Täglich Kreuzigung

Die Teilung des Roten Meers, das Abendmahl - in einem Bibelpark in Florida können Besucher in Szenen aus dem Alten und Neuen Testament eintauchen. "The Holy Land Experience" ist ein Freizeitpark mit religiösem Anspruch, etwas befremdlicher Atmosphäre u

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Der Kreuzigungshügel Golgatha und Jesu Grabstätte als Besucher-Attraktion: Der Freizeitpark "The Holy Land Experience" macht's möglich.

© Visit Orlando

Lasst die Posaune in Zion erschallen!" ruft ein Parkmitarbeiter im Kostüm eines Hohepriesters auf Hebräisch und pustet in einen Schofar. Der lange Ton aus dem spiralförmigen Kuduhorn, das in der jüdischen Religion zu rituellen Anlässen geblasen wird, hallt über den Parkplatz nahe der Bundesstraße I-4 wie ein Laut aus einer anderen Zeit. Für umgerechnet rund 46 Euro erhalten Besucher Einlass in eine amerikanische Version vom Heiligen Land, den Themenpark "The Holy Land Experience".

Wer durch das nachgebaute Damaskustor tritt, findet sich auf dem alten Marktplatz von Jerusalem zu Jesu Zeiten wieder. Rund um die Stände von Händlern, Handwerkern und Korbflechtern in historischen Gewändern herrscht geschäftiges Treiben. In Gold und Purpur gekleidete Priester gehen zielstrebig ihres Weges, Männer mit langen Bärten und staubigen Sandalen stehen in Gruppen beisammen, Frauen mit Schleiern tragen Obstkörbe; eine füllt am Brunnen ihren Krug. Es ist faszinierend, sich vorzustellen, dass Jesus an einem solchen Ort gelebt und gewirkt hat. Andererseits lässt sich das Gefühl nicht abschütteln, dass jeden Moment eine Figur aus einer Monty-Python-Parodie um die Ecke kommen könnte.

2001 wurde "The Holy Land Experience" als lebendiges Bibelmuseum gegründet, dann aber bald zu einem Freizeitpark umgebaut. Schließlich befindet sich das Gelände in der Themenpark-Hauptstadt der USA, nicht weit von Walt Disney World, SeaWorld und den Universal Studios. Das religiöse Fernsehnetzwerk TBN kaufte den Park 2007, um zu unterhalten und zu missionieren. "Tausende Menschen strömen jedes Jahr nach Disney World, um Mickey Mouse zu sehen", bemerkt ein Mitarbeiter. "Warum sollen sie nicht hierher kommen, um Jesus Christus zu treffen?"

Ein Foto mit Jesus

Tatsächlich können sich die Besucher im "Holy Land" statt mit Maus mit einem Jesus-Darsteller fotografieren lassen. Als authentischer Hintergrund bieten sich der Große Tempel von Jerusalem mit imposanten Goldsäulen an, ein römisches Amphitheater, der Garten Gethsemane, die Höhlen von Qumran oder der Kreuzigungshügel Golgotha. Gleich darunter liegt die Nachbildung der Grabstätte Jesu mit weggerolltem Stein. Drinnen dürfen sich Besucher selbst davon überzeugen, dass die Grabkammer leer ist, und können sich sogar auf die kalte Steinpritsche legen.

Wer von der Wunderwelt des Heiligen Lands verwirrt ist, kann die Osterbotschaft draußen noch einmal nachlesen. Zwischen Restaurantterrasse und See ist eine Hecke kunstvoll in Form des Schriftzugs "He has risen" (Er ist auferstanden) geschnitten. Die zehn Gebote sind in Steintafeln am Boden gemeißelt. Auch ein riesiges Modell der Stadt Jerusalem, Gebetsgärten und der Stall von Bethlehem mit einem mürrischen Plastikwirt neben einem grinsenden Plastikkamel gehören zu den Attraktionen. Herzstück ist das Scriptorum, eine Mischung aus Museum und Bibliothek, das neben wertvollen Schriftrollen, Antiquitäten und Kunstwerken die angeblich größte Bibel-Sammlung der Welt beherbergt.

Trotz historischer Bezüge und Beteuerungen von Authentizität fällt es schwer, das Gelobte Land mitten in Zentralflorida ernst zu nehmen. Viele Exponate aus Sperrholz, Plastik und Gips sind mit so vielen Lichterketten, Glitzer und Goldfarbe überzogen, dass sie naiv, plakativ und billig wirken. Die dünne Pappfigur von Jesus auf der Wasseroberfläche des Parkteichs erinnert eher an einen Bravo-Starschnitt als an ein Wunder. Und wer bei der Durchquerung des Roten Meers an den bemalten Plastikwellen vorbeizieht, fühlt sich wie in einem Cartoon. In den Shops gibt es alles - von Heilöl über Gebetsschals, israelischem Olivenholz und Bibelhüllen bis hin zu Archen aus Plüsch. Die Parkbesucher wandeln auf einem schmalen Grat zwischen Religion und Kommerz.

Blutige Aufführung

Beim Letzen Abendmahl können Besucher, ganz wie im Gemälde von Leonardo da Vinci, mit Jesus und seinen Jüngern am Tisch sitzen und die Kommunion einnehmen. Bei Konzerten und Gottesdiensten im größten Freilufttheater im Park, der Kirche aller Nationen, kommen bisweilen bis zu 2000 Zuschauer zusammen. Höhepunkt ist die Kreuzigungs-Show. "The Promise" heißt das einstündige Bühnenstück über das Leiden Christi, in dem viel Blut fließt und jeder Peitschenhieb und Hammerschlag das Publikum zusammenzucken lässt. Die Oberammergauer Passionsspiele in amerikanischer Kurzfassung, durchaus realistisch und professionell dargestellt. Nur das Finale aus Fernsehpredigt und Gospelchor wirkt auf europäische Gemüter eher befremdlich.

Der Schauspieler Les Cheveldayoff hat viele Jahre die Hauptrolle gespielt. Optisch erinnert er unwillkürlich an Jesus - glatt könnte man vergessen, dass niemand weiß, wie Jesus aussah. Wie alle Mitarbeiter im Park macht er seinen Job aus religiöser Überzeugung. Einen Besuch im "Holy Land" bezeichnet er als Verabredung mit Gott. Dabei wirkt er sympathisch und sogar humorvoll. "Ich bin Tausende Male gekreuzigt worden", sagt er. "Da könnte man leicht abheben. Aber meine Frau holt mich immer wieder auf den Boden zurück und sagt: Du magst zwar im ,Holy Land' Jesus sein, aber hier trägst du den Müll raus!"

Beseelte Besucher

Beim überwiegend christlichen Publikum scheint der Park anzukommen. Viele Besucher wirken regelrecht beseelt. "Ich will so viele Fotos wie möglich machen. So kann ich meinen Freunden zeigen, dass es einen Ort gibt, an dem man sehen kann, wie alles angefangen hat", sagt ein Besucher aus Japan und meint damit nicht etwa Israel.

"Unser Ziel ist, dass der Besuch der ,Holy Land Experience' die Menschen erfrischt und segnet", erläutert Parkmanager Mike Everett. In der Osterzeit ist im "Holy Land" am meisten los. Noch bis 29. April findet daher oben auf dem Kunststeinhügel täglich eine Live-Kreuzigung statt. Die Auferstehung ist dann gleich im Anschluss eine Etage tiefer.

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