Die Salzburger Wissenschaftlerin Nicole Mirnig beschäftigt sich mit „sozialer Robotik“ – also mit Robotern, die als freundliche Gefährten des Menschen fungieren sollen.
Hallo Frau Mirnig, das Lied „Wir sind die Roboter“ von Kraftwerk ist bestimmt Ihr Lieblingssong, oder?
Nicole Mirnig: In der Tat. Er war sogar die treibende Kraft für meine Faszination für Roboter. Wenn ich das Lied als kleines Mädchen im Radio hörte, habe ich es immer mitgesungen.
Die Vorstellung von Robotern ist wohl am stärksten geprägt von Science-Fiction-Filmen. Fußt der Mythos Roboter auf der Populärkultur des letzten Jahrhunderts?
Mirnig: Ja, zu einem großen Teil. Bis heute ist das Bild von Robotern stark medial beeinflusst. Dadurch besitzen viele Menschen, die zu der Technologie kaum eine Verbindung haben, jedoch sehr starre Vorstellungen von ihr. Sie glauben entweder, dass die Robotertechnologie absolut funktioniert oder überhaupt nicht. Roboter sind immer perfekt gut oder perfekt böse. Da gibt’s den süßen Wall-E, der die ganze Erde aufräumt und demgegenüber steht der Terminator, der die Menschen auslöschen will. Für die realistische Beurteilung des Roboterwesens ist das natürlich ein sehr schwieriger Ausgangspunkt.
Fällt Ihnen ein Film ein, der halbwegs an der Realität dran ist?
Mirnig: Nein. In Wirklichkeit ist das Verhalten von Robotern ein bisschen eckiger als in den Filmen, wo sie meistens menschenähnlich dargestellt werden. Ein Roboter muss nicht unbedingt ein menschliches Antlitz haben, aber es ist uns wichtig, auf den ersten Blick unterscheiden zu können: Ist es ein Mensch oder ein Roboter? Wichtiger als äußere Ähnlichkeiten sind den Leuten jedoch andere Dinge. Laut einer wissenschaftlichen Theorie namens Media Equation ordnen Menschen technologischen Geräten soziale Attribute zu. Oft reicht zur Akzeptanz des Roboters , wenn der sich irgendwie ein bisschen sozial verhält.
Wie meinen Sie das?
Mirnig: Ich hatte mal eine WG-Mitbewohnerin, die überhaupt nicht technikaffin war. Während sie einen Staubsauger benutzte, verwendete ich einen Staubsaugerroboter, den sie überhaupt nicht mochte. Das änderte sich, als ich – ohne große Hintergedanken – zwei Wackelaugen draufklebte und sagte, das sei jetzt übrigens der Herbert. Ein paar Tage später sah ich zufällig, wie sie in der Wohnung stand und zum Gerät sagte: Du Herbert, dahinten hast noch nicht g’saugt! Die aufgeklebten Augen und der Name reichten, dass aus dem technischen Gerät für sie ein sozialer Akteur in der Wohnung geworden war. Diesen Effekt haben wir bei unseren Studien oft festgestellt.
Also möchte sich der Mensch doch gern wiedererkennen, zumindest im Verhalten?
Mirnig: Ja, irgendeine Art von Wiedererkennung scheint ihm wichtig. Das kann auch ein simples Bewegungsmuster sein. Es gibt einen Roboter, der ein faustgroßer Ball ist, der nur rollen, seine Farbe verändern und Sounds abspielen kann. Damit drückt er Emotionen aus, das reicht. In Korea haben sie das bei der Entwicklung eines Therapieroboters für Demenzkranke berücksichtigt. Paro, so sein Name, ist klein und flauschig wie ein Robbenbaby und kann nicht viel mehr, als Geräusche von sich geben. Er ist extra nicht wie ein Hund gestaltet worden, weil die Menschen dieses Tier gut kennen und deshalb viel zu viele Erwartungen mit ihm verbinden. Paro ist eines der wenigen Therapiegeräte, die flächendeckend in Altenheimen eingesetzt werden.
In Finnland werden kleine Roboter in Mini-Schulen entlegener Dörfer als Lernkameraden eingesetzt. Der Robot – als Freund und Helfer wird er schon erwartet?
Mirnig: Gerade in abgeschiedenen Regionen können sie eine echte Hilfe sein. Auch teleoperierende Medizinroboter für Ärzte sind dort sehr nützlich. Die können Ultraschalluntersuchungen bei Herzanfallpatienten vornehmen.
Wird die Roboter-Mensch-Beziehung die Gesellschaft der Zukunft zweifellos determinieren?
Mirnig: Das kann man so generell auch wieder nicht sagen, es kommt wahrscheinlich sehr auf die gesellschaftlichen Bereiche an. Und welche am meisten betroffen sein werden, das ist alles Spekulation.
Die Frage, wer wen beherrscht, spitzt sich zu, je „klüger“ die Technik wird. Warum ist es so wichtig, sie zu klären?
Mirnig: Wenn die Technologie immer schlauer wird, stellt sich die Frage, inwieweit der Mensch es zulassen sollte, dass sie ihn mehr beherrscht als er sie. Mein Standpunkt ist: Ich will, dass der Mensch wieder mehr im Mittelpunkt steht. Das kommt mir manchmal zu kurz.
Der Wirtschaftsethiker Thomas Beschorner behauptet, dass Roboter unser Sozialverhalten verändern werden, sobald sie menschenähnlicher werden. Als Beispiel nennt er Sexroboter, mit denen Menschen etwa eine emotionale Beziehung eingehen.
Mirnig: Sexroboter gibt es ja schon, vor allem in Asien, wobei sich die Frage stellt, ob eine sprechende Puppe schon ein Roboter ist. Natürlich wäre es denkbar, dass zwischenmenschliche Emotionen künftig auf die Technik übertragen würden, was ich für ethisch bedenklich hielte. Ich glaube jedoch, dass sich Dinge auch regulieren, wenn es zu brenzlig wird. Ganz allmählich entwickelt sich eine Gegenbewegung gegen die eigene Entfremdung; Leute versuchen, bewusst weniger Zeit am PC zu verbringen und wieder in die analoge Welt zu gehen. Das lässt mich hoffen, dass der Großteil der Menschen doch merkt, wenn es kritisch wird.
Für die Regelung zwischenmenschlicher Beziehungen gibt es auch juristische Gesetze. Sollten auch welche für die Beziehung zwischen Roboter und Mensch geschaffen werden?
Mirnig: Eher auf der Produktebene wie bei autonomen Fahrzeugen, weil es um Sicherheits- und Haftungsfragen geht. Es ist ja was anderes, ob das Auto oder der Staubsaugerroboter macht, was er will.
Aber wenn ein personalisierter selbstlernender Sexroboter immer mehr menschelt, darf man den dann einfach entsorgen?
Mirnig: Wenn die Roboter in einen so autonomen Zustand geraten, dass sie sich zum Beispiel selber einen Namen geben, was ich mir heute noch nicht vorstellen kann, dann müsste man das vielleicht regeln.
Nicole Mirnig
Nicole Mirnig ist Kommunikationswissenschaftlerin am Center for Human-Computer Interaction (CHCI) der Universität Salzburg.
Die Forscher des CHCI untersuchen das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technologien, um den Weg in eine positive Zukunft zu ebnen. Ein Forschungsbereich ist die soziale Interaktion von Menschen mit Robotern.
Nicole Mirnig hat leitend an einer weltweit beachteten Studie mitgewirkt, die besagt, dass soziale Roboter, die kleine Fehler machen, den Menschen sympathischer sind als perfekte Roboter.
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