Kino

Ein Wechselbad der Gefühle: Unsere Kritik zur Meyerhoff-Verfilmung

Mit gutem Gespür für die Vorlage hat Regisseurin Sonja Heiss einen Roman von Joachim Meyerhoff fürs Kino aufbereitet. Darin glänzen vor allem Devid Striesow als Richard Meyerhoff und Laura Tonke als dessen Ehefrau Iris

Von 
Gebhard Hölzl
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Devid Striesow als Richard Meyerhoff und Laura Tonke als Iris Meyerhoff in „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“. © Frédéric Batier/Komplizen Film GmbH/Warner Bros. /dpa

Joachim Meyerhoff gehört zu den profiliertesten Bühnendarstellern im deutschsprachigen Raum. Engagements hatte er etwa am Berliner Maxim Gorki Theater, am Wiener Burgtheater oder an der Berliner Schaubühne. Wesentlich bekannter ist der hoch aufgeschossene Mann mit der charakteristischen Glatze aber wohl als Autor seiner bislang fünf autobiographischen Romane. Bestseller allesamt. So war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand eine filmische Adaption wagen würde.

Das hat nun Sonja Heiss („Hotel Very Welcome“) getan. Zusammen mit Lars Hubrich („Tschick“) adaptierte sie das 2013 erschienene zweite Buch „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“. Auf der Berlinale hat ihr Werk in der Sektion Generation 14+ Premiere gefeiert, beklatscht und bejubelt. Nah am Originalstoff ist die Filmemacherin - mit den üblichen laufzeitbedingten Kürzungen - geblieben, hat Stimmung, Stil und Duktus perfekt eingefangen. Wie die Vorlage lebt ihre Arbeit von Gegensätzen, mit den liebenswerten Protagonisten durchlebt man ein Wechselbad der Gefühle. Mal himmelhoch jauchzend, dann wieder zu Tode betrübt. Eine Tragikomödie, die einen sofort in den Bann schlägt.

Laura Tonke

  • Laura Tonke wurde in Alter von 15 Jahren auf einem Schulhof in Berlin-Schöneberg für die Hauptrolle in Michael Kliers Wendedrama „Ostkreuz“ (1991) entdeckt.
  • Zu sehen war die Tochter des Filmausstatters Michael Tonke, 1974 im damaligen West-Berlin geboren, im Fernsehen etwa in „Schimanski - Die Schwadron“ sowie einigen „Tatort“- oder „Polizeiruf 110“-Folgen.
  • Im Kino wirkte sie unter anderem etwa in Tom Tykwers „Winterschläfer“Sönke Wortmanns „St. Pauli Nacht“, Helene Hegemanns „Axolotl Overkill“ oder jüngst in „AEIOU - Das schnelle Alphabet der Liebe“ mit.
  • Seit 2007 gehört Tonke dem deutsch-britischen Performance-Kollektiv „Gob Squad“ an. Zudem kann man sie in Musikvideos von Bosse oder „Ich bin müde“ von Fettes Brot bewundern. 

Die Handlung setzt Ende der 1970er ein, endet rund 30 Jahre später, gegliedert in drei Kapitel, die verschiedene Lebensabschnitte behandeln. An einem Tag am Strand lernt man die Familie kennen. Vater Richard, Mutter Iris sowie ihre drei Söhne Philipp, Patrick und Joachim. Die Eltern werden von Devid Striesow und Laura Tonke gespielt, die Jungen, je nach Alter, von wechselnden Akteuren. Als der Papa zum Aufbruch drängt, will Joachim (Camille Moltzen) unbedingt noch einmal ins Meer. Ein Kompromiss wird gefunden, dem Vater Wasser in den Bauchnabel gegossen. Sobald dieses verdunstet ist, wird nach Hause gefahren ...

In Episoden erzählt

Der schräge Ton ist gesetzt. Und findet gleich seine Fortsetzung. Denn Dr. Meyerhoff ist der angesehene und zugleich selbstverliebte Leiter einer psychiatrischen Klinik, wo man vor Ort in der sogenannten Doktoren-Villa wohnt. Entsprechend „verrückt“ - nicht immer politisch unbedingt korrekt - geht es da zu. Die Insassen fühlen sich am Frühstückstisch von „Richard“ wohl, heimisch gar. Während Klein-Joachim, der zu Wutausbrüchen neigt, immer wieder zur Beruhigung auf einer vibrierenden Waschmaschine Platz nimmt und Alex Milberg als Ministerpräsident von seinen Leibwächtern in den Schlamm gestoßen wird, weil ein Patient mit einer Schreckschusspistole auf ihn geschossen hat.

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Momentaufnahmen einer kurzweiligen, abwechslungsreichen Initiationsgeschichte, in loser, episodischer Struktur aneinandergereiht. Mit Schwerpunkt auf dem intelligenten, empfindsamen Teenager Joachim, von Arsseni Bultmann sympathisch verkörpert. Dessen erste Liebe in Person der depressiven Marlene (Pola Geiger) kommt ins Spiel, sein Verhältnis zu den beiden Geschwistern wird (leider) nur kurz angerissen, die schleichende Entfremdung der Eltern - Richard geht mit seiner Sekretärin fremd - thematisiert. Die Episode eines Amerikaaufenthalts fällt mit nur einer Szene viel zu kurz aus. Hinzu kommen ein missglückter Vater-Sohn-Ausflug, Familienfeiern, Unfalltod und Selbstmord.

Klug und hintersinnig

Ein Film, der sich wie ein Mosaik zum großen Ganzen fügt. Zusammengehalten wird er von Striesow („Im Westen nichts Neues“) und Tonke („Slløborn“), die als Ehepaar vortrefflich harmonieren - in guten wie in schlechten Tagen. Schöne Solo-Szenen gönnt ihnen die Regisseurin. Etwa wenn Richard sich endlich seine ersehnte Jolle leistet, bei der praktischen Prüfung jedoch scheitert und sich dabei übergibt. Eine Niederlage, die er kaum erträgt. Oder wenn die Italien-affine Iris den Plattenspieler anstellt, im Wohnzimmer ausgelassen zu Al Bano & Romina Powers Ohrwurm „Felicita“ tanzt. Nostalgie pur, kein Kitsch. An- und berührend. Wohl wissend, dass jedem Hoch schnell ein Tief folgt.

Um die beiden herum läuft das gesamte Ensemble zu toller Form auf. Genauso wie die gesamte technische Abteilung. Stilsicher ist die Ausstattung, liebevoll gestaltet das Kostümbild. Perfekt eingefangen wird all das von Kameramann Manuel Dacosse („Peter von Kant“), der seine Bilder in warmes Licht taucht und in schönen Farben erstrahlen lässt. Ein Familienfilm für Groß und Klein, unterhaltsam, klug und hintersinnig.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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