An der Côte d’Azur sind Sorgen relativ. Vor Antibes, jenem südfranzösischen Hotspot der Schönen und Reichen zwischen Nizza und Cannes, liegen die Schiffe dicht beieinander im Hafen, kleine Segelboote und große Yachten. Braungebrannte Menschen an Deck tippen auf ihrem Handy herum oder lassen den Blick über die Seealpen schweifen. Wir hingegen sind zum Arbeiten hier.
„Enchantée“, begrüßt uns Rosa Minniti, Sprachlehrerin des Centre International d’Antibes. Sehr erfreut. Rosa empfängt uns zu einem Lernspaziergang. Sie hat sich vorgenommen, unserem Schulfranzösisch zu neuem Glanz zu verhelfen. Nun stehen wir im Yacht-Hafen und drucksen herum. „Moi de même“, könnten wir ihr beispielsweise antworten, hilft uns Rosa auf die Sprünge. Ganz meinerseits. Sie zieht ein laminiertes Kärtchen aus der Tasche, auf der der Ausdruck geschrieben steht. Moi de même, moi de même, moi de même. Jetzt sitzt es.
Sprachkurs im Hafen
„Im Sommer ist der Wind die einzige Sorge der Menschen hier, neben der Wahl des passenden Aperitifs“, scherzt Rosa. Sie spricht langsam und deutlich, wartet immer wieder auf unser Nicken, und wir verstehen: Wenn es zur Abwechslung mal etwas anderes als Pastis sein soll oder die Sandkörner des nahe gelegenen Stadtstrandes zwischen den Zähnen knirschen, gehört das hier in Antibes schon zu den größeren Problemen.
Wer sich im Hafen Port Vauban einen Liegeplatz für sein Meeresvehikel leisten kann, muss sich ums materielle Wohlergehen keine großen Gedanken machen. Für den Erwerb einer entsprechend großen Anlegestelle ist schon mal eine halbe Million Euro fällig. Doch scheiternde Parkvorhaben sind hier nicht unbedingt auf fehlendes Geld zurückzuführen. Die Yacht des russischen Milliardärs Roman Abramowitsch etwa war schlichtweg zu lang für den Hafen.
George Clooney hat hier schon seinen Urlaub verbracht, Leonardo DiCaprio, Madonna sowieso. Und die Liste der Stars und Sternchen, die Antibes – und dort vornehmlich dem legendären Hotel Eden Roc am Kap – eine Aufwartung machen, wäre eigentlich noch viel länger. Wem Cannes zu hektisch ist und Nizza zu groß, der findet sein Ferienglück vielleicht in Antibes, der drittgrößten Stadt an der Côte d’Azur.
Hauch von Hollywood
Dass die vornehmen Kreise aus aller Welt die Landzunge im Mittelmeer schätzen, hat jedenfalls Tradition. Nicht erst seit die internationalen Filmfestspiele im nahe gelegenen Cannes ein Stück Hollywood an die französische Riviera brachten, halten sich die Begüterten und Begabten gerne in Antibes auf. Bald nach Ende des Ersten Weltkriegs entdeckte es die amerikanische Schickeria für sich. So schrieb der Schriftsteller F. Scott Fitzgerald in den 1920er Jahren hier an seinem Roman „Der große Gatsby“, und weitere Autoren folgten. In den 1930ern verbrachte Marlene Dietrich ihren Urlaub hier, und in den 1940ern bezog Picasso in der Grimaldi-Burg sein Atelier. In den Räumen, in denen er malte, ist heute ein Museum mit Werken von ihm und anderen Künstlern untergebracht.
Ein Ferienort nur für Berühmtheiten aus Übersee ist Antibes jedoch nicht. Allein Rosas Sprachschule verzeichnet jährlich sieben-bis achttausend Gäste, wie es dort heißt, darunter einige Jugendliche aus Deutschland, die sich am Mittelmeer aufs Abitur vorbereiten. Neben Paris haben auch die Sprachschulen an der Côte d’Azur während des ganzen Jahres Saison, sodass sich in Antibes beständig Kursteilnehmer unter die rund 75 000 Einwohner mischen.
Belebte Plätze, stille Gassen
Immer wieder führt Rosa Gruppen von ihnen durch die Stadt, deren Ursprünge bis in die Antike reichen, führt sie an der massiven Stadtmauer vorbei, die gegenüber dem Hafen liegt, an dreigeschossigen Wohngebäuden mit hölzernen Fensterläden, vorbei an voll besetzten Cafés mit in der Brise flatternden Markisen.
Noch immer wirkt alles ziemlich französisch hier. Vielleicht auch, weil Antibes anders als andere Orte an der provenzalischen Küste trotz zahlreicher Besucher selbst groß genug ist, um nicht nur vom Tourismus zu leben.
Fernab der Villen am Kap präsentiert sich die Altstadt von Antibes jedenfalls erstaunlich unprätentiös, beinahe schon rustikal, mit ihren Tabakläden, der Kathedrale und ihrer Fassade in warmem Pfirsich und Apricot, mit all den im Lauf der Zeit schief gewordenen Treppen und den kopfsteingepflasterten Gassen. Sie liegen zur Mittagszeit beinahe lautlos da, obwohl der Hafen nur einen Steinwurf entfernt ist, und nur die Blätter der Palmen rascheln.
Auf dem provenzalischen Markt lässt Rosa es sich nicht nehmen, uns noch einmal an überlebenswichtigen Wortschatz heranzuführen. Wir lernen: ail, Knoblauch, poivron vert, grüne Paprika, courgettes, Zucchini. Nur pommes de terre, Kartoffeln, haben in der Ratatouille, dem typischen Gemüseeintopf der Region, nichts zu suchen. Das merken wir uns, eine falsche Zutat würde wohl auch die Wahl des passenden Aperitifs verkomplizieren. Und Antibes lehrt einen schließlich auch: Es gibt keinen Grund, sich das Leben unnötig zu erschweren.
Tipps und Adressen
- Allgemeine Informationen: www.antibesjuanlespins.com
- Anreise: regelmäßig Busse und Bahnen von/bis Nizza und Cannes
- Französisch lernen: Mehrere deutsche Sprachreiseanbieter haben Antibes im Programm. Eine Woche Standardkurs bei lal beispielsweise ab 260 €, mit Unterkunft ab 393 €, www.lal.de.
- Essen: bezahlbare Menüs, charmante Atmosphäre im „La Caravanne passe“, Rue Vauban, Di-Sa
- Ausflüge: z. B. ins Künstlerdorf Saint-Paul-de-Vence, ins malerische Mougins oder in die Parfümstadt Grasse
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