Grüne Welle

Immer mehr Städte in Europa entdecken ihr Herz für Radfahrer. Wir stellen fünf vorbildliche Kommunen vor.

Von 
Dirk Engelhardt
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Utrecht

Das Zentrum von Utrecht ist weitgehend autofrei. Schon von daher bietet sich das Mieten eines Fahrrades in der 350 000-Einwohner-Stadt an. Am VVV Verkehrsbüro am Domplein gibt es Fahrradkarten mit den schönsten Fahrradrouten. Die Wasserwerke-Route ist 30 Kilometer lang, „Go east, go to the great outdoors“ folgt über 58 Kilometer historischen Spuren. Die Route entlang der Forts ist 23 Kilometer lang. „Go east, drink wine“ ist eine Route entlang von Weinbergen, Schlössern und Gemüsegärten und misst 39 Kilometer, genauso lang wie „Go east, have fun“ speziell für Kinder. „Go east, go green“ hat eine Streckenlänge von 60 Kilometern. „Go east, go military“ entlang der Dünen und über die Landebahnen zum Nationalen Militärmuseum beläuft sich auf 40 Kilometer.

Utrecht hat die „grüne Welle“ für Radfahrer. Fietsflo wird sie von Einheimischen genannt. Sie ist radarbasiert und zeigt bereits 200 Meter vor der Ampel, mit welcher Geschwindigkeit man über das Leuchtsignal kommt. Die Anzahl der Radler in Utrecht ist beeindruckend: 60 Prozent der Wege in der Stadt werden per Drahtesel zurückgelegt. Zum Vergleich: In Berlin sind es gerade mal 13 Prozent. Die Investitionen der niederländischen Stadt für den Radverkehr sind immens: Rund 50 Euro pro Kopf wird in die Rad-Infrastruktur investiert. 2019 hat hier das größte Fahrradparkhaus der Welt mit insgesamt 12 500 Stellplätzen eröffnet.

Münster

Die Zahlen sprechen für sich: Von 1,05 Millionen Fahrten pro Tag in Münster entfallen 35 bis 40 Prozent auf das Rad. Ein Teil der Fahrradbegeisterung in der 280 000-Einwohner-Stadt rührt allerdings daher, dass die gesamte Innenstadt für Autos gesperrt ist oder aus Einbahnstraßen besteht. Zudem ist es schwierig, einen Parkplatz zu bekommen. Eine schöne Rundfahrt um die Altstadt kann man auf der Promenade unternehmen, die rund 4,5 Kilometer lang ist. Der öffentliche Nahverkehr in der westfälischen Metropole beschränkt sich auf Busse, die tendenziell langsam sind - ein weiterer Grund, aufs Rad zu steigen. Vor großen Kreuzungen gibt es eigene Fahrstreifen für Radler, außerdem dürfen sie auf einer Fahrradschleuse direkt vor die Ampel fahren. Elf Straßen sind mittlerweile als Fahrradstraßen ausgewiesen. Ein Problem ist allerdings der Fahrraddiebstahl. Hier liegt Münster bundesweit an der Spitze. Am Hauptbahnhof befindet sich das größte Fahrradparkhaus Deutschlands mit einer Kapazität von 3300 Stellplätzen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) bemängelt dennoch die nicht mehr zeitgemäße Rad-Infrastruktur der Stadt.

Antwerpen

Die 527 000-Einwohner-Stadt Antwerpen hat ein vorbildliches Ausleihsystem für Fahrräder(www.velo-antwerpen.be). Dabei ist die erste halbe Stunde jeder Fahrt in den Anmeldekosten enthalten. Allerdings hat Antwerpen auch seine Tücken für Radler: Da wäre der Hafen mit seinem Kopfsteinpflaster und starken Windböen, der Sand und Staub von Spoor Oost, dem verkehrsreichen Bahnhofsbereich. Wer lieber auf Nummer sicher gehen will, holt sich die kostenlose Radkarte „Urban Jungle“, die eine „Easy-going-route“ durch den Großstadtdschungel Antwerpens aufzeigt. Schöne Panoramen, Grünflächen und prächtige Architektur liegen am Wegesrand. Die Karte ist in den Besucherzentren von VisitAntwerpen erhältlich oder lässt sich auf der Website www.visitantwerpen.be herunterladen.

Kopenhagen

In den vergangenen Jahren wurde Kopenhagen als Superstadt für Radfahrer gehypt. Wer dann auf den Radwegen der 630 000-Einwohner-City unterwegs ist, wird vielleicht etwas enttäuscht sein. Auch in Kopenhagen ist ein Radweg nur ein Radweg. Und da er schon vor Jahren angelegt wurde und Millionen von Radlern ihn benutzt haben, sind die Markierungen nicht mehr taufrisch. Ein Grund, warum so viele Kopenhagener trotz häufig schlechten Wetters unentwegt aufs Rad steigen: Man kommt mit dem Bike schneller voran als mit jedem anderen Verkehrsmittel. Dafür sorgt beispielsweise die grüne Welle für Radler, die auf vielen Radwegen geschaltet ist. Die Ampeln, die schalten für Radfahrer ein paar Sekunden früher auf Grün als für Autos. Oder auch die Kreisverkehre, welche einen Extraring für Radfahrer haben.

Winterthur

Dass das schweizerische Winterthur eine Radler-Stadt ist, mag auf den ersten Blick erstaunen. Der Schweizer Radfahrverband Pro Velo kürte die 110 000-Einwohner-Stadt zur radfahrerfreundlichsten Großstadt der Eidgenossen. Unter anderem deshalb, weil man in nur zehn Minuten aus der Stadt hinaus malerische Dörfer und grüne Hügel erkunden kann. Wegen der großen Steigungen empfiehlt sich allerdings ein E-Bike. Generell hat der Veloverkehr starken Nachholbedarf. Laut Europäischem Radfahrerverband wird hier ungefähr so viel Fahrrad gefahren wie in der Tschechischen Republik, Litauen, Polen oder Rumänien.

Freier Autor Freier Journalist aus Berlin, Bereiche Reise, Gastronomie und Lifestyle

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