Performance

Premiere von „Gaia Global Circus“ im Felina-Areal in Mannheim

Das Theater Felina-Areal in Mannheim bringt mit Rainer Eschers Inszenierung eine Mischung aus Kabarett und Hellsicht auf die Bühne - ein 60-minütiger Diskurs durch die Abgründe und Höhepunkte unseres planetaren Schicksals

Von 
Martin Vögele
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Monika-Margret Steger (v. l.), Hedwig Franke und Maike Wehmeier. © Kleiner

Vor zehn Jahren wurde das theatrale Projekt „Gaia Global Circus“, Bruno Latours „Tragikomödie über das Klima und den Erdball“, in Toulouse uraufgeführt. Ein Umstand, der bei der Premiere der Mannheimer Adaption des Stücks durch Regisseur Rainer Escher am Theater Felina-Areal ein gefühltes temporales Paradox erzeugt.

Denn einerseits ist es, als wäre die Zeit seitdem stehen geblieben: Die Diskurse und Erkenntnisse über die drohende Klimakatastrophe, mit denen uns der vor einem Jahr verstorbene französische Soziologe und Philosoph konfrontiert, sind praktisch dieselben geblieben. Zugleich scheint die verbliebene Zeit, um vielleicht doch noch gegenzusteuern, mit überproportionaler Geschwindigkeit verronnen zu sein.

Prophetisch anmutend

Mithin erleben wir bei der Aufführung retrospektiv prophetisch anmutende Momente, etwa wenn das Gefahren-präventive „Vorsorgeprinzip“ (verkörpert von Schauspielerin Monika-Margret Steger, einen Narrenstab in der Hand) sich gegen das „Risikoprinzip“ (auch „Nachsorgeprinzip“ genannt) positioniert – mit der Zweifelsfall-Konsequenz: „Wir machen nichts.“

Apropos prophetisch: Auf Grundlage von Latours Text bittet Escher eine illustre Riege von Wortführern und Konfliktparteien zum Disput in die Theatermanege, darunter Noah (Markus Maier, unter Hut und Lederweste), der am Rand eines in der Raummitte installierten Baugerüsts (Bühne: Holger Endres) sorgenvoll sein werdendes Werk begutachtet „Die Arche wird nicht rechtzeitig fertig“, befürchtet er.

Aber vielleicht war das ohnehin nicht so ganz durchdacht. Ein Ingenieur (Hedwig Franke) merkt jedenfalls an, dass die geplante Schiffsgröße nicht reichen wird, um die Schöpfung vor den Folgen der Sintflut zu bewahren. Was nun, Triage auf der Arche? Auch Dr. Lovelock (wieder: Steger), nach dessen Gaia-Hypothese die Erde und ihre Biosphäre wie ein Lebewesen betrachtet werden können, erweist sich als eher ambivalenter Trostspender („Der Planet wird nicht so bald sterben. Die Menschen schon.“).

Abschussrampe ins Ungewisse

Der leidgeprüfte Dr. Frankenstein (Sascha Koal), begleitet von seiner Schöpferin Mary Shelley (Maike Wehmeier), mahnt: „Seid vorsichtig mit euren Schöpfungen.“ Der ebenfalls von Koal gespielte australische Philosoph Clive Hamilton, Autor von „Die große Klima-Stille: Wir stehen am Rand eines Abgrunds und ignorieren es“, doziert über das 1,5-Grad-Ziel und sagt: „Die Sache ist gelaufen.“ Ein Atomkraftwerk-Apologet (wieder: Franke) meint dazu: „Reine Panikmache.“

Bruno Latours „Gaia Global Circus“ ist ein kluger, vielstimmig irrlichternder und hellsichtiger Text, den Escher und sein Ensemble als Mix aus Schauspielperformance und Kabarett in knackigen 60 Minuten mit Witz und sicherem Timing auf die Abschussrampe ins Ungewisse setzen.

Info: Aufführungen am Mittwoch, 22. November, Donnerstag,  23. November, und Dienstag, 28. November, 19.30 Uhr. Karten unter: 0621 / 33 64 88 6 oder karten@theater-felina-areal.de

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