Die meisten sind schwarz, das erstaunt nicht weiter. Gelbe kommen überraschend oft vor, weiße seltener. Blau ist keines. Welche Farbe ein Kennzeichen auf den Straßen im Süden Tunesiens hat, sagt einiges aus über die Situation des Landes: Außer den heimischen Autos mit den schwarzen Nummernschildern fahren die der Algerier am Heck gelb wie früher die der Franzosen. Und die weißen der Libyer. Letztere sieht man nun seltener, denn die Grenze zum östlichen Nachbarn hat man dichtgemacht, zumindest dichter. Schließlich sind da die Trainingslager des IS. Und Terroristen kann das oft als Modellstaat der Demokratie in Nordafrika bezeichnete Land wirklich nicht gebrauchen, dafür Touristen.
Der Schmuggel füllt die Kühlschränke
Je weiter Besucher in die Spitze des Landes hineinfahren, das wie ein kleiner Keil vom Mittelmeer in den afrikanischen Kontingent gehauen ist, umso dicker werden die Staubschichten auf allem, am augenfälligsten auf den Windschutzscheiben. Beige dominiert die Landschaft, das wenige Grün wirkt matt. Siedlungen werden seltener, genau wie Verkehrsschilder. Außerdem finden sich Inseln aus Plastikflaschen, in denen Benzin aus Libyen für den Bruchteil des Tankstellenpreises vertickt wird. Der Schmuggel füllt hier im vergessenen Süden, wo die Arbeitslosigkeit hoch ist, in vielen Häusern die Kühlschränke. Die Polizisten drücken mal ein Auge zu. „Ihr denkt immer, das ist so nah. Aber ich war in meinem ganzen Leben noch nicht in Libyen“, sagt der 42 Jahre alte Dhaou Debara. Unter der Trainingsjacke trägt er die Hose der Berber und um den Kopf den Chech, ein Turbantuch, das so gewickelt wird, dass man es über die Nase ziehen kann, um Sand und Staub abzuhalten. Alles in Schwarz, wie eine Wiederholung des Darth-Vader-Kostüms, das neben ihm an der Lehmwand hängt. Dhaou Debara ist in Ksar Haddada nördlich von Tataouine für die Sicherheit zuständig, sagt er. Langsam geht er durch die bienenstockförmige Speicherburg mit ihren Lagerhöhlen, den Ghorfas, in denen die Berber früher Lebensmittel aufbewahrten. 1997 wurde das Ksar zum Sklavenviertel der Stadt Mos Espa im „Star Wars“-Film „Die dunkle Bedrohung“.
Seit 2018 kommen die Gäste wieder fleißig, sagt Dhaou Debara. Nach den Anschlägen in Sousse und Tunis vor vier Jahren ging die Zahl der westeuropäischen Touristen um bis zu 75 Prozent zurück: Länder sprachen Reisewarnungen aus, Flüge wurden gestrichen. 2019 kamen immer noch 25 Prozent weniger Europäer als vor der Revolution 2011. Dennoch war ein Aufschwung zu spüren. Auch deshalb, weil immer mehr Russen und Chinesen kommen. Der Süden jedoch erholt sich langsamer. Tunesiens Tourismusminister René Trabelsi will jetzt auch den Wüstentourismus stärken. Bislang gelingt es Tunesien allerdings nicht mal, die Drehorte einer Kultfilmsaga vernünftig zu vermarkten.
Schon im Ksar Haddada gibt es zu „Star Wars“ kaum mehr Informationen, als auf ein selbst gebasteltes Plakat passen. Der komplette Weltraumhafen Mos Espa, in der Realität eine Ansammlung Kulissen nördlich von Nefta nahe der algerischen Grenze, verfällt. Wenigstens wurde das in der Sandwüste liegende Set im Zuge eines Hilfsprojekts eingezäunt, Klohäuschen aufgestellt und Schilder angebracht. Ein „Star Wars“-Fanclub hat mit Crowdfunding-Geldern eine Düne umgeleitet, die sonst alles begraben hätte. Einzig einige Berber haben verstanden, dass sich der Ort lohnen kann: Sie versuchen, Sandrosen und Tonvasen zu verkaufen.
Douz ist das Tor zur Wüste. Viele Urlauber starten hier ihre mehrtägigen Touren oder lassen sich per Dromedar eine Runde in die Sandwelt hineinschaukeln. Die Alternative, vor allem wenn man Strecke machen will: der Jeep. Und das heißt: stundenlang Sand. Der drückt durch die Dichtungen in den Innenraum. Gut, wenn man sich ein Chech besorgt und den Beduinen ihre Wickeltechnik abgeschaut hat. Kaum Gegenverkehr. Keine Häuser. Keine Shops. Herden mit Hütejungs. Mal eine Oase. Einheimische auf Quads. Motorradfahrer auf dem Trip ihres Lebens. Aber meist einfach nur Sand, Sand, Sand. Schnell versteht man, wie die perfekte Fahrlinie zwischen den Dünen verläuft: nie obendrüber, eher so drum rum wedeln. Irgendwann ist man da, wo man laut Auswärtigem Amt nicht weitersoll. Die Behörde rät ab von Reisen in die Wüste südlich und südöstlich einer Linie von der algerischen Grenze im Westen über Douz, Tozeur, Tataouine bis Zarzis. Tatsächlich sind vor elf Jahren zwei österreichische Wüstenfahrer entführt, aber wieder freigelassen worden. Seitdem ist nichts mehr passiert.
Nach 150 Kilometern taucht das Camp Zmela auf. Ein paar niedrige Gebäude, dahinter Zelte. Etwa ein Quadratkilometer, auf dem sich die Dünen drängen. Die Oberfläche erinnert an die Haut auf zu heißer Milch. Kleine Falten überziehen die Hügel. Hier trifft man auch Touristen, alle aus dem Inland oder Emigrierte auf Heimatbesuch. Da ist die 29 Jahre alte Asma Mathlouthi, die in San Diego Medizin studiert und jetzt mit Freunden durchs Land fährt. Ob die junge Weltoffene mit dem perfekten Englisch einmal zurückkommt? „Ja klar, irgendwann“, sagt Asma. Zwar gebe es seit der Revolution viele Freiheiten, aber die beruflichen Chancen sind gleich null. Wo soll Asma ihre Karriere als Chirurgin vorantreiben? Vielleicht ist das die Krux des Landes: Man fühlt sich so modern, so nah dran an Europa. Viele sind gut ausgebildet. Doch am Ende produziert Tunesien vor allem Olivenöl und Kabelbäume und selbst das stagniert seit den Attentaten, die mehr Spuren hinterlassen haben als nur die Einschusslöcher in der Aufzugtür im Bardo-Museum. „Deutschland, schönes Land!“, rufen die Souvenirverkäufer in Tunis vor dem Museumseingang. Man möchte zurückrufen: Tunesien, schönes Land. Passt drauf auf!
TUNESIEN
Anreise Mit Tunisair von München oder Frankfurt direkt nach Djerba, weiter mit dem Mietwagen.
Veranstalter Touren in die Wüste, auch mit Dromedar, und zu Speicherburgen beispielsweise mit: www.wikinger-reisen.de und www.der-fliegende-teppich.com.
Sicherheit Das Auswärtige Amt rät weiterhin von individuellen, nicht organisierten Wüstenreisen ab. Außerdem von Reisen südlich und südöstlich einer Linie von der algerischen Grenze über Douz, Ksar Ghilane bis Zarzis an der libyschen Grenze, www.auswaertiges-amt.de.
Allgemeine Informationen www.discovertunisia.com
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