Ein Schnitzel schlägt Wellen

Bloß kein schwarzer Pfeffer, nicht klopfen, sondern massieren – und: als Beilage bitte Kartoffel- oder Feldsalat, keine Pommes. Wer denkt, Wiener Schnitzel kann doch jeder, dem gibt Experte Lukas Edl ein paar nützliche Tipps mit in die Küche.

Von 
Pascal Cames
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Wenn die Panade kleine Erhebungen hat, ist das ein gutes Zeichen, denn das bedeutet: Zwischen Fleisch und Semmelbrösel bildet sich Feuchtigkeit und das Schnitzel bleibt schön saftig. © Jigal Fichter

Zwar grillen die Deutschen wie die Weltmeister, entdecken Quinoa und Superfood, retten sich an vegane Ufer, aber eines bleibt, die Liebe zum Schwein im Allgemeinen und zum Schnitzel im Besonderen. Schnitzel ist das Lieblingsgericht. Wiener Art vom Schwein und Wiener Schnitzel vom Kalb gelten als urdeutsch, auch wenn Wien bekanntlich nicht in Deutschland liegt. Wie so vieles, was „saugut“ schmeckt, ist auch diese Speise eine reingeschmeckte.

Rezept? Braucht man nicht! Aber fragt man einen vom Fach, gibt es doch ein paar Dinge zu beachten. Und die machen den kleinen Unterschied zwischen gut und sehr gut aus. Am besten fragt man einen Wiener, der muss es wissen. Einer, der das weiß, ist der gebürtige Wiener Lukas Edl, 34 Jahre alt. Er übernahm nach einigen hochkarätigen Stationen – JY’s, Le Chambard, La Nouvelle Auberge – vor vier Jahren mit seiner Frau Céline die Weinstube Caveau Morakopf in Niedermorschwihr an der Elsässer Weinstraße. Das Winzerdorf ist durch die Königin der Konfitüren, Christine Ferber, zumindest im Elsass weltbekannt.

Lukas Edl kocht elsässisch und französisch, aber auch österreichisch. Und das kam so: Du kommst doch aus Österreich, sagten die Stammgäste, mach’ doch mal Kaiserschmarrn. Das kannte man ja vom Skiurlaub.

Voraussetzung: frisch

Bald war das Wiener Schnitzel an der Reihe und es gab Wiener Wochen, sogar mit Wein aus Österreich. Beim Schnitzel bleibt Edl ganz auf der Linie der alten Heimat.

Das Schnitzel wird nicht pfannenfertig gekauft, sondern frisch gemacht, das mal vorneweg. Das Fleisch darf nur einen Zentimeter dick sein und ist selbstverständlich vom Kalb. „Nur salzen“, sagt er und streut eine Prise Salz drüber. Aus geschmacklichen und ästhetischen Gründen wird nicht schwarz gepfeffert. Dann: nicht klopfen, auch wenn Gott und die Welt dazu raten. So bekommt man zwar keine Schnitzel, die über den runden Teller hängen, dafür bleiben aber die Fleischfasern heil, schließlich will man ja Fleisch essen und kein Mus. Nach dem Salzen wird mehliert, in Eigelb gewälzt und paniert. Edl macht es vor, drückt das Fleisch wie ein geübter Masseur ins Mehl, wendet es und drückt wieder fest drauf. Das Mehl muss haften bleiben. Im nächsten Schritt wird das Schnitzel in Eigelb gewendet und dann in die Brösel gelegt. Auch hier heißt es, festdrücken.

Warum all diese Mühe? Ein Wiener Schnitzel muss saftig sein und das bleibt es nur, wenn keine Flüssigkeit entweichen kann. Schwimmt das rundum panierte Fleisch dann im heißen Fett, schlägt die Panade Wellen, da sich zwischen Fleisch und Semmelbröseln etwas Feuchtigkeit sammelt, aber nicht entweicht. So soll es sein! Noch ein Wort zu den Bröseln: Die feinen sind die besten, die groben saugen zu viel Fett auf. Für die Brösel nimmt er übrigens altes Brot von Christine Ferber, die auch backt.

Wie fand das Gericht eigentlich seinen Weg in die österreichische Hauptstadt? Es wird vermutet, dass das panierte Schnitzel von Andalusien über Istanbul nach Italien kam. Während der Renaissance war Gold in Mode, und so panierte man Speisen und buk sie goldbraun aus. Oberitalien war lange Zeit österreichisch und der Statthalter, ein gewisser Feldmarschall Joseph Wenzel von Radetzky, schrieb über die Cotoletta alla Milanese in einem strategischen Bericht auf Deutsch: paniertes Kalbskotelett. In der Hauptstadt wurde man neugierig. Bekanntlich sind dicke Koteletts nur was für gute Esser und so panierte man eben nicht ganz so mächtige Kalbsschnitzel. Über den Umweg Prag wurde aus dem eingebröselten Schnitzel das Wiener Schnitzel.

Internationale Karriere

Jetzt war die internationale Karriere nicht mehr aufzuhalten, die jüdische Küche kennt Schnitzel, die Japaner essen es im Brötchen und sogar die Franzosen mögen es, wenn auch nicht ganz so arg wie die Deutschen. „Da sie so dünn sind, müssen sie bei starker Hitze gebraten werden. Häufig werden sie paniert, jedoch ist das keineswegs nötig“, schrieb Paul Bocuse über die „escaplope de veau“. Aber auch Küchenpäpste können irren, bekanntlich geht nichts über Panade.

Als Beilage zum Schnitzel sind nur Kartoffelsalat und Feldsalat stilecht. Laut der Wiener Tradition sind rote Zwiebeln im Salat gern gesehen, da sie nicht so scharf sind, zudem braucht es „gutes steyrisches Kernöl“. So lautet das definitive Rezept von einem, den es in die Fremde zog, aber immer noch Wellen, zumindest beim Schnitzel, um die alte Heimat macht.

Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat

Für 4 Personen

  • Zutaten für die Schnitzel: 800 Gramm Kalbsoberschale, Salz, eine Zitrone, ein Esslöffel Butterschmalz, Mehl, zwei Eier, Semmelbrösel.
  • Zubereitung: Das Kalbfleisch in vier gleich große Schnitzel schneiden, salzen und panieren. Im 170 Grad heißen Butterschmalz auf beiden Seiten goldgelb backen. Mit einer Zitronenscheibe und Preiselbeeren servieren.
  • Zutaten für den Kartoffelsalat: ein Kilogramm speckige Kartoffeln, 45 Milliliter Apfelessig, 60 Gramm rote Zwiebelwürfel, 40 Milliliter Sonnenblumenöl, 100 Milliliter Gemüse oder Hühnerbrühe, ein Teelöffel Senf, Salz, Pfeffer, Kürbiskernöl.
  • Zubereitung: Die Kartoffeln kochen, noch warm schälen, und in die aus den restlichen Zutaten hergestellte Marinade in kleine Scheiben schneiden. Gut vermengen und eine Stunde ruhen lassen. Mit Kernöl und Feldsalat servieren.
  • Dazu trinkt man: Bier oder einen Grüner Veltliner aus der Wachau.

 

Freier Autor Pascal Cames schreibt über Essen & Trinken, Wanderungen/ Freizeit und stellt gerne Menschen im Porträt vor. Der in Offenburg lebende Autor schreibt für MairDumant (Marco Polo Elsass), Rombach (Wanderkino Elsass), Zeitungen (Basler Zeitung, Der Sonntag, Badisches Tagblatt) sowie Agenturen.

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