Fleisch

Kulinarische Sprünge

Von 
Pascal Cames
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Geschmorter Hase auf breiten Bandnudeln - ein Gedicht.

© Seiffe/Food Centrale Hamburg

Auch wenn Mammut und Höhlenbär spektakulärer waren und mehr abwarfen, gehörten Hase und Kaninchen zu den ältesten Speisen der Menschheit. Wie sehr die Hasenartigen schon immer schmeckten, verrät die aus dem vierten Jahrhundert stammende Rezeptesammlung des Apicius, die 13 Hasenrezepte auflistet. Wie Reh und Wildschwein wurden auch Wildkaninchen und Hasen zum (niederen) Haarwild gezählt. Das Jagdrecht hatte der Adel.

Allerdings haftet dem Fleisch der Feldhasen schon immer ein Geschmäckle an. So wie man mit einem Fuchs Schläue verbindet, so bemühte man für den Feldhasen die Fruchtbarkeit. Für Papst Zacharias anno 752 Grund genug, den Genuss von Feldhasen zu verbieten. Ohne Erfolg: Wollust und Hasenbraten waren nicht aufzuhalten. Kulinarisch stehen Hase und Kaninchen soweit in Ehren, dass sie es in Frankreich zu zwei "königlichen Hasen"-Rezepten brachten, Menschen zum Wildern verführte und die Tiere domestiziert wurden. Jetzt musste man für den Genuss nicht mehr Kopf und Kragen riskieren.

Passt zu Speck und Rotwein

Wie die Taube wurden auch Hasen für den Kochtopf und zum Vergnügen gezüchtet. Allerdings brach manchem Kind das Herz, als Schnuffi für immer fort war und am Sonntag der Hasenpfeffer dampfte. Diese delikate und schwere Speise passt bestens zum Hasen, weil das rote Fleisch Zutaten wie Speck und Rotwein verträgt und zum Schmoren ideal ist. Kaninchen mit ihrem hellen Fleisch eignen sich besser fürs Kurzbraten. Das Fleisch vom (Stall-)Hasen war beliebt, weil es "angenehme Abwechslung in den Küchenzettel brachte", wie in einem alten Kochbuch zu lesen ist. Schlachtung, Zerlegung und wie man das Fell gerbt ("Gutes Pelzwerk", Katharina Prato, 1895), wurde in schlauen Büchern mitgeteilt.

Populär war damals auch das Sauereinlegen, das sich bis heute gehalten hat. Ursprünglich versuchte man damit den doch etwas strengen und unangenehmen Geruch zu neutralisieren, den Fleisch dann annimmt, wenn es zu lange abgehangen ist - oder zu lange transportiert wurde. Auch das Fleisch von Tieren, die eine lange Hatz hinter sich haben, soll nicht besonders fein gerochen haben. Die niedere Qualität zeigt sich auch an der grünlichen Farbe des Fleisches.

"Heute müssen Sie das Fleisch nicht mehr einlegen", versichert Küchenmeister Ralph Meyer vom Löwen aus Heitersheim im Markgräflerland. Meyer ist zudem Jäger und kann zumindest für sich selbst sprechen, dass das Fleisch nicht abgehangen wird und auch keine langen Transporte hinter sich hat. "Alles aus der Region."

Meyer kennt etliche Rezepte, gerade aus Südeuropa - mit Olivenöl und Kräutern - plädiert aber für sein Wildkaninchen zum badischen Rezept mit leichter Gutedel-Soße. Natürlich passen auch Weiß- oder Grauburgunder. Die große Herausforderung besteht für jeden Koch darin, dass das feinfasrige Fleisch nicht trocken wird. Und die Gefahr ist groß, denn die Stücke sind unterschiedlich dick. Wenn die Keulen durch sind, ist der Rücken schon wieder zäh und ohne Saft. Die Lösung: Meyer beschränkt sich auf die Keulen.

Was macht Hasen attraktiv? Wie jedes Wild hat auch das Wildkaninchen den Vorteil, dass es viel Bewegung hat und das Muskelfleisch dadurch besser wird. Auch das es "nur das frisst, was ihm schmeckt" trägt zum guten Aroma bei. Das unterscheidet es kolossal von jedem anderen Fleisch aus Zuchthaltung, denn Hasen und Kaninchen fressen Klee und Kräuter, Wildblumen und Wurzeln.

Natürlich kennt Meyer die Nöte der Leute, die auf den Geschmack gekommen sind. Wenn nicht gerade Jagdzeit ist, sitzt er quasi auch auf dem Trockenen. Als Alternative gibt es noch Stallhasen und Kaninchen; es soll auch Züchter geben, die ihren Lieblingen nicht nur Mais und Hafer geben, sondern auch Auslauf und Kräuter. Und ein "Kraut" sollte eh immer dabei sein, ob nun Meister Lampe aus der freien Wildbahn geschossen wurde, oder aus dem Stall kommt: Lorbeerblätter. "Die wichtigste Zutat", sagt Meyer. Nicht nur Profiköche machen damit große Sprünge.

Hasen und Kaninchen

Während die langohrigen Hasen nur eins bis vier Junge werfen, sind es bei den kurzohrigen Kaninchen fünf bis zehn, die nackt und blind auf die Welt kommen. Hasen tragen dagegen schon Fell und können sehen.

Hasen haben dunkles Fleisch und können bis zu 5,5 Kilogramm schwer werden, während die leichten Kaninchen ein bis zwei Kilogramm helles Fleisch auf die Waage bringen. In deutschen Metzgereien muss man sie in der Regel vorbestellen, in französischen hat man mehr Glück. Auch Wochenmärkte sind ergiebig für Zuchthasen und Kaninchen. Wer Wildbret sucht, findet es hier: www.wild-auf-wild.de

Wildkaninchenkeule à la Löwen in Heitersheim

Zutaten für 4 Personen: 4 Wildkaninchenkeulen, ca. 200 - 250 g, 0,5 Sellerie, 1 Karotte, 1 Zwiebel, 0,25 l Sahne, 0,25 l Gutedel, 1 Lorbeerblatt, Nelken, Wacholder

Zubereitung: Fleisch leicht anbraten, Sellerie, Karotten und Zwiebel fein geschnitten dazugeben, dann mit Wein ablöschen, mit Wasser und Sahne auffüllen, Gewürze hinzugeben und ca. 1 Std. köcheln lassen.

Beilage: Nudeln mit Bärlauchpesto und Spargel

Freier Autor Pascal Cames schreibt über Essen & Trinken, Wanderungen/ Freizeit und stellt gerne Menschen im Porträt vor. Der in Offenburg lebende Autor schreibt für MairDumant (Marco Polo Elsass), Rombach (Wanderkino Elsass), Zeitungen (Basler Zeitung, Der Sonntag, Badisches Tagblatt) sowie Agenturen.

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