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So will Pretix aus Heidelberg das Ticketing von Morgen verändern

Von 
Markus Mertens
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Die Heidelberger Literaturtage arbeiten mit dem Ticketsystem von Pretix. © Annemone Taake / Stadt Heidelberg

Heidelberg. 2014 war es nicht mehr und nicht weniger als eine wilde Idee – sieben Jahre später artikuliert Raphael Michel den Anspruch: „Ich will mit Pretix das Ticketing von Morgen nachhaltig verändern.“ Und hat für sein Vorhaben noch nicht einmal schlechte Karten.

Denn den Gedanken, dass sich an Lösungen für Eintritt und Ticketerwerb von Veranstaltungen etwas ändern sollte, hat der gebürtige Mannheimer schon früh: „Ich habe immer wieder festgestellt, dass Veranstalter, die sich nicht komplett auf Events spezialisiert haben, wahnsinnig viel Gestaltungsraum aus den Händen geben.“ Am prägendsten erscheint Michel dieser Verlust in der Weiterbildungs- und Seminarbranche. „Unternehmen, Coaches und Akademien haben Buchungslösungen auf gigantische Plattformen wie Reservix und Eventim ausgelagert, für die sie wahnsinnig hohe Gebühren zahlten und gleichzeitig zu einem winzigen Licht im Meer der Angebote wurden.“

Michels Idee war, genau dort gegenzusteuern. „Ich wollte diesen Prozess wieder zu meinen Kunden ins Haus holen“, sagt sich der junge Gründer damals – und macht sich an die Arbeit. Mit seiner Software-Schmiede ramio.io und den selbst angeeigneten Programmierkenntnissen, baut Michel an einer Lösung, die jedem Kunden individuelle Einstellungen ermöglicht, maximale Intuition erlaubt und gleichzeitig die Kontrolle über Inhalte und Form komplett beim Ersteller der Veranstaltung belässt.

Hat mit seiner Ticketing-Plattform Pretix ein neues Forum für Eintrittskartenlösungen deutschlandweit geschaffen - der Gründer Raphael Michel. © Pretix

Ein ganz subtiles Eigenmarketing, das sich in den Folgejahren langsam aber sicher renommierte Kunden sichert. Das bekannte Szene-Portal animexx sichert sich in der Folgezeit ebenso die Dienste von Pretix wie mehrere TEDx-Formate und selbst die Gründer von netzpolitik.org gehören zu den Kunden aus Michels Haus, das seit dem Ausbruch des Coronavirus massiv von einem Phänomen profitierten, das der Gründer als „Zwangsdigitalisierung“ beschreibt.

Denn ob Testzentren, Impfstandorte oder Schwimmbäder: All diese Örtlichkeiten brauchten schnelle, einfache Systeme, mit denen Termine vergeben, Zeitfenster berechnet, Kapazitäten ermessen und Personal geplant werden konnten. All dies skalierbare Faktoren, die Michel über Jahre hinweg mit seinen Kollegen längst in seine Software integriert hatte. Und so erreichten den Geschäftsführer in Pandemie-Zeiten plötzlich Interessenten, die sonst vielleicht nie auf ihn aufmerksam geworden wären. So zählen seit Monaten mehr als 80 Schwimmbäder, zahllose Kulturspielstätten und selbst verschiedene Stadtbüchereien zu den Kunden, die mit Michels Lösungen im eigenen Haus für maximale Nachvollziehbarkeit sorgen, um die Publikumsangebote selbst während anhaltender Pandemie möglichst strukturiert offen halten zu können.

„Natürlich ist unser Ziel, diesen Schub zu nutzen und durch die Corona-Zeit auch Menschen und Unternehmen auf Dauer von uns und unseren Lösungen überzeugen zu können“, wie Raphael Michel im Gespräch mit dieser Redaktion klarstellt, aber auch klare Konzepte hat, um die Entwicklung des eigenen Unternehmens zu gestalten. Denn einerseits hat sich der Gründer personell verstärkt und arbeitet mittlerweile mit vier Entwicklern und insgesamt elf Angestellten an den monatlichen Updates, die seine Software immer wieder braucht. Andererseits hat sich Michel ganz bewusst nie von großen Investoren abhängig gemacht, die ein inhaltlich oder finanziell überzogenes Wachstum von ihm verlangt hätten. Klare Ziele, um seine Lösungen auch perspektivisch noch zu optimieren, hat der entschlossene Gründer ohnehin und aus eigenem Antrieb. Denn ob Informationen über die Verschiebungen von Veranstaltungen künftig vollautomatisch an alle Ticketkunden versandt werden sollen, Mindestabstände bei Sitzplänen voll in die Software integrierbar sind, oder für Unternehmen sogar eine Planung für Veranstaltungspersonal angelegt werden können soll: Am Ende ist der Programmierer mit seinem Latein noch längst nicht.

Das gilt auch für die Region. Denn auch, wenn der Sohn des ehemaligen Landeskantors in Nordbaden schon so manches Konzert der Christuskirche mit seinem eigenen System unterstützt hat: Die Kunden aus Mannheim und der Region hielten sich bei Pretix zunächst noch relativ bedeckt. Erst in den zurückliegenden Monaten seien mit den Heidelberger Literaturtagen und dem Mannheimer Kulturtragfestival die ersten größeren Kunden auf ihn zugekommen. Doch auch im Rhein-Neckar-Delta dürfte für Michel wohl das Credo gelten, das ihn mit seinem Unternehmen und der Plattform bereits durch die zurückliegenden sieben Jahre getragen hat: Geduld zahlt sich aus. Vor allem dann, wenn das Angebot stimmt.

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