Literatur

Neues Buch von Heidelberger Autor Jörg Burkhard bei Wunderhorn

In seinem neuesten Buch "ex & hopp kolumnen für die flaschenpost" verzichtet Burkhard auf grammatische Konventionen und Zusammenhänge - weil er eine Welt ohne Regeln und Zusammenhänge erblickt und karikiert

Von 
Georg Spindler
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Er ist eines der wahren Originale der hiesigen Kulturszene: Der Heidelberger Autor Jörg Burkhard mischt seit 1962 mit Texten zwischen Sprach-Experiment, Beat-Poesie und Polit-Groteske grobkörnigen Sand ins Getriebe der Mainstream-Literatur.

Von 1968 bis 1984 betrieb er außerdem eine legendäre Buchhandlung am Heidelberger Marstall, einer der ersten linken Buchläden der Bundesrepublik. Hier trafen sich aber auch Fans der Beatnik-Literatur, die US-Stars Charles Bukowski und Allen Ginsberg waren zu Gast und signierten ihre Werke.

Welt ohne Zusammenhänge

Außergewöhnlich waren auch Burkhards Lesungen, die - selbst erlebt 1982 im Speyerer Industriehof - schon mal fast drei Stunden dauern konnten und mit bissigem Humor bestens unterhielten. Damals erweiterte er seine Lesungen mit Klanginstallationen zu spektakulären Multimedia-Performances. Im Mai ist der immer noch von jugendlichem Elan beseelte Autor 80 geworden. Nun hat der Heidelberger Wunderhorn-Verlag Burkhards neues Buch „ex & hopp kolumnen für die flaschenpost“ veröffentlicht.

In Kleinschreibung und ohne Satzzeichen fließt da ein rauschender Ideenfluss als sprudelnder Bewusstseinsstrom dahin. Burkhard widersetzt sich grammatischen Konventionen, nutzt Montagetechniken, die ihm verblüffende semantische Überblendungen erlauben, schreibt in einer Kürzelsprache, die in Passagen wie: „erscheint servicekraft stopft teller wortlos spülmaschine“ ein wenig an den Telegrammstil des Expressionisten August Stramm erinnert. Aber das hat Methode: Burkhard verzichtet auf Zusammenhänge, weil er eine Welt ohne Regeln und Zusammenhänge erblickt.

Mit ätzendem Spott karikiert er die Realität. Das Parlament wird zum „deutschplapperment“, eine „grossfressereferentin“ taucht auf, ebenso „idiotäre“ oder junge Tätowierte „mit entlausungsfrisuren“. Alle kriegen ihr Fett weg, Linke wie Rechte und Hipster. Und für Spießer setzt es nur Verachtung: wie für jene süddeutsche „indigene bevölkerung“, die einem „brauchtum der entfesselten triebe in rituellen balztänzen zu wuduwadlrytmen“ huldigt. Die Groteske ist für Burkhard die einzige Darstellungsform, um sich mit einer absurden Realität auseinanderzusetzen.

Mit bissigem Spott und absurden Seefahrtsepisoden

Vollends gibt er dem Affen Zucker in einer Reihe aberwitziger Seefahrtsepisoden, bei denen er eine Crew völlig schräger Typen auf Irrfahrt schickt durch eine irre Welt. Das Narrenschiff, das mal von einem Käptn Dirrmoser, mal von einem namens Scheerbart (wie der deutsche Groteskendichter) gesteuert wird, strandet an den „cash Islands“ und an der „zasterschäre guernsey“, treibt von „blühenden kohllandschaften“ in Regionen von „ausblühendem beton“.

Währenddessen rauchen die Dieselmotoren, „als ob im maschinenraum päpste gewählt“ würden. Und immer wieder Verweise auf die Popkultur, etwa auf den vom Yippie-Revolutionär zum Yuppie konvertierten Jerry Rubin oder auf die unvergessliche Schwingtür in Jacques Tatis Film „Die Ferien des Monsieur Hulot“. Nein, die Lektüre ist nicht einfach - aber, ja, sie ist ein Heidenspaß!

Redaktion

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