Ein Haarschnitt als Souvenir

Bereist Werner Höfchen ein Land, geht er stets auch immer zum Friseur. So sammelt der Weltenbummler nicht nur die originellsten Erlebnisse, sondern ist auch zu einem Experten in Sachen Haarkultur geworden.

Von 
Gunnar Leue
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Dieser hübsche, kleine Salon im französischen Lyon hat dem Friseurweltreisenden aus Beelitz, Werner Höfchen, besonders gefallen. © Privat

Werner Höfchen aus Beelitz südwestlich von Berlin reist mit seiner Frau seit Jahren um die Welt – und lässt sich dabei stets die Haare schneiden. Ein Gespräch über einen anspruchsvollen Beruf und jede Menge Kulturunterschiede.

Herr Höfchen, normalerweise bringen Reisende aus anderen Ländern Souvenirs mit nach Hause, Sie dagegen einen frischen Haarschnitt. Aus wie vielen Ländern bisher?

Werner Höfchen: Ich war bei rund 50 Friseuren in fast ebenso vielen Ländern – von Kuba über Japan und Südafrika bis Island und Kanada. Die Sache hatte sich in den 1990er Jahren durch meine Arbeit einfach ergeben. Damals war ich als Kraftwerksingenieur in aller Welt tätig, oft mehrere Monate lang. In der Zeit musste ich natürlich immer auch mal zum Friseur, in Italien, in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Irgendwann ist daraus quasi ein Hobby geworden, ein richtiger Spleen.

Waren Sie schon immer fasziniert vom Haarschneiderberuf, der ja durchaus einen gewissen Mythos besitzt?

Höfchen: Das mit dem Mythos stimmt. Der Friseurladen als Ort, wo Neuigkeiten verbreitet werden und viel getratscht wird. Ich kann mich auch gut an eine Kolumne in der DDR-Satire-Zeitschrift „Eulenspiegel“ erinnern, in der sich „Frisör Wilhelm Kleinekorte“ in fiktiven Frisörgeschichten über alle möglichen Dinge ausließ und auch tagespolitische Themen durch den Kakao zog. Dass mich der Beruf als Jugendlicher besonders fasziniert hätte, würde ich allerdings nicht behaupten. Ich weiß nur, dass ich mir damals immer von jungen Friseurinnen die Haare schneiden lassen wollte. Bei denen war ich sicher, dass nicht zu viel runterkäme, weil sie genauso schnitten wie bei ihrem eigenen Freund. Heute bin ich froh, wenn der Friseur 80 ist, denn in dem Alter hat er am meisten zu erzählen.

Wie finden Sie solche originellen Frisierstuben?

Höfchen: Manchmal erkundigen wir uns bei unserer Reiseleiterin, wohin ihr Mann zum Haareschneiden geht. Oft fragen wir einfach die Leute auf der Straße, wenn wir durch die Städte laufen. In Moskau fielen mir sogar noch ein paar Vokabeln aus dem Russischunterricht früher ein. Gdje nachodizija parikmacher? Wo befindet sich ein Friseur? Wir fanden ihn dann auf einem Hinterhof in einem Keller. Die Inhaberin war etwas erstaunt, warum ich ausgerechnet bei ihr einen Haarschnitt wollte, aber wir haben es ihr irgendwie erklärt: Ich lasse schneiden, meine Frau fotografiert es, und zu Hause kommt es in ein Fotobuch. Außerdem schreibe ich die Geschichten dazu auf.

Da dürften einige spezielle Erlebnisse zu Papier gekommen sein.

Höfchen: Auf jeden Fall. Vor kurzem waren wir zum Beispiel auf den Seychellen in einem Classic Barber Shop. Der beeindruckte nicht nur durch laute Reggaemusik, sondern auch durch knallharte Verhaltensregeln für die Kundschaft: Berühren Sie nichts, was ihnen nicht gehört! Kein Herumhängen! Sei nicht ungeduldig! Keine Kopfhörer tragen auf dem Frisierstuhl! Begleitung bitte draußen warten, außer Eltern von Kindern! Also war meine Frau meine Mami (lacht).

Gab es auch richtig unangenehme Erlebnisse?

Höfchen: Na ja, in der Dominikanischen Republik war ich einmal sauer über ein sehr spezielles Geschäftsmodell. Auf die Frage, was die Frisur kostet, hieß es fünf Dollar. Nachdem mir eine Kopfseite geschnitten wurde, war plötzlich Schluss. Nun sollte ich nochmal fünf Dollar zahlen, damit auch die zweite Hälfte drankäme. Am Ende haben wir uns auf 7,50 Dollar geeinigt.

Wo ist die Frisierkultur nach Ihrer Meinung am meisten ausgeprägt?

Höfchen: Schwer zu sagen. Sehr aufwendig betrieben wird das Frisieren auf jeden Fall in der Türkei. In Istanbul waren gleich drei Mann knapp zwei Stunden mit mir beschäftigt: Einer hat gewaschen, einer geschnitten, der Dritte kümmerte sich darum, mir die Haare im Gesicht zu entfernen. Dazu trug er mir eine gummiähnliche Gesichtsmaske auf, die beim Abreißen ordentlich ziepte. Was ich auch noch nicht kannte: Ein in Alkohol getränkter, angezündeter Watteball wurde wie eine Art Minifackel verwendet, um die Ohrhaare zu beseitigen. Als ich Jahre später bei einem Friseur in Schottland saß und der dasselbe tat, wusste ich: Das muss ein Türke sein. Und in der Tat hatte der Schotte türkische Wurzeln.

Haben Sie durch ihre Erlebnisse als welterfahrener Friseurkunde einen neuen Blick auf das Handwerk bekommen?

Höfchen: Ich gehe richtig gern zum Haareschneiden, lieber als früher, und ich empfinde es als ein anspruchsvolles Handwerk, das nicht jeder beherrscht. Außerdem habe ich in den Ländern gravierende Unterschiede erlebt. So wurde ich in Japan zweimal gewaschen, weil die abgeschnittenen kleinen Haare noch mal rausgespült werden sollten. Interessant finde ich auch die Preisunterschiede. Ich lasse mich ja immer überraschen, frage nicht mehr wie zu Anfang nach dem Preis. Beim Trockenschneiden reicht die Spanne von 3,50 Euro in Mexiko bis 45 Euro in Island.

Fiel Ihnen noch etwas auf, das anders ist als in Deutschland?

Höfchen: Hm. In einem Friseurladen in Trinidad standen auch gleich Couch, Fernseher und eine Koje zum Schlafen. Er war sozusagen das Zuhause des Besitzers. Überrascht war ich auch in London, dass ich sogar dort an einem Sonntagmorgen um zehn Uhr in einem edlen Salon meine Haare schneiden lassen konnte. Und was ich in anderen Ländern eigentlich nie gesehen habe, sind diese typischen Friseur-Zeitschriften für die Kunden, diese Yellopress-Hefte. In Österreich war ich mal bei einem Herrenfriseur, da lag für die Kundschaft der „Playboy“ aus.

Haben Sie den in Deutschland beliebten Trend zur Doppeldeutigkeit im Namen von Frisiergeschäften?

Höfchen: Das ist in der Welt nicht so ausgeprägt wie bei uns. In englischsprachigen Ländern heißen die Läden oft schlicht Hair Salon oder Barber Shop.

Sicher gibt es auch in Deutschland viele originelle Frisiersalons. Die interessieren Sie gar nicht?

Höfchen: Oh doch, kürzlich hat mich ein Fernsehteam für einen Bericht mit dem Berliner Friseur Frank Schäfer zusammengebracht. Ich habe mich in seinem Laden wohl gefühlt und festgestellt, dass hiesige Friseure auch interessante Geschichten zu erzählen haben. Außerdem kann ich mich mit ihnen viel besser auf deutsch unterhalten.

Wie viele Friseurgeschäfte gibt es in Ihrer Heimstadt Beelitz?

Höfchen: Fünf. Eins betreibt sogar eine Friseur-Weltmeisterin, die Jana Eichler. Zu ihr werde ich auch noch hingehen und mir die Haare schneiden lassen. Das soll dann der Abschluss unseres zweiten Fotobuchs werden.

Zur Person

Der Rentner Werner Höfchen aus Beelitz, der von 1970 bis 1974 Automatisierungstechnik studierte, ist schon in seinem Berufsleben als Kraftwerksingenieur viel in der Welt herumgekommen.

In den Ländern, wo er oft etliche Wochen tätig war, hat er sich immer auch die Haare schneiden lassen. Daraus ist ein Hobby geworden, das er auch auf seinen Urlaubsreisen beibehalten hat und bei dem seine Frau Marion stets die Kamera zückt.

Den Heiratsantrag hatte ihr Werner Höfchen auch in einem Friseursalon gemacht – auf Teneriffa. gl

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