Das Wichtigste in Kürze
- Ein Museum ist ein öffentlicher Raum. Daher herrschen hier die Regeln der Rücksichtnahme. Das bedeutet aber nicht, dass nicht gelacht oder nur geflüstert werden darf.
- Die beste Zeit: Unter der Woche ist es leerer als am Wochenende, vormittags meist weniger stark besucht als nachmittags. In der Ferienzeit steigt das Interesse. Wer also wirklich in Ruhe mit seinen Kids etwas anschauen möchte, nutzt eher den Dienstagvormittag als den Sonntagnachmittag.
- Abwechslung bitte: Die Geduld von Kindern ist endlich. Also lieber einen Wechsel von aktiven und passiven Phasen einplanen.. Heißt: nach einer Weile im Ausstellungsraum einfach mal ins Foyer oder in den Pausenbereich wechseln, wo die Kleinen lauter sein können und Essen dürfen.
- Die ideale Dauer: Eine Stunde ist ein guter Richtwert für die Dauer des Besuchs. Mehr als 90 Minuten sind für Kleinere eher zu viel. Und: In vielen Museen gilt die Karte den ganzen Tag. Also warum nicht zwischendrin mal etwas anderes machen und dann noch mal zurückkommen?
- Das Fazit: „Der Museumsbesuch sollte positiv in Erinnerung bleiben“, rät Museumspädagogin Kristin Mues. Daher lieber kürzer und öfter gehen, als an einem Tag möglichst viel anzuschauen und den Nachwuchs möglicherweise damit zu überfordern. Zum Glück kosten Kinder bis zum sechsten Lebensjahr in den meisten Museen (und in allen Mannheimer Museen!) keinen Eintritt.
Mannheim. Kann es einen beruhigenderen Ort geben als ein modernes Museum? Weiße Wände, klare Ordnung, gedämpfte Geräusche. Für mich als Mutter von drei Kleinstkindern war die Mannheimer Kunsthalle immer ein Zufluchtsort, auch mit meinen Töchtern. Zumindest, als sie noch Babys waren und friedlich in Kinderwagen oder Trage schlummerten und außer einem herzerweichenden "Mammma" keinen Laut über ihre winzigen Lippen brachten. Doch kaum haben die kleinen Abenteurerinnen ihre Fähigkeiten zu laufen und direkt im Anschluss ihr Autonomiebestreben entdeckt, bringt mir der Gedanke an frei stehende Skulpturen, wertvolle Gemälde in Bodennähe und strenges Museumspersonal einen flauen Magen statt freier Gedanken. Daher habe ich mit den Kunstvermittlerinnen der drei großen Mannheimer Museen gesprochen und sie nach Tipps gefragt, wie der nächste Ausstellungsbesuch mit (Klein-)Kind für alle gut wird.
Nicht nur Technik zum Entdecken - der Besuch im Technoseum
Tanzende Roboter, dampfende Lokomotiven oder zischende Wasserräder: im Mannheimer Technoseum ist vieles in Bewegung. Das finden praktischerweise auch schon die Kleinsten faszinierend. Ein Besuch hier ist also für viele Familien die erste Wahl. "Ja", bestätigt Antje Kaysers, Leiterin der Museumspädagogik, "wir sind ein lebendiges, arbeitendes Museum."
Hier ist Interaktion erwünscht. Und zwar auf allen der sechs Ebenen. Die Expertin weiß: Kinder wollen möglichst viel anfassen. "Die Möglichkeit zum Ausprobieren und Mitmachen zeichnet daher unser Museum aus."
Doch auch wenn das Technoseum sicherlich den leichtesten Zugang für Familien bietet - auch hier ist etwas Vorbereitung hilfreich, damit der Besuch nicht in Stress ausartet und Kind oder Kegel die langen Verbindungsflure hoch-und runterrennen müssen.
Antje Kaysers rät insbesondere beim Besuch mit Kleinkindern, sich im Vorfeld zu fragen: Will ich mich treiben lassen oder schaue ich mir gezielt etwas an? Am Eingang erhalten Besucherinnen und Besucher eine Übersicht mit den Vorführungszeiten der Highlights wie Dampflok oder Webstuhl.
Eine mögliche gute Route mit Kleinkindern könnte sein: Die Elementa 1 auf Ebene A, eine Pause auf Ebene C, die Eisenbahnfahrt auf Ebene E und dann auf Ebene F der beliebte Roboter "Paul".
Themenschwerpunkte setzen
Generell kann man sich auch bei etwas größerem Nachwuchs fragen: Welche Interessen haben mein Kind und ich? Und dann nach Themenschwerpunkten und tagesaktuellem Vorführplan gehen. Etwa: Wie hat eigentlich im 19. Jahrhundert die Arbeit im Textilgewerbe funktioniert? Oder wollen wir lieber nachschauen, wie ein Teil der Rohkarosserie des Porsche 911 gefertigt wird? Auf der Website kann man sich schon im Vorfeld über Themen informieren.
Falls Leute zögern sollten, dass ihr fehlendes technisches Verständnis sie bei all den neugierigen Kinderfragen in Bedrängnis bringen könnte - keine Sorgen! Zum einen sind überall erklärende Beschriftungen, zum anderen gibt es die hilfsbereiten "Technoscouts". Diese speziell geschulten Menschen können ziemlich viel erklären. "Diese personelle Vermittlung ist uns wichtig", erklärt Antje Kaysers.
Selbstmitgebrachtes Essen kann auf den Pausenbereichen auf den Ebenen C und F verzehrt werden. Einen Kaffee trinken, eine Pizza oder Würstchen gibt es in der Arbeiterkneipe. Wenn Babys der Hunger plagt, gibt es auch einen Raum mit Rückzugsmöglichkeit zum Stillen.
Archäologie und Ägypten vor der Haustüre - zu Gast in den REM
Große Geschichte gilt es in den Reiss-Engelhorn-Museen in der Mannheimer Innenstadt zu entdecken. Aufgeteilt in das Zeughaus, in dem meist die großen Sonderausstellungen stattfinden, und das Museum Weltkulturen bieten die REM ein breites Angebot. „Wir versuchen immer eine Kinderausstellung anzubieten, in der andere Regeln gelten“, erklärt Kristin Mues. Die Museumspädagogin konzipiert mit ihrem Team den kindgerechten Zugang zu den Ausstellungen. Und das heißt vor allem: forschen und entdecken.
Aktuell ist das (noch bis Ende Juli 2023) die Mitmach-Ausstellung "Unsichtbare Welten". Das Museum selbst empfiehlt die Ausstellung vor allem für Familien mit Kindern im lesefähigen Alter zwischen 6 und 14 Jahren. Für die ganz kleinen Entdecker gibt es außerhalb der Pavillons ausgewählte Mitmach-Angebote. Praktisch: In der Pausenzone ist Essen und Trinken erlaubt. Außerdem gibt es eine Kletterwand zum Energie abbauen sowie Spielzeug für die Kleinsten.
Im Vorfeld Fragen klären
Ausstellungen wie über die Normannen oder die Habsburger sind oftmals vor allem zu Beginn stark besucht und für Kinder nicht unbedingt die erste Wahl. „Wenn sich Eltern unsicher sind, ist mein Tipp: einfach mal anrufen", rät Kristin Mues. "Unsere Mitarbeiter sind im Bilde, welche Ausstellung für welche Altersgruppe gut geeignet ist.“ Auch ein Blick auf die Website helfe weiter. Das Material für Lehrkräfte beispielsweise steht dort als PDF für alle zum Download bereit. Und bietet vielseitiges Material für die Vor-und Nachbereitung auch mit den Kleinen.
Immer eine gute Option für den Familienausflug ist die Dauerausstellung „Versunkene Geschichte“. Von den Höhlen der Urmenschen bis zu den Straßen der Römer können sich kleine und große Besuchende auf die Spur der Menschheitsgeschichte begeben. Vor allem der „Steinzeit“-Bereich ist prima auch schon für das Kindergarten-Alter geeignet. Für Staunen sorgen da der Waldelefant, der die Besuchenden begrüßt und die atmosphärischen Waldklänge, die hier zu hören sind. Diese szenotypische Gestaltung funktioniert schon für Kleinsten. Hier wechseln sich auch Bereiche, in denen angepatscht, gestreichelt und gebuddelt werden kann mit bloßen „Nur Angucken- Bereichen“.
Pausen einplanen
Es gibt eine Höhle, in die kleine und große Besucher hineinkrabbeln können, dahinter warten „Fühl-Stationen“, an denen verschiedene Felle und Tierzähne ertastet werden können. Wie weich ist die Schafswolle, wie dicht der Wolfspelz? Diese Ausstellung ist für Kinder kostenlos. Hier werden außerdem Rätselhefte angeboten für zwei verschiedene Altersgruppen. Diese können mit einem Bleistift auch in der Ausstellung ausgefüllt werden. Beides zusammen kann an der Info-Kasse für eine Schutzgebühr von einem Euro erworben werden.Übrigens: Der Schillerpark ist gerade mal fünf Minuten zu Fuß entfernt – dort wartet ein toller Spielplatz, auf dem sich die angestaute Energie prima vertoben lässt. Und da das Ticket den ganzen Tag gilt, können Familien danach noch mal eine Runde durchs Museum spazieren bei Gefallen.
Moderne Kunst ohne Berührungsängste - die Kunsthalle Mannheim
Hier kreist eine Uhr in der Luft, dort schweben Betten und in einem anderen Raum beugen sich überlebensgroße Blumen über die Betrachtenden. Bei einem Besuch in der Kunsthalle gibt es vieles zu Bestaunen - allerdings wenig zum Berühren. Das ist nicht immer einfach für Kleinkinder zu verstehen.
Doch wer denkt, sie oder er müsse hier nur kontemplativ und möglichst regungslos vor der Kunst verharren, irrt. Denn auch wenn das Fühlen hier eine untergeordnete Rolle spielen muss, so dürfen die anderen Sinne ran. In einer begehbaren Installation etwa riecht es nach frischem Heu, in einer anderen muss man die Schuhe ausziehen, um den weichen Teppich zu betreten oder über Kopfhörer der Musik lauschen. Interaktion ist also auch hier möglich. Wer dann noch mit seinen Kleinen Fragen stellt ("Woher kommt wohl das Heu?", "Wer spielt da welche Instrumente?") erlebt ein paar spannende Stunden.
Aber: Den Sprösslingen wird hier auch die Achtung vor der Kunst vermittelt. "Kinder nehmen diesen Wechsel gerne an", erklärt Dorothee Höfert, Leiterin der Abteilung Kunstvermittlung in der Kunsthalle. Die vielen Eindrücke in einer ruhigen Atmosphäre wirken auf den wissenshungrigen Geist kleiner Kinder inspirierend. Damit der Besuch möglichst erlebnisreich wird, empfiehlt die Kunsthistorikerin Eltern, Großeltern oder anderen Begleitperson die Kunsthallen App. Da kann man sein Wissen schon vor dem Besuch zu einzelnen Kunstwerken auffrischen und sich überlegen, welche Werke man anschauen möchte.
Nach Vertrautem Ausschau halten
Wie wäre es dann mal mit einer Suche nach den vielen Tieren, die sich in der Kunsthalle tummeln? Wenn man genau hinschaut – das können Kinder ja besonders gut – dann entdeckt man in der Kunsthalle Mannheim überall Tiere. Hier glänzt ein Fisch auf einem Skulpturensockel, dort blinzelt uns ein Hündchen aus einem Gemälde zu. Und zwischen hohen Keramikvasen sind ausgerechnet Elefanten auf Wanderschaft.Kommunikation ist aber nicht nur mit den Kindern der beste Weg zu einem stressfreien Erlebnis. Dorothee Höfert rät: Einfach die Museumswärterinnen und –wärter ansprechen. Wer auf sie zugeht und vermittelt „ich bin hier und passe auf alles auf, aber wir beschäftigen uns etwas kindgerechter und vielleicht anders als andere Besuchende mit den Exponaten“ nimmt von vornherein die Skepsis und dimmt die Nervosität, die oft mit im Raum schwebt.
Dann kann man sich auch mit seinen Kids einfach mal hinsetzen vor eine Skulptur und sie in Ruhe betrachten, empfiehlt Dorothee Höfert. Und: Ein Bleistift und Block ist auch in der Kunsthalle erlaubt. Warum also nicht mal mit dem Nachwuchs etwas abmalen und weiterspinnen?
Vorbereitung ist wichtig
Daraus lerne ich: Mit meiner Anderthalbjährigen, die gerade in ihrer großen Aufräum-Phase ist und mit einem unbedingten Willen ihre eigene Ordnung herstellt, werde ich mir gerade lieber nicht den Anselm-Kiefer-Raum anschauen - der Boden voller Sonnenblumensamen dürfte zu viel für ihre (und meine!) Nerven sein. Lieber spaziere ich mit ihr durch die Verbindungspassage in den Jugendstilbau. Dank der Lichtinstallation von James Turell leuchtet sie in Blau, Gelb, Grün, Orange, Rot und Violett. Drüben gehen wir dann die Suche nach bekannten Formen und suchen uns einen Streichelzoo auf Ölbildern zusammen.