Spurensuche am heiligen Fels

Sie gilt als Wundermittel gegen Hautkrankheiten, Magenbeschwerden, sexuelle Lustlosigkeit: Elefantenhaut. Deshalb werden die Dickhäuter in Myanmar immer wieder gejagt. Besonders der Handel mit China blüht.

Von 
Peter Jaeggi
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Der Weg zum Goldenen Felsen ist kein Zuckerschlecken. Zu einem der wichtigsten buddhistischen Wallfahrtsorte in Myanmar, früher Birma oder Burma genannt, kommt man nur auf unbequemen Eisenbänken auf der Ladefläche eines Lastwagens. Die Hauruckfahrt führt über Haarnadelkurven auf den 1000 Meter hohen Berg bei Kyaikto im Mon-Staat.

Das Heiligtum ist ein runder Fels, der das physikalische Gesetz der Schwerkraft zu missachten scheint. Der Riesenstein, so groß wie ein Einfamilienhaus, ist mit Blattgold bedeckt. Er hängt so über einem Abgrund, dass er jeden Augenblick hinunterzufallen droht. Verhindert wird dies mit zwei Haaren von Buddha. Sie halten den Felsen fest; so will es die Legende.

Doch nicht nur der Wunderfelsen, auf den Gläubige unablässig kleine Goldplättchen kleben, lockt viele Touristen an. Nur Männer übrigens. Frauen haben in Myanmar zu gewissen Bereichen buddhistischer Heiligtümer keinen Zutritt. An dieser spirituellen Stätte beginnt die Suche nach einem besonders grausamen Beweis für Elefanten-Massaker.

Tierisches aus dem Shop

Der Weg führt weiter über halsbrecherisch steile Treppen rund um den Goldenen Felsen. Viele hundert Shops, dicht an dicht, säumen die Stufen. Da liegen religiöse Andenken, Verpflegung, haufenweise traditionelle Medizin. Neben allerlei Hölzern auch Tierprodukte. Hier wird illegal auch getrocknete Elefantenhaut angeboten – im Verborgenen. Der Shop-Besitzer schiebt einen Vorhang zur Seite und holt aus der Dunkelheit etwas, was man lieber nicht sehen würde: kleine quadratische, etwa anderthalb Zentimeter dicke und steinhart getrocknete Elefantenhaut-Teile. 10 000 Kyat pro Quadrat-Inch will er, umgerechnet knapp zehn Dollar für sechseinhalb Quadratzentimeter. Und: „Nein“, sagt er. Auf keinen Fall dürfen Fotos gemacht werden. Der Mann schöpft Verdacht und versteckt das Corpus Delicti schnell wieder hinter dem Vorhang.

Über den Handel mit Elefantenhaut und anderen Wildtierprodukten schrieb die burmesische Zoologin Sapai Min ihre Doktorarbeit. „Heute wird in Myanmar im Schnitt jede Woche ein Elefant wegen seiner Haut gewildert“, sagt sie. Die getrocknete Elefantenhaut werde zu einem Pulver zerrieben und mit Kokosöl vermischt.

Manchmal werde die Haut auch verbrannt und zu Asche verarbeitet. In der traditionellen Medizin vor allem in China werden, so die Zoologin, diese Mischungen gegen Hautkrankheiten und Magenbeschwerden angeboten. Doch auch Armbänder und andere Schmuckstücke entstehen aus der Haut gewilderter Elefanten. Hergestellt werden Elefantenhautprodukte hauptsächlich in China, aber auch in Myanmar und Laos.

Verkauft werde die meiste Elefantenhaut in Myanmar auf den Märkten entlang der Grenze zu China, sagt Sapai Min, die vor Ort verdeckt recherchierte. „Dabei stellte ich zwischen 2015 und 2017 eine Zunahme von 80 Prozent fest. Denn heute ist Haut leichter zu verkaufen als Elfenbein, bei dem es bessere Kontrollen gibt.“

China ist Hauptabnehmer für Elefantenhaut-Produkte. Bekannt sind Verkaufsstellen in den Provinzen Yunnan, Guangdong und Fujian. Ein großer Teil des Handels läuft online über chinesische Plattformen wie Baidu und WeChat. Zusammen erreichen sie täglich mehr als eine Milliarde Nutzer. Skandalös ist die Tatsache, dass chinesische Pharma-Unternehmen Werbung schalten mit Produkten, die Bestandteile von Elefantenhaut enthalten. Dies meldet die englisch-amerikanische Nichtregierungsorganisation „Elephant Family“. Die gleiche Quelle berichtet, dass die staatliche chinesische Forstverwaltung offenbar Lizenzen für diese Produkte vergibt.

Bedarf im Nachbarland

Laut „World Wide Fund For Nature“ (WWF), also dem weltweiten Fonds für Natur, werden in Chinas traditioneller Medizin ungefähr 750 Tierarten verwendet. Die Regierung in Peking setzte 2014 gegen das Artensterben ein Zeichen: Wer gefährdete Tiere isst, muss seither mit bis zu zehn Jahren Gefängnis rechnen.

2015 wurden an der Grenze zu China 1100 Kilo Elefantenhaut beschlagnahmt – bisher ein trauriger Rekord. Christy Williams ist der Landes-Direktor des WWF Myanmar. Ihm macht die Jagd nach Elefantenhaut große Sorgen, denn Wilderer würden auf der Jagd nach Elefantenhaut einfach alles töten, berichtet er: Kälber, Kühe, Tiere jeden Alters. „Deswegen sind heute nicht nur der männliche, Stoßzahn tragende Bullen gefährdet, sondern die gesamte Population. Dazu kommt der rasante Waldverlust. Dieser Generalangriff kann sehr schnell zum Aussterben der Tiere führen.“ Myanmar hat neben Brasilien und Indonesien die weltweit größte Wald-Abholzung, die den Tieren den Lebensraum nimmt.

Als wäre dieser Generalangriff nicht schon genug, berichtet Sapai Min von einer weiteren Anwendung in der Volksmedizin: „Neben der Haut werden auch die schwarzen, dicken Schwanzhaare des Elefanten gehandelt. Aus denen macht man Fingerringe, die Glück bringen sollen. Verkauft zu medizinischen Zwecken werden auch Backenzähne und Füße.“

Htun Htun Wynn, Manager des Elefanten-Resorts Green Hill Valley im Shan-Staat, ergänzt die Horrorliste: „Die äußerst sensible Spitze des Rüssels gilt als fruchtbarkeitsfördernd. Männer essen sie deshalb als Aphrodisiakum.“ Dasselbe gilt für den Elefantenpenis. Und nicht zuletzt, so Htun Htun Wynn, werde auch das Fleisch des übrigen Körpers ein Ziel von Wilderern. „Geräuchert oder getrocknet wird es auch in Myanmar als Busch-Fleisch verkauft. Ein erwachsener Elefant liefert um die 150 Kilo davon.“

Was wird in Myanmar gegen die zunehmende Elefantenwilderei unternommen? WWF-Direktor Christy Williams sagt, man arbeite mit der staatlichen Naturschutzbehörde zusammen. „Zu Händen des Parlaments haben wir ein neues, schärferes Gesetz entworfen. Es sieht für die Wilderei geschützter Tiere bis zu zehn Jahren Gefängnis vor.“

Entlegene Gebiete

„Gegen den Handel mit Elefantenhaut wird kaum etwas unternommen. Einmal, weil es ein neues Phänomen ist und zum anderen, weil sich das illegale Tun im Grenzgebiet zwischen Myanmar und China abspielt. In Konfliktgebieten, über die der Staat keine Kontrolle hat“, sagt Richard Thomas. Er ist Kommunikationschef des Hauptsitzes von „Traffic“ in London. „Traffic“ betreibt im Auftrag der weltweit wichtigsten Nichtregierungsorganisationen, die sich dem Tierschutz verschrieben haben, ein Informationssystem über den Handel mit geschützten Tieren und Pflanzen.

In Myanmar gibt es mehr als 50 bewaffnete ethnische Gruppen. Und so werden letztlich auch wildlebende Tiere zu Opfern der Konflikte zwischen den Menschen.

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