Seit drei Jahren geht die Kanadierin Anemone Cerridwen nur noch barfuß. Sie trägt keine Schuhe mehr und bezeichnet sich als das "Anti-Aschenbrödel der Schuhwelt". Schuhe, so sagt sie, hätten ihren unförmigen Füßen nichts als Schmerzen, verkrümmte Zehen, Wunden und Blasen beschert.
Wenn Cerridwen in ihrer Wohnstadt Montreal ohne Schuhwerk unterwegs ist - auch im Schnee -, fühlt sich das zwar nicht immer angenehm an. Vor allem spitze Kiesel und Salz setzen ihren Fußsohlen zu. Aber kalte Füße bekommen deswegen vor allem andere.
"Manche Leute halten mich für verrückt", schreibt sie in einem E-Mail-Interview, "andere spornen mich an, einige offerieren mir Schuhe oder Geld. Manche alarmieren die Polizei." Wer der 48-jährigen arbeitslosen Autorin aber vor allem auf die Füße tritt, sind die Transportbehörden. In Montreal wurde ihr das Busfahren wegen einer ominösen Vorschrift verboten.
Aber Cerridwen kämpft entschlossen darum, auf bloßem Fuß leben zu dürfen. In Vancouver, wo sie vorübergehend wohnte, verwehrte ihr die Stadtbibliothek den Zutritt. Cerridwen zog einen Anwalt zu Hilfe, schrieb Briefe. Ein wohl-meinender Arzt bestätigte, dass das Schuhetragen in Cerridwen Stress auslöse und warb um Verständnis für sie.
Die Fußgängerin setzte sich gegen die Bibliothek durch. In ihrer Heimatstadt Ottawa bleiben ihr indes die öffentlichen Verkehrsmittel verboten. In Montreal wird über ihr Begehren noch gestritten. Anderswo gebe es weniger Probleme, sagt Cerridwen: "Es ist nicht illegal oder unhygienisch, barfuß in Läden oder Restaurants zu gehen."
Abhärtung auf Bergwegen
Cerridwen, die sich als autistisch bezeichnet, härtet ihre empfindlichen Sohlen auf Bergwegen ab. Sie nimmt auch kalte Fußbäder und kann nun bei Minustemperaturen draußen barfuß laufen. Für den Asphalt fand sie Tricks heraus: "An Wintertagen laufe ich auf der Sonnenseite und an Sommertagen im Schatten." Für solche, die es auch ausprobieren wollen, hat sie noch einen Tipp parat: "Im Sommer fühlen sich die gemalten Sicherheitslinien auf den Straßen kühl an."
Zu Hause wäscht sie sich die Füße sofort im Bad, aber so richtig sauber würden sie nie, räumt sie ein. Aber damit kann sie leben. Sie nennt es die "Würde des Risikos".
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