Zwischen Freiburg und Colmar liegt im staubigen Niemandsland der elsässischen Prärie Neuf-Brisach, das dank seiner Festung zum UNSECO Weltkulturerbe gehört. Neu-Breisach ist nicht der Rede wert: keine Geranien, null Gemütlichkeit. Aber halt, es gibt einen Grund hinzufahren! Zwei völlig in die Materie vernarrte Menschen haben hier ein Streetart-Museum gegründet. Sie finden, dass Streetart die neue Kunstform ist. C’est extra!, jubeln sie, also etwas Besonderes.
Hinter einer Stahltür
Das Musée Arts Urbains et du Street Art (oder kurz MAUSA) juckt in Neuf-Brisach selbst zwar keinen, ist aber dafür in der Szene in Berlin, Rio oder New York bestens bekannt. In Neuf-Brisach ist Action auf der Wand, hier ist die Location wahrlich cool. Nicht immer müssen es Bunker, Häuser oder Stromkästen sein, auch eine historische Festung verträgt Farbe. Aber nur innen.
Das Museum ist 1200 Quadratmeter groß und befindet sich in einem kleinen Teil der Festung, die zwischen 1698 und 1704 von Prestre de Vauban gebaut wurde. Das Museum liegt hinter einer Stahltür, von wo zwei Gänge zu den Kunsträumen abgehen. In diesen wurden in alter Zeit Uniformen, Stroh oder Nahrung eingelagert. Die Bilder hängen nicht im Sicherheitsabstand zum Betrachter, keine Luftfilter brummen vor sich hin und Knöpfe und andere interaktiven Spielereien gibt es auch nicht. Stattdessen gibt es schmale Rohre für den Abzug (die sind auf dem begehbaren Grasdach zu sehen) und Bauleuchten erhellen die dunklen Gänge. Es ist um die 15 Grad warm, aber die Luft ist gut. Die Substanz ist top, nur bröckelt hier und da der Putz von den Wänden.
Die Künstler haben je einen der Räume bekommen, um sich auszuleben. Die Bilder sind direkt auf die Wand gesprüht oder gemalt, manchmal ziehen sie sich wie ein Strom über die Decken. Manche Künstler sind überall zu finden, so hat einer mit dem schönen Namen Jaune (deutsch gelb) Männchen mit orangenen Westen (also keine Gelbwesten) auf die Wände platziert, sie bauen und bohren, zeigen sich einen Vogel, bekommen aber auch mal ein Bier serviert.
Der aus Colmar gebürtige Jerome Mesnager ist in Frankreich für seine weißen Figuren bekannt, die in der Festung akrobatisch die Wände erobern. Denis Meyers hat Wörter gesammelt und 8000 auf die Wände gemalt, dazu noch Porträts von anderen Künstlern und die Wirtin des Café Canelle, bei der alle Künstler irgendwann mal beim Bier hocken.
So vielfältig Malerei oder auch Objektkunst ist, so vielfältig ist auch die Streetart. Bei dem Brasilianer Crani ist sie politisch. Die im Comicstil gemalten Indios tragen Sneakers, einer zieht einen Bollerwagen mit Baum. Geradezu lustig schaut diese bunte Welt aus, die schon seit Jahrzehnten am Verschwinden ist. Gleich nebenan besprayt eine Katzenfigur den Mond. Chanoir will mit seinen Katzenbildern ausdrücklich kein politischer Künstler sein, aber natürlich könnte man auch hier zwischen den Zeilen lesen. Ein Berliner Streetartist hat gar ein 3D-Bild gesprayt.
Hier ist das Absurde zuhause
Kurios ist in diesem Trakt das Kind mit dem Hammer, dass ein Loch in die Wand geschlagen hat, leider ist jetzt auch der eigene Kopf weg. Das Absurde in der Kunst ist hier genauso zuhause, wie das Zitat. Micky Maus, Sponge Bob und Audrey Hepburn sind wie Pop-Art, und der Festungsbaumeister und „Hausherr“ Vauban wurde von Christian Guemy alias C215 im Stil eines späten Warhol gemalt. Vauban schaut freundlich, ja vielleicht sogar etwas belustigt auf die Besucher, die zu tausenden kommen.
Geht es nach den Machern, wird sich das MAUSA vergrößern und wachsen. Das Fernziel ist, dass sich das Museum in der Festung um die ganze Stadt ziehen wird. Aber auch schon vorher ist das Mysterium der elsässischen Prärie Neuf-Brisach eine Reise wert.
Mausa
Das Streetart-Museum wurde 2018 eröffnet. Adresse: Place de la Porte de Belfort, Neuf-Brisach
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 11 bis 19 Uhr
Eintritt: 10 Euro, ermäßigt 8 Euro
Infos unter https://mausa.fr/
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