In der nächtlichen Spielermetropole in der Wüste Nevadas funkeln und flackern die Leuchtreklamen, tanzen Cowboys aus farbigen Neonröhren, glitzert die von wild blinkenden Lämpchen geformte Stadtsilhouette New Yorks oder der illuminierte, stark geschrumpfte Pariser Eiffelturm. Wie Motten von hell leuchtendem Licht sollen Besucher in die Stadt und in ihre Kasinos und Shows gelockt werden.
Vor 50 Jahren rotierte der hochhackige "Silver Slipper", ein riesiger, silbern schimmernder Damenschuh, langsam auf dem Dach des gleichnamigen Spielkasinos. Rund 30 Jahre später dämmerte die abmontierte Ikone der Spielerstadt auf einem Abstellplatz einem traurigen Ende entgegen. Erst vor wenigen Jahren konnte der dekorative, überdimensionale Tanzschuh als restauriertes Symbol der glitzernden Scheinwelt in der Wüstenmetropole auf dem Mittelstreifen des Las Vegas "Strip" seine Wiederauferstehung feiern.
Ausrangierte Neonröhren
Doch nicht jeder der oft kunstvoll gefertigten Leuchtkonstruktionen ist ein glanzvolles zweites Leben beschieden. Zu schnelllebig ist die Welt des Entertainments, zu rasant ändern sich Trends und Geschmäcker. Auf dem rund eineinhalb Hektar großen "Boneyard" der Neonspezialisten der Young Electric Sign Company (YESCO) sind Hunderte ausrangierte, mit Glühlampen und Neonröhren bestückte Werbeschilder versammelt, die einst Aussicht auf schnelles Geld und Versprechen von Vergnügen ohne Limit vorgaukelten.
Verblichene Logos längst nicht mehr existenter Hotels und ramponierte Leuchtpfeile, die Heiratswillige in eine der vielen Heiratskapellen locken sollten oder ein überdimensionaler Billardspieler mit ausgestellten Jeans sind darunter. Das früher unheimlich blinkende riesige Skelett vom Casinohotel "Treasure Island", ein Leuchtschild mit einer goldenen Öllampe aus dem längst verblichenen "Aladdin", in dem Elvis und Priscilla Presley 1967 heirateten oder der zwölf Meter hohe schwungvolle Schriftzug des "Moulin Rouge" Casinos, in dem 1955 erstmals die Rassentrennung aufgehoben war und in dem schwarze und weiße Besucher gemeinsam am Poker- und Roulette-Tisch ihr Glück versuchen durften, erzählen ganz eigene Geschichten aus der hektischen Spielerstadt.
Gleich gegenüber von diesem "Friedhof der Leuchtreklamen" huldigt seit Oktober dieses Jahres ein Neon Museum der jungen blinkenden und flackernden Geschichte von Las Vegas. Die YESCO ist seit den frühen Tagen der Spielerstadt im Geschäft, hat schon zu Zeiten des "Rat Pack", von Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr. das legendäre "Welcome to Fabulous Las Vegas" Begrüßungsschild entworfen, das noch immer am Las-Vegas-Boulevard gleich außerhalb der Stadt die Besucher willkommen heißt.
Viele Leuchtskulpturen sind zu weltbekannten Klassikern geworden. Etwa die rosafarbenen Flamingos vor dem gleichnamigen Hotel, die Säulen und Skulpturen beim "Cesars Palace" oder der gigantische Sultan vom "The Dunes". Die Herausforderungen für die Designer von Leuchtkonstruktionen sind parallel zur Entwicklung von Las Vegas gewachsen. Wer im gnadenlosen Wettbewerb um die begehrten Dollars in den Taschen der Stadtbesucher nicht auffällt, geht unter.
Tagsüber gilt es im gleißenden Sonnenlicht zu bestehen, nachts sich mit flackernden Lichterketten und animierten LED-Displays von der Konkurrenz abzuheben. So sind klassische Neonröhren oder Glühbirnen fast nur noch im Neon-Museum zu finden. In den Werkstätten von YESCO wurden sie längst von LED-Leuchten und riesigen LCD-Bildschirmen abgelöst.
Allein die 30 Meter hohe Anzeigetafel des "Wynn Casino-Hotel" am Strip besteht aus knapp viereinhalb Millionen LED-Leuchtdioden. Und wer einmal im nördlichen "Downtown" von Las Vegas unter dem vier Straßenblocks langen Himmel der Fremont Street mit Tausenden glitzernden Leuchten entlanggeschlendert ist, der kann sich vorstellen, dass in dieser Stadt allein die Reparatur und das Auswechseln defekter Lampen mehr als ein 24-Stunden-Job ist.
Dass man auch mitten in der Nacht im künstlichen Licht auf der Fremont Street mühelos Zeitung lesen kann, ist dabei eigentlich keine Überraschung. Doch auch wer die Wüstenlandschaften von Nevada viele Meilen von der Spielerstadt entfernt durchquert, kann den hellen Schein von Las Vegas mit seinem surreal im Rausch von vielen Millionen Lampen funkelnden Strip mühelos am Horizont ausmachen.
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