Helgoland und sein Nachbarinselchen Düne präsentieren sich als Orte der Entschleunigung.

Helgoland - den Stürmen zum Trotz

Von 
Karsten-Thilo Raab
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Die Lange Anna auf Helgoland (oben) ist ebenso touristisches Muss wie die bunten Häuschen zu Ehren von Kinderbuchautor James Krüss.

© RAAB

Ja, die Anna. Alle bewundern sie. Kaum einer, der sich nicht nach ihr umdreht, obschon sie eigentlich nur so rumsteht. Rötlich gefärbt und lang. Sie ist so etwas wie der Fels in der Brandung. Von Wind, Wetter und Wellen gezeichnet. Und doch bleibt sie standhaft - wenngleich auch nur dank zahlloser Hilfsmaßnahmen.

Ihren Namen soll sie in Anlehnung an eine hübsche Kellnerin erhalten haben, die hier einst in einem Tanzlokal unweit des Klippenrands mit ihren langen Beinen die Blicke der Männer auf sich zog. Das Tanzlokal ist verschwunden, ebenso die Namenspatin, die längst das Zeitliche gesegnet hat. Auch die natürliche Steinbrücke, die bis 1860 die Lange Anna mit dem Hochplateau des Helgoländer Oberlandes verband, existiert nicht mehr. Sie stürzte ein.

Unaufhaltbare Erosion

Ein ähnliches Schicksal könnte dem Naturdenkmal und Wahrzeichen von Deutschlands einziger Hochseeinsel drohen. Ein Schutzwall hält Teile der Brandung fern, doch die Erosion scheint nicht aufzuhalten. Vielleicht ist dies der Grund, warum die Menschen in diesem Teil Schleswig-Holsteins nach wie vor mit den Füßen abstimmen und scharenweise zur Langen Anna pilgern - solange sie noch steht.

320 000 Gäste begrüßt die Nordseeinsel Helgoland jährlich. Und nahezu ausnahmslos alle machen der 47 Meter hoch aufragenden Langen Anna bei einem Spaziergang über den drei Kilometer langen Klippenrandweg ihre Aufwartung. Als kostenlose Zugabe präsentieren Hunderte von Seevögeln die eine oder andere Luftnummer am Nordwestrand der gerade einmal einen Quadratkilometer großen Hauptinsel, während in den Nischen des steil abfallenden Lummenfelsens neben Möwen vor allem Basstölpel, Tordalke und Trottellummen brüten.

Nur einen Steinwurf entfernt markiert ein Gipfelkreuz den mit 61,3 Meter über Meeresspiegel höchsten Punkt im Landkreis Pinneberg, zu dem Helgoland gehört. Von dort bietet sich ein herrlicher Rundblick über das Oberland. Gleichzeitig breitet sich das Panorama der kleinen Nachbarinsel Düne vor einem aus.

Durchschlagender "Silvesterknall"

Das gerade einmal 0,7 Quadratmeter große Inselchen war bis zum Jahreswechsel 1721/22 durch einen natürlichen Damm mit der Hauptinsel verbunden. "Dann gab es wohl so etwas wie den leisesten und zugleich durchschlagendsten Silvesterknall in der Geschichte", flachst Rolf Blädel angesichts der verheerenden Wirkung jener Orkannacht. Für den pensionierten Polizisten war die Naturkatastrophe im Rückblick so etwas wie Fluch und Segen zugleich für Düne. Denn seither ist die Insel vor der Insel nur mit einem kleinen Boot im 30-Minuten-Takt zu erreichen.

An drei Seiten wird das malerische Eiland von Strandabschnitten gesäumt. Und diese teilen sich die Badegäste nicht selten mit Dutzenden von Seehunden und Kegelrobben, die längst ihre Scheu gegenüber den Menschen abgelegt haben. Bis auf 30 Meter darf man sich dem Meeresräuber nähern. Mit großen Kulleraugen nehmen die scheinbar faul herumliegenden Speckrollen die Besucher in den Blick. Manchmal reißt ein Bulle drohend das Maul auf, wenn jemand ihm oder den seinen zu nahe kommt; manchmal aber auch setzt sich der zentnerschwere Koloss überraschend schnell in Bewegung, robbt über Sand und Kies, um allzu Aufdringliche in die Flucht zu schlagen.

Von Flucht handelt auch ein dunkles Kapitel der Geschichte Helgolands. 96 Stufen geht es bergab in eine weitläufige Bunkeranlage. In dem 13,8 Kilometer langen Tunnelsystem werden die grausamen Kriegsjahre auf Helgoland deutlich. Am 18. April 1947 schließlich wurden sämtliche militärische Anlagen auf und unter der Insel in die Luft gejagt, um eine weitere Nutzung Helgolands aus militärischer Sicht für immer unmöglich zu machen.

Nach dem Krieg wurden schnell überwiegend einfache Häuser hochgezogen, was dazu führt, dass es heute auf Helgoland aus architektonischer Sicht kaum etwas Besonderes gibt. Insgesamt 108, überwiegend enge Straßen, Wege und Gassen finden sich im Unter- und Oberland, und zwischen ihnen transportiert ein Aufzug die Lauffaulen und Fußkranken hin und her.

Sogar Fahrräder nicht erlaubt

Helgoland ist eine Insel der Entschleunigung. Mit Ausnahme der Polizei und Feuerwehr gibt es keine Autos. Auch Motorräder und Fahrräder sind verboten. Für den Lieferverkehr werden Elektrofahrzeuge eingesetzt. Und so geht alles Schritt für Schritt und vor allem gemächlich zu. In den Hummerbuden, jenen bunt bemalten, hölzernen Häuschen am Hafen, in denen die Fischer einst ihre Arbeitsgeräte lagerten, wird Knieper serviert.

Der Taschenkrebs hat als lokale Spezialität den Hummer abgelöst. Was allein der Tatsache geschuldet ist, dass es in den Gewässern um Helgoland nicht mehr genügend von den wohlschmeckenden Großkrebsen gibt. Auch auf dem Areal des Museumshofes finden sich einige Hummerbuden. In den farbigen Nachbauten ist eine Sammlung dem wohl berühmtesten Sohn der Insel gewidmet: James Krüss. Der Schriftsteller und Ehrenbürger hat sich unter anderem mit den Abenteuern des Thimm Taler einen Namen gemacht. Ansonsten aber erinnert auf Helgoland nicht viel an Krüss. Da gibt es eine Gedenktafel an einem Haus im Oberland, einige Läden bieten seine Bücher an. Das war's.

Prominenter platziert ist da schon die Büste von Hoffmann von Fallersleben am Landungssteg. Der Dichter hatte am 26. August 1841 während seines Aufenthalts auf Helgoland das "Lied der Deutschen" verfasst. Damals war die Insel im Besitz Großbritanniens, bevor sie 1890 gegen deutsche Handelsrechte in Ostafrika getauscht wurde. Aber dies ist eine andere Geschichte.

Tipps und Adressen

Info: Helgoland Touristik, Lung Wai 28, 27498 Helgoland, Tel.: 04725-20 67 99, www.helgoland.de

Anreise: Von Cuxhaven gibt es täglich eine Verbindung mit Schiff (130 Min. Fahrzeit) oder Katamaran (70 Min. Fahrzeit) nach Helgoland (www.helgoline.de). Dazu gibt es Fähren von Büsum, Hamburg, Wilhelmshaven, Bremerhaven

Essen und Trinken: Marinas, Cassen Eils Wai 1, 27498 Helgoland, Tel.: 04725-64 02 55; Hanse Kogge, Am Falm 312, 27498 Helgoland, Tel.: 04725-80 09 95, www.hansekogge-helgoland.de

Übernachten: Aparthotel Klassik, Kurpromenade 36, 27498 Helgoland, Tel.: 04725-813 90, www.aparthotel-klassik.de; Hotel Rickmers Insulaner, Am Südstrand 2, 27498 Helgoland, Tel.: 04725-814 10, www.insulaner.de

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