Mannheim. Ein schicker Rock im Metallic-Look, dazu eine perfekt sitzende Bluse und die passende Handtasche: Wer keine Kleidung von der Stange, sondern echte Stoff-Unikate tragen möchte, schneidert seine Garderobe selbst. Bevor man die Nähmaschine startet, benötigt man neben dem Schnittmuster unter anderem auch den passenden Stoff. Den und vieles andere rund ums Thema Nähen finden passionierte Hobbynäher und Profis im „Delta Fabrics“. In einer ruhigen Seitenstraße in Neckarstadt-Ost gelegen, stechen dem Käufer sofort die überdimensionalen Engelsflügel ins Auge, welche das Schaufenster zieren.
Wer den Laden betritt, wird von einer Fülle an Stoffen begrüßt: einfarbige Stoffballen in sattem Rot, sonnigem Gelb oder Meerblau. Dazu unter anderem Stoffe mit Leoparden-Print, Kussmündern, Blumen und Einhörnern. Rund 1200 verschiedene Stoffe an der Zahl, schätzt Inhaberin Kirstin Kellermann. „Wir haben Webware und Strickstoffe.“ Die meisten davon sind aus Baumwolle, gleichzeitig verkauft sie auch Viskosestoffe, Tencel und Wollstoffe. Bekannt ist „Delta Fabrics“ aber auch für das große und besondere Sortiment an Endlos-Reißverschlüssen.
Label 2015 gegründet
Die gebürtige Berlinerin lebt seit 2010 in Mannheim, wo sie zunächst in einem Unternehmen für Wirtschaftsprüfung arbeitete. Doch sie fühlte sich nicht voll erfüllt. 2015 stellt sie ihr Label namens Kirstin.Delicate auf die Beine. Sie produziert unter anderem Taschen, Turnbeutel und upcycelt Fliesen, aus denen etwa Untersetzer entstehen.
Als sie nach der Geburt ihrer ersten Tochter aus der Elternzeit zurückkommt, spürt sie: „Ich möchte hauptberuflich etwas Kreatives machen.“ Ihr sei aufgefallen, dass es in Mannheim keinen Stoffladen gibt, der moderne Stoffe anbietet, die nach ihrem Geschmack sind. „Gerade hier in die Neckarstadt würde so ein Laden sehr gut passen“, überlegt sie sich. „Im Stadtteil leben viele junge Kreative und Familien.“
Im Rückbildungskurs lernt sie eine Gleichgesinnte kennen. So eröffnen sie gemeinsam ihr Geschäft „Delta Fabrics“ im November 2016. Als diese wegziehen, ergreift Kellermann die Chance und mietet die Räumlichkeiten ganz an. Der Laden ist von Mittwoch bis Samstag geöffnet, perfekt für die beiden Mütter, die damit Familie mit der Arbeit verbinden können.
Als Namen wollten sie nichts Niedliches, so Kellermann. Delta sei einerseits der Beiname der Metropolregion Rhein-Neckar. „Das Delta ist auch ein Dreieck und eine total schöne geometrische Form“, sagt die 38-Jährige. Dazu kommt Fabrics, das englische Wort für Stoff, um international verständlich zu sein. Im Januar 2019 steigt ihre Geschäftspartnerin aus. Seitdem führt sie das Geschäft alleine und launchte Ende 2020 ihren Onlineshop. „Der Onlineshop war lange geplant“, erzählt die 38-Jährige.
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Bestellungen über Social Media entgegengenommen
Eigentlich wollte sie ihn bereits im Frühling 2020 an den Start bringen, doch die Zeit habe gefehlt. „Weil der Laden so gut lief.“ Dann kam auch noch Corona – und damit ein Boom für die Stoffbranche. Sie hat davon profitiert, gerade im ersten Lockdown. „Da waren viele im Homeoffice und haben angefangen zu nähen.“ Viele hätten das Nähen neu für sich entdeckt. Ausschlaggebend war vor allem der Bedarf an Mundschutz-Masken. „Gummibänder und Schrägbänder waren gefragt. Man hat sich fast gefreut, wenn ein Kunde mal etwas anderes wollte, als Material für Masken“, sagt sie und lacht. „Irgendwann kamen die Lieferanten nicht mehr nach.“ Die Regale seien immer leerer geworden. Schließlich funktionierten die Lieferketten wieder. „Etwa ab Mai war der Markt gesättigt, alles hat sich wieder normalisiert.“
Vor Corona hat Kirstin Kellermann in ihren Räumlichkeiten vier bis sechs Nähkurse pro Woche angeboten. Doch im vergangenen Jahr sei das unter den Hygienevorschriften schwierig gewesen. Stattdessen hat die Mutter von zwei Töchtern die sozialen Medien für sich genutzt. Hauptsächlich via Instagram, aber auch auf Facebook sowie per Telefon und E-Mail haben die Kunden während des ersten Lockdown Waren bei ihr bestellt. „Es war eine sehr arbeitsreiche Zeit“, erinnert sie sich.
"Outfit of the Day" auf Instagram
„Der zweite Lockdown war für die Stoffbranche wesentlich härter. Die Nachfrage nach Stoffen für Masken hatte spürbar nachgelassen, da man bereits genügend hatte und mittlerweile auch die Textilindustrie das Thema für sich entdeckt hat und am Markt ein breites Angebot verfügbar war“, sagt sie. Vergangenen November steht der Onlineshop – gerade rechtzeitig vor dem zweiten Lockdown. „Er kam goldrichtig“, sagt Kellermann.
Zudem wagt die Inhaberin, seit sie ihren Laden coronabedingt schließen musste, ein Experiment mit der „Stoffe Show Live“. „Jeden Freitagabend gehen wir auf Instagram live und verkaufen Stoffe und Stoffpakete.“ Entstanden sei das durch Instagram-Storys, die sie regelmäßig gepostet hat, um ihre neuen Stoffe zu präsentieren. Dafür habe sie so viel positives Feedback gekommen, dass sie sich traute, live zu gehen. Kellermann trägt im Live-Chat das „Outfit of the Day“- mal einen Rock, mal eine Bluse oder ein Loungeset, einen stylischen Homewear-Anzug, der perfekt fürs Homeoffice ist.
Live-Talk mit Gästen
Das Outfit wird jeweils von ihrer Mitarbeiterin und Maßschneiderin Cathrin Raasch genäht. Dabei zeigt sie, welcher Stoff, welches Schnittmuster, Garn, welche Knöpfe oder Reißverschlüsse sowie weiteres Zubehör nötig sind, um dieses Outfit selbst zu schneidern. Ein besonderes Goodie ist das Stoffpaket, bei dem der Käufer das komplette Material erhält. Doch die Rundum-Sorglos-Pakete seien limitiert. „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“ Die Interessenten melden sich via Kommentarfunktion. „Jedes Stoffpaket hat eine Nummer.“ Diese werden notiert und im Laufe der Woche richtet die gebürtige Berlinerin mit ihren Angestellten die Bestellungen zusammen, die schließlich versendet oder von den Kunden abgeholt werden. Inzwischen hat „Delta Fabrics“ nicht nur Kunden in Mannheim und Umgebung, sondern auch deutschlandweit. Die Zuschauerzahl wächst kontinuierlich.
Neben der „Stoffe Show live“ hat Kellermann auf Instagram ein weiteres Highlight auf die Beine gestellt. „Alle zwei Wochen gibt es den Insta Live Talk“, sagt sie. Dabei interviewt sie Persönlichkeiten aus der Nähszene. Etwa Schneiderin Inge Szoltysik-Sparrer, die aus der Sendung „Geschickt eingefädelt“ mit Guido Maria Kretschmer bekannt ist. Oder Julia Korff von Lillesol & Pelle. „Das macht so viel Spaß“, sagt Kellermann.
Positiv findet sie an den Instagram-Shows auch, dass der Kontakt zu Kunden bleibt. „Momentan kann man niemanden im Laden treffen.“ Andere dagegen können ohnehin nicht ins Geschäft kommen, da sie zu weit weg wohnen. „Die Krise ist für uns eine große Chance gewesen“, sagt Kellermann. „Ohne Corona hätte ich live niemals Stoffe verkauft. Das hätte ich mich nicht getraut. Aber durch Corona musste ich raus aus meiner „Komfortzone“ und Live gehen und habe dadurch meinen Kundenkreis enorm erweitern können.“
Keine Kurzarbeit dank Social Media
Dank der Reichweite der sozialen Medien hat Kellermann es geschafft, dass sie ohne staatliche Unterstützung auskommt und keine ihrer Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit gehen musste – was sie sehr glücklich macht. Wenn die Corona-Krise irgendwann der Vergangenheit angehört, wird sie ihre „Stoffe Show Live“ wohl nicht mehr so oft machen können, da es sehr zeitaufwendig ist. Den Insta-Talk wird sie auf jeden Fall weiterführen.
Aktuell hält Kellermann die Augen offen nach neuen Räumlichkeiten, um sich zu vergrößern. Eine weitere Herausforderung wird es, wenn sie den Laden wieder öffnen darf und gleichzeitig den Onlineshop bedient. Doch mit ihrer fröhlichen Art dürfte ihr der Spagat gelingen. „Die Nachfrage ist da“, sagt Kellermann. Ihre Kunden schätzten im Laden nicht zuletzt die gute Beratung. „Das ist unsere Stärke.“ Auch neue Projekte stehen schon in den Startlöchern. „Wir haben noch so viele Ideen, die wir umsetzen wollen.“
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