Grünstadt-Asselheim. Idyllisch und ein wenig verborgen, in der Nähe des Asselheimer Friedhofs mit seiner alten Sandsteinmauer und eingebettet in Weinberge, liegt das Lavendelfeld, das Anne Gaul und ihr Mann Matthias Gaul im Jahr 2014 angelegt haben – ihr erster Versuch, Lavendel in der Pfalz anzubauen. Und auch heute, acht Jahre später, ist es immer ein kleines Experiment, wenn Anne Gaul sich an eine neue Sorte wagt. Auch wenn es mittlerweile eine Handvoll Lavendelarten sind, verteilt auf drei Felder in einer Größe von insgesamt zwei Hektar, um die sich das Ehepaar liebevoll kümmert.
Was für die beiden ein Herzensprojekt ist, ist auch einmalig in ganz Süddeutschland: Anne Gaul und ihr Mann sind die einzigen, die in dieser Größe Lavendel kultivieren. Vergleichbare Projekte gibt es nur in Norddeutschland. Die Pfalz, sagt Anne Gaul, sei eine Region, die sich gut für den Anbau eignet, denn Lavendel mag es heiß und trocken. „Auch in unseren kargen Böden hier im nördlichen Zipfel der Pfälzer Weinstraße fühlt sich die Pflanze wohl.“ Ein größeres Lavendelfeld, das 2019 hinzukam, liegt inmitten von lauter Getreidefeldern gut sichtbar an der Landstraße zwischen Asselheim und Albsheim und zieht daher zur Blütezeit auch viele Besucher an. „Im Sommer sind wir selbst oft da, trinken abends mit Freunden ein Gläschen Wein“, erzählt Anne Gaul.
Etwa Ende Juni beginnt der Lavendel zu blühen. „Man kann richtig zuschauen, wie jeden Tag die Stängel um ein bis zwei Zentimeter wachsen und wie sich die Blüten einfärben. Und sobald das erste Blau erscheint, tummeln sich Schmetterlinge und Hummeln, es summt und brummt überall“, erzählt Anne Gaul. „Und wenn sich dann der Duft entfaltet, der etwas Liebliches, Wohlwollendes hat, vergisst man alles andere.“
Dieser einmalige Duft
Die Leidenschaft für den Lavendel – und auch die Freude am Experimentieren – teilt die gebürtige Französin, die ursprünglich aus dem Elsass stammt, mit ihrem Mann. Der Winzer, der in vierter Generation das Weingut in Asselheim betreibt, hat zum Beispiel aus Tempranillo-Trauben, die normalerweise in Spanien für Rioja verwendet werden, Pfälzer Rotwein gemacht. Beide sind verliebt in Südfrankreich, in die Leichtigkeit der Menschen dort, in das Leben im Einklang mit der Natur – kein Wunder also, dass sie sich ein Stück provenzalisches Flair auch in der pfälzischen Heimat schaffen.
Die erste Ernte holen sie 2015 mit der alten Sichel des Großvaters ein. „Man erntet Lavendel in der Mittagszeit“, erzählt Anne Gaul. „Denn da ist die Essenz am intensivsten.“ Traditionell werden die Blütenstängel abgeschnitten und gebündelt auf dem Feld liegengelassen, wo sie drei bis fünf Tage in der Sonne trocknen dürfen. Bei dieser ersten Ernte legen die Gauls ihren Lavendel zum Trocknen auf einen Anhänger – eine Versicherung gegen den Regen, denn im Zweifel hätten sie die Ernte in die Scheune bringen können. „Aber wir hatten Glück, es ist alles gut gegangen“, erinnert sich Anne Gaul. Und so lassen sie später die Bündel auch stets auf den Feldern trocknen. „Den achtsamen Umgang mit dem Wetter kennen wir ja vom Weinbau“, sagt Anne Gaul. „Und bislang haben wir auch immer einen guten Zeitpunkt für die Ernte gefunden.“
Die Gauls ernten überwiegend mit der Hand, noch immer kommt die alte Sichel zum Einsatz. Inzwischen haben sie sich aber auch eine traditionelle Schneide-Bündel-Maschine aus Frankreich zugelegt, die vom Traktor gezogen über die Staudenreihen fährt, die Blütenstängel abschneidet und zum Bündel schnürt. Eine solche Maschine, sagt Anne Gaul, „ist etwas Besonderes, das man aber nur noch in kleineren französischen Betrieben findet“.
Produkte
Verkauft werden die Lavendel-Produkte im Weingut Matthias Gaul in Grünstadt-Asselheim.
Das naturreine ätherische Lavendelöl ist dort ab 9,50 Euro je Fläschchen (10 ml) erhältlich.
Immer im August ist es dann soweit, dann packen Anne und Matthias Gaul die getrockneten Bündel auf – mittlerweile sind es zwei – Anhänger und bringen ihren Lavendel in die Provence. Dort geht es ans Destillieren. Die Lavendelblüten werden in einen Kessel gegeben, eingeführter Wasserdampf nimmt auf seinem Weg mikroskopisch kleine Tröpfchen Öl auf und wandert weiter in einen Sammelbehälter. Kühlt der Wasserdampf dort wieder ab, wird er flüssig – und das Öl, leichter als Wasser, kann abgeschöpft werden.
Unbeschreiblich schön sei der Duft in der Destillerie, erzählt Anne Gaul, man rieche ihn schon aus der Ferne. „Einmal in der Nase, vergessen Sie den nicht mehr.“ Er bleibe so in einem verankert wie die besten Kindheitserinnerungen, „wie der Geruch, den man als kleines Kind in der Nase hat, wenn Oma ihren Zwetschgenkuchen gebacken hat“.
Aus den Erträgen machen die Gauls ätherische Öle, handgeschöpfte Seife oder Blütensäckchen, bald wollen sie auch Blütenwasser zum Verkauf anbieten. Im Sommer bindet Anne Gaul kleine Sträuße. Und sie töpfert Duftsteine aus regionalem, hellem Ton, der gebrannt noch offenporig genug ist, um ein paar Tropfen Öl aufzunehmen und den Duft in den Raum abzugeben.
Ihre kleine Manufaktur ist im Asselheimer Weingut untergebracht, dort werden die Produkte auch verkauft. Für die Zukunft gibt es viele Ideen für die Vermarktung ihres Lavendels, an denen die Gauls arbeiten. Ein großer Wunsch ist es, selbst eine Destillerie aufzubauen. Vielleicht haben die Gauls den geeigneten Ort dafür schon gefunden: Gegenüber dem größeren Lavendelfeld haben sie eine alte Mühle erworben, die sie gerne wieder zum Leben erwecken möchten.
Falter, Bienen, Hummeln
Auf den Feldern haben sie dies in vielerlei Hinsicht längst geschafft: So hat etwa der Nabu vor Ort dokumentiert, dass sich mehr als 30 verschiedene Arten an Schmetterlingen tummeln. Bläulinge oder Perlmuttfalter suchen den Lavendel zum Nektarsammeln auf, Hummeln und Honigbienen tummeln sich auf den Blüten, am Boden hüpfen Heuschrecken, im Grün des Lavendels verstecken sich Gottesanbeterinnen. „Und wir wollen noch mehr machen für Insekten“, sagt Anne Gaul, „und dafür sorgen, dass sie auch dann noch Nahrung finden, wenn die Lavendelblüte vorüber ist.“ Deswegen haben sie im vergangenen Jahr angrenzend an die Lavendelfelder eine Blühwiese angelegt – noch ein Experiment der Gauls.
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