In weitem Bogen schwebt der Passagierjet aus Las Vegas auf die Landebahn des International Airport von Tucson zu. Bis zu 2800 Meter hohe Bergketten rahmen die Hochebene ein, auf der sich die Stadt ausbreitet. Gleich im Westen und Osten klettern Tausende stachliger Saguaro-Kakteen über hügelige Landschaften.
Einige Meilen im Nordwesten taucht ein weiteres Flugfeld auf. Boeing 757, DC-10 und Dutzende anderer Jets stehen dicht an dicht auf betoniertem Untergrund oder auf dem knochentrockenen Wüstensand, der so fest ist, dass die Reifen der schweren Maschinen nicht einsinken.
Ausrangierte Passagier-Jumbos
Ein gigantischer Parkplatz für über 200 Passagier- und Frachtmaschinen. Viele Jets der von Delta geschluckten Northwest Airlines, aber auch Jumbos der armenischen Blue Sky Airlines oder der niederländischen Martinair, warten hier auf bessere Zeiten. Bei anderen Maschinen sind die Firmenlogos übermalt - es gibt eben Orte, an denen Werbung positiver wirkt.
Die Düsentriebwerke sind mit Planen verklebt, bei vielen Flugzeugen schützen Folien und Klebestreifen auch die Fenster vor Hitze und Flugsand. Einige Jets werden alle zwei Wochen bewegt, bei anderen sind die Fahrwerke mit Aluminiumfolie verhüllt.
Früherer CIA-Flugplatz
Marana Aerospace Solutions heißt die Firma, die wiederum auf dem Gelände eines CIA-Flugplatzes aus der Zeit des Vietnam-Kriegs ausgemusterte oder zwischengelagerte Flugzeuge im trockenen Wüstenklima von Südarizona wartet, wieder für den Flugbetrieb vorbereitet oder ausschlachtet und die Teile nach behördlicher Prüfung an Interessenten verkauft. Aluminium, Kupfer und andere Buntmetalle der von einer hydraulischen Riesenkneifzange zerschredderten Flugzeugrümpfe warten aufs Recycling.
Obgleich das Parken und die Wartung von Flugzeugen bei Marana ihren Preis haben, ist es für Flug- oder Leasinggesellschaften deutlich günstiger, hier ihre Überkapazitäten vorübergehend stillzulegen, statt teure Stellplätze an ihren Heimatflughäfen in dazu unpassenderem Klima zu belegen.
Reihenweise Militär-Jets
Schauplatzwechsel und Landung am südlichen Stadtrand von Tucson auf dem überschaubaren Verkehrsflughafen. Nicht weit entfernt starten gerade zwei Kampfjets der US-Luftwaffe auf der langen Startbahn der Davis Monthan Air Force Base. Unmittelbar dahinter bietet sich eine weitere unwirkliche Szenerie mit Hunderten von Abfangjägern, Bombern, Transportflugzeugen, Kampfhubschraubern und anderen Militärmaschinen in endlos scheinenden Reihen.
Wer rechtzeitig gebucht hat, kann mit anderen Besuchern eine Bustour über das Gelände des "309th Aerospace Maintenance and Regeneration Center", kurz AMARG, der US-Luftwaffe unternehmen. Über 4000 Flugzeuge, so erzählt der Guide, ein pensionierter Pilot, sind hier im Süden von Tucson abgestellt, darunter Veteranen aus dem Vietnam-Krieg, Maschinen, die in beiden Irak-Kriegen und in Afghanistan im Einsatz waren. Auch sie können Im trockenheißen Klima von Süd-Arizona einige Jahre konserviert und bei Bedarf reaktiviert werden. Ein Fünftel von ihnen, so der Reiseführer, hat eine Chance, einmal wieder zum Fliegen zu kommen. Andere dienen als Ersatzteillager. Rund 15 000 Teile aus ausgeschlachteten Maschinen werden jedes Jahr von den US-Streitkräften für Reparaturen angefordert.
Während der Tourbus wie bei einer Parade an immer weiteren Reihen von militärischem Fluggerät entlang fährt, verdichtet sich der bedrohliche Eindruck einer gewaltigen Militärmacht zu der Frage, wofür diese ungeheure Ansammlung von Vernichtungspotenzial eigentlich existiert und wer dafür bezahlt hat?
Museum für Bomber
Im benachbarten Pima Air & Space Museum sind in mehreren Hangars und auf dem weitläufigen Freigelände 300 Flieger ausgestellt. Eine Kollektion unheimlich wirkender riesiger B-52-Bomber ist darunter, verschiedene russische MIG-Düsenjäger sind dort ebenso, ein Starfighter der Bundeswehr, abenteuerlich bemalte US-amerikanische "Flying Fortress"-Bomber aus dem Zweiten Weltkrieg, Aufklärungsdrohnen, aber auch die "Air Force One", mit der der in Dallas erschossene US-Präsident J.F. Kennedy nach Washington ausgeflogen wurde.
In einem Hangar laufen Clips aus Filmen, die zu Zeiten des Kalten Kriegs gedreht wurden. Der Ritt von Peter Sellers auf einer Atombombe in der Weltkriegsgroteske "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" des Regisseurs Stanley Kubrick zeigt zumindest, dass auch bei der massiven Präsenz von militärischem Fluggerät die Selbstironie nicht abhandengekommen ist.
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