Den eigenen Kopf und den der Mitmenschen verstehen. Das ist die Mission von Timon Krause. Im Interview verrät er, was Philosophie und Magie miteinander verbindet, wie man Menschen liest und Lügen erkennt.
Herr Krause, Sie schreiben gerade an ihrem dritten Buch, geben Magie-Shows und studieren Philosophie. Ist das Ihr eigener Mentalitätstest?
Timon Krause: Mein engstes Umfeld warnt mich davor, dass ich diese Belastung auf Dauer nicht stemmen kann. Vielleicht liegt es daran, dass ich erst 24 Jahre alt bin? Tatsächlich glaube ich, es liegt eher an Routinen. In meinem Buch beschreibe ich, wie man sich gute Dinge und Automatismen angewöhnt und verinnerlicht. Der Clou dabei ist, sich selbst so zu konditionieren, sich nicht mehr überwinden zu müssen, um bestimmte Dinge zu erledigen, sondern sie automatisch in den Tagesablauf zu integrieren. Dazu gehört für mich, dass ich morgens aufstehe und schreibe, nach dem Schreiben meine E-Mails abarbeite und dafür sorge, dass organisatorisch alles läuft. Danach treibe ich Sport und abends stehe ich auf der Bühne.
Sie bezeichnen sich als professionellen Gedankenleser und Mentalisten. Was verstehen Sie darunter?
Krause: Ein Gedankenleser oder Mentalist ist nach meiner Definition jemand, der den eigenen Geist und den Geist der Menschen um sich herum versteht. Er beherrscht es, andere Personen analysieren und beeinflussen zu können.
In ihrem Buch „Ich bin Mentalist!“ versprechen Sie geheime Tricks, um Menschen beeinflussen zu können. Wo ist die Grenze zur Manipulation?
Krause: Der Begriff der Manipulation hat einen bösen Beiklang. Aber ich glaube schon, dass ein guter Mentalist auch ein guter Manipulator sein kann. Manipulation bedeutet per se nichts anderes, als einen Menschen dazu zu bewegen, etwas Bestimmtes zu tun oder den intendierten Zielen zu folgen. Geht es bei der Manipulation um egoistische Ziele? Möchte ich Menschen zu etwas bewegen, was ihnen schadet? Oder versuche ich, effizient zu kommunizieren und eine Win-Win-Situation zu erzielen? Wenn beide Seiten von der Situation profitieren, halte ich es für ethisch vertretbar, eine andere Person zu manipulieren.
Welche Alltagsbeispiele gibt es dafür, Menschen zu lesen, zu erkennen, wenn sie lügen und das Gegenüber zu beeinflussen?
Krause: Kürzlich habe ich mit einem holländischen TV-Produzenten verhandelt, mit dem ich hoffentlich in nächster Zeit etwas gemeinsam realisieren werde. Wir haben uns über das Budget unterhalten. Er meinte, für dieses Jahr sei das Budget schon aufgebraucht und wollte damit nur den Preis für die geplante Serie nach unten treiben. Mir war das sofort bewusst, dass das mit den leeren Kassen eine Notlüge war. Deshalb habe ich noch einmal nachgehakt und wir sind so verblieben, dass wir ein schöneres Projekt mit einem höheren Budget im neuen Jahr realisieren können.
Wie versuchen Menschen, andere zu manipulieren?
Krause: Es gibt unzählige Variationsmöglichkeiten. Der Manipulationsdruck ist in Berufen, in denen man mit Klienten oder Partnern verhandelt, extrem hoch. Mit Techniken lässt sich der Vertragspartner sanft dahin führen, wo man ihn haben will. Das lässt sich dadurch erreichen, dass das Gegenüber das Gefühl hat, freiwillig im intendierten Sinne zu handeln und eine fremde Idee zu seiner eigenen macht.
Ihr Buch „Du bist Mentalist!“ ist ein 24-Stunden-Programm, um sich die besten Techniken der Mentalisten anzueignen. Was genau lernt der Leser?
Krause: Ich mache das Angebot, in 24 Lehrstunden einen Einstieg in das Feld des Mentalismus im Alltag zu schaffen. Dabei geht es um die Kommunikation im Alltag. Der zweite Teil des Projekts ist das Erkennen von Lügen. Es geht darum, jede Abweichung eines Menschen von seiner Baseline identifizieren zu können. Wann weicht jemand von seinem normalen Verhalten ab? Dabei hat die Entwicklung der Intuition eine große Bedeutung, damit die Analyse des Gegenübers unterbewusst erfolgen kann. Der dritte Bereich umfasst die Beeinflussung von Menschen. Wie plant man seine Rede, damit man wirklich effektiv kommuniziert? Welche Sprachstrukturen können das Gegenüber zu einer bestimmten Reaktion aktivieren? Der letzte Part basiert schließlich auf den zuvor gelernten Prinzipien und widmet sich der Mindpower, also der Kraft, den eigenen Geist zu beherrschen. Schlechte Angewohnheiten sollte man sich abgewöhnen, positive Aspekte hinzufügen.
Sie geben Seminare, halten Vorträge, coachen Führungskräfte. Wer waren Ihre spannendsten Kunden?
Krause: Ich erinnere mich an eine hochstehende, niederländische Führungskraft von Google. Er hat sich auf die neue Managementposition vorbereitet und ich habe ihm ein 360-Grad-Coaching gegeben. Beginnend vom Lesen der Mitarbeiter über das Erkennen von Lügen bis hin zur Beeinflussung seiner Mitarbeiter, damit sie so agieren, wie er sich das vorstellt. Ein weiteres spannendes Beispiel: Früher habe ich für Menschen, die eine großflächige Tätowierung planten „Tattoo Talks“ angeboten. Wenn jemand Angst vor den Schmerzen hatte, habe ich mit einer Hypnose geholfen, die Situation zu entspannen. Der Tätowierer konnte dadurch einfacher arbeiten. Ein markanter Fall war ein Kettenraucher, der extrem viel blutete und sehr schmerzempfindlich war und ausgerechnet ein Herz auf die Brust tätowiert bekommen wollte. Die Arbeit war für sechs Stunden angesetzt, aber wir waren dank der Hypnose schon nach 2 ½ Stunden fertig. Der Mann hatte keine Zigarette geraucht, keinen Schmerz empfunden und fast nicht geblutet. Das zeigt, wie effektiv und nützlich Hypnose sein kann.
Profitieren Sie privat und beruflich von Ihren mentalistischen Kenntnissen?
Krause: Sowohl im Beruf, als auch privat ist die Antwort dieselbe: Ein besseres Einfühlungsvermögen in eine andere Person bedeutet, dass du nicht mehr fragen musst, wie sich die andere Person gerade fühlt, sondern es weißt. Dabei geht es nicht um Telepathie. Aber man kann die Stimmung der anderen Person abschätzen. Wie fühlt sie sich und warum fühlt sie sich so? Diesen Zustand bewusst analysieren zu können, ist schon ein immenser Vorteil in der Kommunikation. Man merkt, ob sich der andere freut, einen zu sehen oder gerade lieber seine Ruhe will. Dazu gehört auch eine Mikroexplosion von Ekel auf dem Gesicht zu erkennen, wenn etwas nicht stimmt. Oder man erkennt ein Gefühl von Trauer bei einer geschätzten Person und kann sensibel nachfragen, was passiert ist.
zur Person
Timon Krause wurde 1994 in Moers in Nordrhein-Westfalen geboren und wuchs in Anholt an der holländischen Grenze auf.
Er studiert Philosophie, aber Magie ist die Passion seines Lebens. Als Autodidakt eignete er sich viele seiner Fähigkeiten als Gedankenleser und Mentalist selbst an. 2016 wurde er mit 22 Jahren als „Best European Mentalist“ ausgezeichnet. Die niederländische Fernsehshow „MindMasters Live“ wurde 2016 wegen schwacher Quoten nach nur zwei Folgen abgesetzt.
Krause veranstaltet Seminare und bietet Coachings an, in den Niederlanden ist er gerade mit seiner Magie-Show „Mindgames“ auf Tour. Mit „Du bist Mentalist! Wer Gedanken liest, ist klar im Vorteil“ ist 2018 sein erstes deutschsprachiges Buch im Campus-Verlag erschienen.
Info: Mehr zu Timon Krause: www.timonkrause.com
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/leben/erleben_artikel,-lifestyle-der-gedankenleser-_arid,1378812.html