stock äußerst großzügig.
Eindrucksvoll ist auch immer noch die Decke der Eingangshalle, die das Glamour der 60er Jahre mit unzähligen goldfarbenen Aluminiumplatten konserviert hat. Tritt man vor die Tür, hat man die perfekte Sicht zum Fernsehturm – die Ikone der DDR-Architektur aus den 1960er Jahren steht heute für das wiedervereinte Berlin und ist immer noch ein Besuchermagnet.
Reisetipps
Fernsehturm: Der Fernsehturm ist das Wahrzeichen des wiedervereinten Berlins, allein im Jahr 2015 zählte man hier rund 1,3 Millionen Besucher; www.tv-turm.de
Café Moskau: Das Café Moskau wurde nach dem Entwurf von Josef Strauß im Jahre 1964 erbaut und erst kürzlich umfassend renoviert. Es lässt sich für Veranstaltungen mieten. Karl-Marx-Allee 34; www.cafemoskau.com
Plattenbau-Museumswohnung: Eine 61 Quadratmeter große Plattenbauwohnung in Hellersdorf mit original DDR-Möbeln: Der Wohnblock, in dem sich die Drei-Raum-Wohnung befindet, wurde 1986 vom VEB Wohnungsbaukombinat Cottbus errichtet. Sonntags kann die Wohnung kostenlos besichtigt werden.
Rundfunkhaus Nalepastraße: Glanzstück der Anlage sind die zwei Musik-Aufnahmesäle, die als eine Haus-im-Haus-Konstruktion errichtet wurden, so dass die Wände der Säle nicht mit tragenden Wänden des Hauses in Berührung kommen. www.funkhausberlin.blogspot.com
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