Neue Musik

Das letzte Puzzlestück - Ludwigshafener Rapper Apache 207 vollendet Album

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Neues auf die Ohren gibt es vom Ludwigshafener Rapper Apache 207. „2sad2disco“ heißt das Album, das in insgesamt vier Kapitel eingeteilt ist. © Sony Music Enternainment

Ludwigshafen. Von Elisabeth Nützel

Pünktlich zum Jahresende vollendet der Ludwigshafener Rapper Apache 207 sein neues Album „2sad2disco“. Ein zugegebenermaßen etwas unkonventionelles Projekt, denn das Werk erschien in vier Kapiteln. Jeden Monat eine neue Dosis Apache in Form von drei Songs, welche sich am Ende zu einem Gesamtwerk zusammenfügen sollen. Das vierte und letzte Kapitel vollendet dieses Werk nun. Neben der bereits in der Vorwoche veröffentlichten Single „Sport“ finden sich in diesem Kapitel die nunmehr letzten beiden der insgesamt zwölf Albumtracks.

Versteckte Überraschungen

Auch abseits des Erscheinungskonzepts gab es die ein oder andere kleine Überraschung in Form von cleveren Marketing-Gags. So war etwa im Musikvideo zur ersten Single „2sad2disco“ die vermeintliche Handynummer von Apache versteckt, unter der man einen unterhaltsam verpackten Hinweis auf ein kleines Promo-Gewinnspiel erhielt. Keine dumme Idee, bedenkt man die wohl größte Zielgruppe des Rappers, deren Reaktion auf den Trick prompt auf TikTok zu begutachten war. Tritt man allerdings einen Schritt zurück, um das Gesamtbild zu betrachten, eröffnet sich unweigerlich die Frage nach dem Motiv hinter dieser eigenwilligen Veröffentlichungsreihe. Denn jedes einzelne Kapitel wartete nicht nur mit einer eigenen Single-Auskopplung auf, sondern auch mit einem eigenen, offensichtlich aufwendig produzierten Musikvideo. Doch Fans der ersten Stunde wissen: Das Herzstück der künstlerischen Expression von Apache 207 war stets die visuelle Interpretation. Motiv genug, an dieser Stelle. Setzt man nun also die videografischen Puzzleteile zusammen, ergibt sich eine Reise durch Straßen, Clubs und Hotelzimmer - scheinbar eine lange Nacht inklusive choreografierter Tanzeinlage, Schlägerei und Verfolgungsjagd.

Apache 207

  • Apache 207 wurde am 23. Oktober 1997 in Ludwigshafen als Volkan Yaman geboren Sein Abitur machte er am Theodor-Heuss- Gymnasium und studierte danach zwei Semester Jura in Mainz.
  • Seine Debütsingle „Kleine Hure“ veröffentlichte er 2018 noch in Eigenregie. Wenige Songs später folgte der Plattenvertrag mit dem Label TwoSides, welches zur Sony-Gruppe gehört. Den ersten YouTube-Erfolg lieferte der Song „Kein Problem“ im April 2019 mit mehr als 8 Millionen Aufrufen und bereits im darauffolgenden Monat schaffte er mit dem Track „Brot nach Hause“ erstmals den Sprung in die offiziellen deutschen Charts. Der große Erfolg kam schließlich mit dem Dauerbrenner „Roller“ im August 2019.
  • Unter anderem von Popakademikerin Suena produziert, brachte der Hit dem Rapper den Diamond Award des Bundesverband für Musikindustrie (BVMI) für über eine Million verkaufte Singles ein und findet sich dieses Jahr zum wiederholten Mal in der Spotify-Liste der Top-Tracks Deutschland.
  • Sein am 31. Juli 2020 veröffentlichtes Debüt- Album „Treppenhaus“ erreichte Platz eins der deutschen Charts. Die ursprünglich für 2020 geplante Tournee war innerhalb weniger Minuten ausverkauft und soll Corona-Bedingt nunmehr 2022 stattfinden.

Die einzige Konstante: Der Rapper in der schwarzen S-Klasse. Er nimmt den Zuschauer von einer Szenerie mit in die nächste und bringt auf halber Strecke noch einen kleinen Jungen zurück nach Hause - die Welt von Apache ist nichts für kleine Kinder. Als die Mutter das Kind in die Arme schließt, offenbart sich der Name auf dem Fußballtrikot als sein eigener: Volkan. Wieder ein autobiographisches Element - das Kind von der Straße, ein Selbstbild, das den Rapper zutiefst zu prägen scheint.

Auf gewohnt metaphorisch aufgeladene Art zeichnet er im weiteren Verlauf das düstere Bild eines Menschen zwischen Ekstase und Betäubung. Auf die eskalative Party („Sport“) folgt ein Erwachen voller Selbstzweifel und Reue („Der Teufel weint“). Damit bedient der Ludwigshafener weiterhin die von seinen Rap-Kollegen so selten befahrene Schiene der Selbstreflexion, bringt jedoch letztendlich angesichts seiner immergleichen Fehler auch nicht mehr zustande, als ein „Babe, es tut mir leid.“ Man möchte es ihm verzeihen, angesichts der Exzesse, die scheinbar von Nöten sind, um den eigenen Zustand zu vergessen. „Nur bisschen Party und bisschen Saufen“ rappt er in „Thunfisch & Weinbrand“ - ein Titel, der an den Nachgeschmack derartiger Nächte erinnert  und sich auch danach anhört: dröhnend und ungewöhnlich aggressiv. Dennoch treffen auch in diesem Werk klassische Rap-Elemente immer wieder auf die Widerwilligkeit eines Rappers, der sich demonstrativ die Tür vor der Nase zuschlagen lässt („Der Teufel weint“) und lieber ein Fahrrad kauft, als ein neues Auto („Thunfisch & Weinbrand“).

Mehr Emotionen

Obgleich auch hier wieder von nichtsgönnenden Blockjungs die Rede ist, konzentriert sich das allgemeine Narrativ dieses Albums doch im Vergleich zu seinem Vorgänger weniger auf die Vergangenheit seines Urhebers, als auf die Gegenwart und den neuen Status quo: einen noch depressiveren Touch aber eben auch mehr Emotionen. Diese neuen emotionsgetriebenen Songs, wie etwa „Weißes Kleid“, „Schrei“ oder „Nebengasse“ offenbaren dabei nicht nur melodischere Töne, sondern auch das Gesangspotenzial des Rappers - und die weiterhin andauernde Weigerung, sich in bestimmte Schubladen stecken zu lassen. Rapper oder Sänger? Beides. Hart oder soft? Schließt sich gegenseitig nicht aus. Auch der Teufel weint eben. Und wenn er nicht gerade das Tanzbein schwingt oder Sport macht, dann rennt er noch heute durch den Abspann des neuen Musikvideos bis seine Vergangenheit ihn einholt oder aber ein neues Kapitel vor der Tür steht.

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