Michael Ellis, internationaler Direktor des "Guide Michelin", sparte nicht an Lob. Deutschland habe eine attraktive, dynamische Gastronomie-Szene, sagte er bei der Präsentation des neuen Restaurantführers in Berlin. Vor allem die Stärke der jungen, innovationsfreudigen Talente, die in Top-Häusern ihr Know-how erworben hätten und nun mit viel Energie ihr Können beweisen wollen, sei auffällig.
Diese Einschätzung trifft in der Rhein-Neckar-Region zweifellos auf Tristan Brandt zu. Der 31-jährige Küchenchef des "Opus V", der als Geschäftsführer noch für drei weitere Restaurants im Mannheimer Modehaus Engelhorn verantwortlich zeichnet, hat es geschafft, innerhalb von nur zwei Jahren den zweiten von drei Michelin-Sternen zu erkochen. Damit ist der "Shootingstar" ("Michelin") derzeit der jüngste Zwei-Sterne-Koch Deutschlands. Und Engelhorn das einzige Modehaus weltweit mit einem Zwei-Sterne-Lokal.
Von Platz fünf auf zwei
In der alljährlichen Besten-Liste dieser Zeitung, die auf einer regionalen Auswertung von sieben nationalen Restaurantführern für das Jahr 2017 beruht, schafft Brandt mit dem Rückenwind des Michelin den Sprung vom fünften Platz aus dem Vorjahr auf den hervorragenden zweiten Rang. Damit liegt er nur knapp hinter dem erneuten Spitzenreiter, Karl-Emil Kuntz von der "Krone" im südpfälzischen Herxheim-Hayna, der zusammen mit seinem Sohn Karl-Emil jun. stets aufs Neue beweist, wie hoch das Niveau der anspruchsvollen Gastronomie im Rhein-Neckar-Raum ist. Der "Gault Millau" (18 von 20 Punkten) zeigt sich begeistert über die Perfektion, die Kuntz auf die Spitze treibe. Nicht minder angetan ist er von der "Pfälzer Stube", dem Zweitrestaurant der "Krone" (16 Punkte), in der Kuntz "zeitgemäße Regionalität und Grande cuisine" vorbildlich verbinde.
Über Platz drei im Ranking darf sich Stefan Neugebauer vom "Schwarzen Hahn" im "Deidesheimer Hof" freuen. Bedenkt man, dass er dort schon seit dem Jahr 2000 kocht (Küchenchef seit 2004), darf man ihn getrost zu den "Altmeistern" neben Kuntz zählen. Zusammen mit Co-Küchenchef Felix Jarzina pflegt er, wie der "Feinschmecker"-Guide schreibt, eine "kunstvoll verfeinerte Hochküche". Daniel Schimkowitsch dagegen zählt mit seinen 31 Jahren zur Garde der aufstrebenden Jung-Köche, die mit ihrem Spaß an experimenteller Kochkunst das weite Feld der Kulinarik gern austesten. Auch Schimkowitschs Arbeitsplatz befindet sich in Deidesheim: Das "L.A. Jordan" im "Ketschauer Hof" hat sich dem Trend des "casual fine dining" (gut, aber locker essen) angeschlossen.
Nicht in unserer "Hitparade" der Top-Küchen taucht diesmal das "Urgestein" in Neustadt an der Weinstraße auf. Nachdem Benjamin Peifer, der mit seiner unkonventionellen, kreativen Küche für Furore sorgte und dafür einen Michelin-Stern erhielt, das Haus im Juli verlassen hatte, wurde das "Urgestein" in einigen Restaurantführern aus der Wertung genommen. Jetzt steht dort Fritz Braumüller aus dem "Kirchenwirt" im Tiroler Leogang am Herd. Peifer will sich 2017 in einem anderen Haus in der Pfalz unter dem Motto "Intense" selbstständig machen.
Für Überraschung und Kuriosität zugleich sorgte in diesem Jahr Manfred Schwarz. Als Neueinsteiger landete er mit seinem "Schwarzberg" im "Lammershof" im hessischen Birkenau auf Anhieb auf Platz neun in unserer "Top-25-Liste". Schwarz, schon 1984 als 28-jähriger Küchenchef im Schwarzwald-Hotel "Bareiss" ebenfalls jüngster Zwei-Sterne-Koch Deutschlands, wurde vom "Michelin" erneut mit einem Stern ausgezeichnet - schon ein Jahr nach der Eröffnung des "Lammershofs". Doch kaum war die Michelin-Feier in Berlin vorüber, bestätigte Schwarz offiziell, was bereits in den Wochen zuvor gemunkelt worden war: Er verlässt zum Jahreswechsel den "Lammershof", da er sich mit Besitzer Matthias Berg nicht über eine Verlängerung der Pacht hatte einigen können. Schwarz kehrt nun dorthin zurück, wo er einst populär wurde, als er die Staatsgäste von Bundeskanzler Helmut Kohl bekochte: in die Pfalz. Im Frühjahr will er zusammen mit seiner Partnerin Angelika Kissel in Kirchheim an der Weinstraße im ehemaligen Lokal "Viva Palatina" sein erstes eigenes Restaurant aufmachen.
Dass Schwarz für Christine und Karl Gassen aus den "Drei Birken" in Birkenau eine Konkurrenz gewesen wäre, haben die beiden nie gespürt. Die Gäste strömten nach wie vor unverdrossen in ihr Restaurant, das der "Gault Millau" seit Jahren für "Zuverlässigkeit, Konstanz und auch Bescheidenheit" schätzt. In diesem Jahr erhielten die Gassens wieder den "Bib Gourmand" des "Michelin", der für ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis vergeben wird. Hier gibt es ein dreigängiges Menü, das nicht mehr als 37 Euro kosten darf und laut "Michelin" ein "Maximum an Schlemmerei" verspricht.
"Reduzierte Akrobatik"
Nicht mehr im Ranking taucht das "oben" (Vorjahr 11. Platz) im Landgut Leimen-Lingental auf, nachdem das Restaurant geschlossen wurde. Dafür stieg das "Le Corange" (Rang 19) nach einer längeren Abstinenz wieder ein. Das auf Fischgerichte spezialisierte Lokal mit seinem talentierten Küchenchef Dominik Markowitz gehört ebenso wie das "Opus V" zum kleinen "Gastronomie-Imperium" des Mannheimer Modehauses "Engelhorn". Um mehrere Plätze verbessert haben sich neben den "Drei Birken" das "Marly" (Mannheim) und "Christian's" in Neckargemünd. Deutlich abgerutscht ist hingegen "Steverding's Isenhof" in Bellheim-Knittelheim. Dort gab es einen kulinarischen Konzeptwechsel. Steverdings Motto nach 20 Jahren Michelin-Stern heißt jetzt "Tellerakrobatik reduzieren, schnörkellos gut".
Die Bewertungskriterien
- Wir haben uns die aktuellen Restaurantführer für 2017 angesehen und deren Beurteilungen für die regionale "Top 25"-Liste ausgewertet. Neben den einflussreichen Gourmet-Bibeln "Guide Michelin" und "Gault Millau" zogen wir auch den "Schlemmer Atlas", den "Feinschmecker", den "Varta-Führer" und den "Großen Restaurant & Hotel Guide" sowie den "Gusto" heran.
- Deren Tester vergeben alljährlich Sterne, Kochmützen, Bestecke oder Pfannen für herausragende Leistungen der Lokale. Wir rechnen deshalb die unterschiedlichen Symbole in einheitliche, vergleichbare Punkte um, so dass in der Summe aller subjektiven Noten ein annähernd objektives Bild entsteht. Willkürliche Auf- und Abwertungen durch einzelne Prüfer können somit keine allzu große Rolle spielen.
- Für die Umrechnung wurden die jeweiligen Restaurantführer ihrer Bedeutung entsprechend gewichtet. Da die Guides zu unterschiedlichen Terminen erscheinen, können sie nicht alle derzeit aktuellen Entwicklungen berücksichtigen.
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