Niederlande - Deventer ist Teil des Verbunds „Das andere Holland“

Idyllische Altstadt mit prallem Leben

Von 
Detlef Düring
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Bei Holland denkt man unwillkürlich an Strand und Meer, an Städte wie Amsterdam oder Den Haag. Aber Holland hat viel mehr zu bieten. Auch im Landesinneren gibt es sehenswerte Städte und Regionen, die ideal für einen kürzeren oder längeren Urlaub sind. Einige davon haben sich zusammengeschlossen zu einem Verbund „Das andere Holland“.

Die alte Hansestadt Deventer ist eine davon. Sie wurde bereits vor dem 8. Jahrhundert gegründet und gilt als eine der ältesten Städte der Niederlande, wie Holland heute genannt wird. Im 9. Jahrhundert entwickelte sie sich durch ihre Lage an der IJssel zu einem wichtigen Handelszentrum. Sie wurde Hansestadt und kam so zu dem Reichtum, den man ihr heute noch ansieht. Ihre idyllische Altstadt mit all den sehenswerten Gassen hat nicht nur die Zeit gut überstanden, sondern ist auch heute mit viel Leben gefüllt.

Die ehemaligen Handels- und Lagerhäuser, wie auch die Stadthäuser der Kaufleute, meist aus Backstein, beherbergen heute viele gemütliche Cafes, Restaurants, Hotels und auch kleine Geschäfte. So dass das Schlendern durch die Gassen viel Spaß macht, und man schnell die Zeit dabei vergessen kann.

Pulsierender Mittelpunkt ist der riesige Marktplatz, Brink genannt, wo samstags auch immer emsiges Markttreiben vorherrscht. In einem kleinen verwinkelten Haus am Rande des Marktplatzes befindet sich der Koekwinkel, ein traditioneller Lebkuchenbäcker. Ob der holländische Lebkuchen, der eher ein gewürzter Honigkuchen ist, im Koekwinkel erfunden wurde oder woanders in Deventer, lässt sich nicht genau sagen – aber auf jeden Fall wurde er in Deventer erfunden und gehört auch heute noch mit Butter bestrichen zu einem holländischen Frühstück oder Kaffeetafel dazu. Die Hansekaufleute brachten das Rezept und die entsprechenden damals exotischen Gewürze nach Deventer. Im Mittelalter durfte dieser spezielle Lebkuchen niemand außerhalb der Stadt backen, war das Rezept sogar durch die Gilde geschützt.

Neben einem zentralen Brunnen, ein idealer Treffpunkt für Verabredungen, ist besonders ein Gebäude am Marktplatz auffällig. Im Haus vor Kopf, die alte Stadtwaage, befindet sich heute das Stadtmuseum, wo man auch vieles über die Geschichte der Hanse erfahren kann. Da hier alles, was zu Hansezeit in Deventer gehandelt wurde, gewogen und kontrolliert werden musste, um fairen Handel zu garantieren, aber natürlich gegen Geld, wurde hier der Grundstein für den Reichtum der Stadt gelegt. Nicht weit von der Stadtwaage entfernt befindet sich das interaktive Spielzeugmuseum, das für Familien ein Muss ist.

Vom Marktplatz aus geht es über die Bergstraat zum alten Stadtviertel Bergkwartier, wobei Berg als Name etwas übertrieben ist. Es geht zwar etwas bergauf, aber es ist wohl eher eine höhere Erhebung in dem sonst flachen Umland – eben für Niederländer schon ein Berg. Ganz oben steht die St. Nicholas Kirche aus dem 12. Jahrhundert mit ihren zwei charakteristischen Türmen, die Bergkirche. Heute wird sie für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt.

Jeden Dezember verwandelt sich das ganze Viertel zur Kulisse des Charles Dickens Festivals, wo hunderte verkleidete Teilnehmer Figuren und Szenen aus den Romanen des Autors nachstellen und -spielen, so dass sich die Besucher in die engen Gassen von Londons Altstadt des 19. Jahrhunderts zurückversetzt fühlen.

Deventer hat nicht nur viele alte sehenswerte Stadthäuser, wie auch das älteste Steinhaus der Niederlande, das Proosdij, erbaut 1130, sondern besonders ein modernes Gebäude ist auffällig und sehenswert, der moderne Erweiterungsbau des historischen Rathauses. Die Fassade des Erweiterungsbaus ist mit hunderten von vergrößerten und in Gusseisen verewigten Fingerabdrücken der Bewohner der Stadt bestückt. Entstanden ist diese künstlerische Idee aus dem Bemühen der Stadtregierung heraus, die Akzeptanz der Bevölkerung für das von ihr zuvor als zu modern abgelehntes Gebäude zu erhöhen.

Direkt gegenüber des Rathauses liegt die Lebuinuskerk, ehemals eine der bedeutendsten Kirchen im mittelalterlichen Bistum Utrecht, heute eine protestantische Kirche. Etwas befremdlich ist das schon das Food-Festival im Gotteshaus. Der schlicht gestaltete Innenraum steht im Widerspruch zu der doch pompösen Fassade der spätgotischen Kirche. Von ihrem Turm hat man eine fantastische Aussicht über die ganze Stadt. Die hat man auch von der Wilhelminabrücke über der Ijssel, welche sogar mit Richard Attenborougs Kriegsfilm „Die Brücke von Arnheim“ Filmgeschichte geschrieben hat. Besonders schön ist der Anblick am Abend, wenn die Altstadt im romantischen Licht erleuchtet ist.

Lohnenswert ist das Museum EICAS, wo zeitgenössische Kunst gezeigt werden, hauptsächlich Werke der deutschen Zero- und der niederländischen Nullbewegung. Noch provisorisch in zwei renovierten Lagerhäusern untergebracht, zieht es im Laufe des Jahres in ein neues Museumsgebäude um.

Jung und modern ist auch die ebenfalls in einem alten Industriegebäude gelegene Craftbier-Brauerei, Stadsbrouwerij. In einem dazugehörenden Brauerei-Pub können die dort gebrauten Biere in einer stylischen Umgebung direkt verkostet werden, wie auch in anderen Bars in Arnhem oder Zwolle.

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