In der Schnute von Meister Lampe steckt eine Blume. Zu dünn darf der Stengel nicht sein. "Sonst bricht er entzwei", sagt Anton Asanger, 51. Mit einem Modellierholz gibt der Schoko-Künstler dem Mümmelmann aus Plastilin den letzten Schliff. Asanger entwirft beim Schokoformen-Hersteller Hans Brunner im oberbayerischen Erholungsort Glonn Gussformen von Osterhasen und Ostereiern. Aus den Bleistift-Entwürfen und den Modellen des Meisters entstehen Millionen Schoko-Nager für die ganze Welt. "Ein Traumjob", findet Asanger.
Bis vor ein paar Jahren hat er beim Landeskriminalamt in München noch Phantombilder gezeichnet. Irgendwann haben ihm die Verbrecher-Visagen gereicht. Statt Mördern skizziert der ehemalige Porzellan-Maler von der Königlichen Manufaktur Nymphenburg heute lieber Schoko-Häschen. "Nun schaut mich täglich ein fröhliches Gesicht an." Kaum ein Schokohasen-Zoo im Supermarkt-Regal, dessen Wiege nicht im 5000-Seelen-Nest Glonn steht: Aus Meister Lampes Kreissaal wackeln Hasen-Formen durch ganz Europa und containerweise bis nach Japan und Südamerika. Ohne Formen keine Schokolade: Mit einem Marktanteil von mehr als 40 Prozent bei den Schoko-Hohlfiguren ist das weltweit operierende Unternehmen mit seinen 120 Mitarbeitern der internationale Platzhirsch. Nur eine Handvoll Konkurrenten gibt es. "Wir arbeiten in einem Nischenmarkt", sagt Markus Gebhart, 48, einer der beiden Geschäfstführer. Der Herr der Hasen strotzt vor Zuversicht: "Genascht wird immer!"
Selbst die Billiglohnländer Asiens sind für den kleinen Global-Player mit dem riesigen Marktanteil keine ernsthafte Bedrohung: "Schokolade spielt in China nur eine unterordnete Rolle", sagt Gebhart. In Brasilien, einem der wichtigsten Absatzmärkte, sei sie aber der "Luxus des kleinen Mannes".
Arbeit mit 3D-Programmen
Bis Meister Lampes Löffel aus Zartbitter, Nougat und Vollmilch auf der Zunge zerschmelzen, ist es ein langer Weg. Aus der Hand des Illustrators hoppelt der Hase als eingescanntes Modell in 3D-Computerprogramme. High-Tech für den Schoko-Spaß: Am Bildschirm bekommen die digitalisierten Nager ihren Feinschliff. Danach fräsen Hochgeschwindigkeits-Maschinen mit tausend Umdrehungen pro Sekunde die Rohlinge aus Kunststoff. Diese sogenannten "Stempel" landen in Spritzgussmaschinen und Hochdruckpressen, die mit einer Riesenpower von bis zu 2300 Tonnen Druck die Hasen-Hüllen aus Polycarbonat formen.
Geschäftsführer Markus Gebhart blickt auf eine stolze Bilanz: Mehr als 25 000 Formen haben die Designer, Werkzeugmacher und Feinwerkmechaniker bis heute entwickelt. "Täglich kommen im Schnitt zwei neue Formen hinzu." Ständig müssen die altbekannten Gestalten neu gefeilt, gegossen und gepresst werden. Die mächtige Kundschaft von Milka bis Lindt will immer wieder neue Trends in Schokolade gießen.
Eine Zeit lang sollten die Häschen so aussehen, als seien sie Verwandte von Donald Duck oder Biene Maja. Derzeit ist Retro-Look angesagt. Vollbusige Hasendamen oder Mümmelmänner mit Walkman? Nichts für die empfindsame deutsche Seele. Bloß kein modischer Schnickschnack! Am beliebtesten sind immer noch die lila- und goldfarbenen Häschen im spinnwebfeinen Alufolien-Kleid. Häufig gewünscht, so Gebhart, seien "Hasen mit Rückenkörbchen".
Nicht nur Klassiker wie Hasen und Nikoläuse beschäftigen Schoko-Designer Anton Asanger. Kaum ein Gegenstand des täglichen Lebens, den er nicht schon nachgebildet hat: Handys und Trachtenschuhe, Baumstämme und Bohrmaschinen, Nilpferde und Elche, Autos, Fußballer, Visitenkarten und Smartphones. Selbst eine Schokoversion des welthöchsten Wolkenkratzers "Burj Khalifa" und Formen für Kamelmilch-Schokolade in Dubai schafften es schon in die Auftragsbücher.
Pralinen, Riegel und Lollies
Eine Scheune, zwei Menschen, viele Ideen und wenig Geld - so beschreibt Firmeninhaber Rudi Schwaiger die Anfänge des Familien-Unternehmens 1935. Anfangs wurden die Formen für die Schoko-Hohlkörper noch aus Metall hergestellt. Erst in den sechziger Jahren setzte sich Kunststoff durch. Heute verlassen jährlich knapp eine Million Schokoformen die Manufaktur. Nicht nur Schablonen für das Brauchtumsgebäck, auch Hohlformen für Pralinen, Schoko-Riegel und Lollies.
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