Mannheim. Am Ende steht sie da oben auf der Bühne und wischt sich eine Träne von der Wange. Paula Hartmann, die melancholische Popprinzessin, hat bei ihrem Konzert in der Alten Feuerwache alles gegeben. Und für einen Abend in Mannheim das Gefühl einer Berliner Nacht beschworen.
Die 2001 geborene Künstlerin zieht von der ersten Sekunde alle Zuhörerinnen und Zuhörer in der schon seit Wochen ausverkauften Hall in ihren Bann. Mit ihrer verkratzten Stimme und ihrem verkaterten R’n’B trifft sie ins Herz, als sie das Konzert mit „Fahr mich nach Hause“ eröffnet. In einem übergroßen Trikot, Kapuzenjacke und mit Pferdeschwanz wirkt sie sympathisch und ein wenig nervös. Eine Band hat sie nicht, ihr DJ gibt die Musik vor. Und verpasst den Songs auch mal einen Sample von Dr. Dre. Als sie das Publikum mit den Worten begrüß „Mannheim habt ihr Bock auf Gutenachtgeschichten?“ gehen ihre Worte fast im Gejubel unter. Ebenso, als sie darauf aufmerksam macht, dass sich alle wohlfühlen sollen und aufeinander achten. Im Publikum strahlende Gesichter. Die gute Stimmung zu düsteren Songs findet einen ersten Höhepunkt, als sie sich für eine zurückgenommene Version ihres Liedes „Nie verliebt“ ans Piano setzt. „Der letzte Schluck vom Wein, die Kippe an der Bahn. Und der allerletzte Kuss, aber keine Angst“, singt sie mit der ihr so eigenen brüchigen Stimme und man muss sich nur umschauen um zu sehen: die Menschen fühlen es. Als Kontrast spielt sie dann drei Stücke aus einem neuen kommenden Album. Die sind eindeutig tanzbarer, basslastiger und haben manchmal fast schon Grime-Annäherungen. Bei „Babyblau“ erinnert sie an ihren ersten Mannheim-Auftritt letztes Jahr auf dem „DasDing-Festival“.
Die Stimmung könnte fast nicht besser sein. Doch dann fällt ihr bei dem gerade als ihr Lieblingslied angekündigten „Veuve“ das Mikro aus. Das Publikum springt ein und schmettert den kompletten Text allein. Die Sängerin ist sichtlich gerührt. Als das Mikro wieder funktioniert, singt sie es gleich noch mal und der DJ lässt es am Ende in ein Technostück auslaufen, dass mehr nach Berghain als nach Feuerwache klingt. Es ist faszinierend zu beobachten, wie selbstverständlich sich die 22-Jährige auf der Bühne in den Nebelschwaden bewegt. Vor gerade mal zwei Jahren startete Paula Hartmann ihre Karriere, veröffentlichte seitdem mehrere Singles und ein Album, dazu verschiedene Features mit Musikern, wie Casper, Luciano und Trettmann.
Ihre Kollaboration mit Haftbefeht „Geruch von Koks“ funktioniert auch ohne den Offenbacher Rapper fantastisch. Die Textsicherheit der Fans überzeugt auch bei dem gerade erst erschienenen „3 Sekunden“, das von sexueller Gewalt an Frauen und alltäglichen Belästigungen, handelt. Und dann kommen plötzlich die Tränen. Sie erzählt von einem neuen Song, bei dem sie beim Einsingen im Studio weinen musste. Und einer schweren Zeit, in der es ihr nicht gut ging. Und macht den Fans Mut, sich Hilfe zu holen, wenn es jemand ähnlich gehen soll. Da ist sie wieder im Raum, die Fürsorge. Mit einem Schnäpschen und der Zugabe „Truman Show Boot“ schickt sie dann nach gut 90 Minuten die Fans in den Sonnenuntergang.
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