Nachruf - Mit Mino Raiola stirbt einer der umstrittensten Spielerberater im Milliardengeschäft Fußball

Vaterfigur, Strippenzieher und Feindbild: Spielerberater Mino Raiola verstorben

Von 
Marc Stevermüer
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2019 ließ sich Mino Raiola von den Turiner Fans für den Wechsel seines Klienten Matthijs de Ligt feiern. © Mauro Ujetto/imago

Mannheim. Sein Aufstieg beginnt im „Palladium“. Und zwar als kleiner Junge. In der Pizzeria seines Vaters im niederländischen Haarlem vor den Toren Amsterdams spült und kellnert der kleine Mino Raiola, er schuftet sieben Tage die Woche. Es ist eine harte, aber auch lehrreiche Zeit. „Alles, was ich kann, habe ich im Restaurant gelernt“, sagte Raiola Jahre später einmal in einem Interview mit dem Magazin „11Freunde“.

Da war er aber längst kein Kellner mehr, sondern zu einem der schillerndsten und umstrittensten Spielerberater im Fußballgeschäft aufgestiegen. Am Samstag starb der 54-Jährige in einem Mailänder Krankenhaus nach schwerer Krankheit. Superstars wie Romelu Lukaku und Paul Pogba gehörten zu seinen Klienten. Oder auch Erling Haaland, der sich auf Instagram von seinem Agenten emotional verabschiedete. Er postete ein Bild von Raiola und sich und schrieb: „Der Beste.“

Viele der von ihm betreuten Spieler sahen das genauso. Für sie war der Italiener in all den Jahren nicht nur ein Berater, sondern auch ein Freund. Ja sogar eine Vaterfigur, die seine Agentur „Maguire Tax & Legal“ nach dem von Tom Cruise gespielten Sportmanager aus dem gleichnamigen Film benannte, sieben Sprachen beherrschte und längst nicht mehr um neue Klienten werben musste. Im Gegenteil. „Nicht ich finde die Spieler. Die Spieler finden mich.“ Sie standen Schlange. Weil er stets zur Stelle war.

„Mino macht das schon“, hieß es dann. Oder: „Mino regelt das.“ Um alles konnte sich aber selbst der Tausendsassa nicht kümmern, auch wenn das offenbar nicht jeder wusste, wie Raiola einst bei „France Football“ verriet: „Nachts klingelte mein Telefon. Einer meiner Spieler war dran und sagte mir, dass es in seinem Haus brenne. Ich fragte ihn, ob er die Feuerwehr gerufen habe. Er antwortete: ,Nein.’ Ich sagte ihm: ,Vielleicht solltest du zuerst die Feuerwehr anrufen, bevor du mich anrufst.’ Am anderen Ende der Leitung: Mario Balotelli.

So sehr ihn seine Spieler auch mochten, so unbeliebt machte sich Raiola hingegen mit seinen unorthodoxen, teils dubiosen Methoden bei den Club-Managern. Mit dem richtigen Riecher fürs große Geld ausgestattet, feilschte, schacherte und pokerte er als skrupelloser Verhandlungspartner um Provisionen, Gehälter, Vertragsauflösungen und Ausstiegsklauseln.

Von einigen Kollegen wurde er als „Schande“ für den Berufsstand bezeichnet, entsprechend ist sein Ruf zweifelhaft. Manchester Uniteds Trainerlegende Sir Alex Ferguson beschimpfte ihn einst als „Scheißkerl“. Die italienische Zeitung „Repubblica“ schrieb: „Raiola ist viel mehr und viel gefährlicher als ein Berater.“ Es verwundert allerdings nicht, dass dem gleichermaßen berühmten wie berüchtigten Strippenzieher diese Anfeindungen herzlich egal waren.

„Die Sportdirektoren hassen mich? Wieso? Ich saß jedenfalls noch nie mit einer Waffe auf dem Tisch bei Verhandlungen“, sagte er im Dezember 2021 im Interview mit „Sport1“: „Ich weiß einfach sehr gut, welchen Wert meine Spieler haben und was die Vereine brauchen. Wenn die mich hassen, dann ist es das größte Kompliment für mich. Dann mache ich etwas gut.“ Klare Worte, klare Kante. Das war Raiola, der keinem Scharmützel aus dem Weg ging. In Richtung von Manchester Citys Trainer Pep Guardiola giftete der Agent: „Er hat nicht die Eier, sich mir gegenüberzusetzen.“

Einer, der Raiola viel (Geld) zu verdanken hat, ist Zlatan Ibrahimovic. Die schwedische Ikone und Reizfigur verließ sich seit 2004 auf die Dienste des Italieners, wusste aber ebenso um die Verhandlungsmethoden seines Freundes und Beraters. In seiner Biografie „Adrenalin“ verriet der Stürmerstar, 2018 allein entschieden zu haben, noch ein Jahr in der amerikanischen Major League Soccer (MLS) bei Los Angeles Galaxy zu spielen.

„Ich verhandle die Vertragsverlängerung. Ganz allein und ohne Mino etwas davon zu sagen, weswegen er sich tierisch aufregt“, schrieb Ibrahimovic. „Wäre Mino nach meinem ersten Jahr in Amerika in die Verhandlungen eingetreten, hätte er alles Mögliche verlangt, auch Aktien von den Lakers und ein Fahrrad. Mino war zu stark für die Leute dort. Er hätte sie weggefegt, alles kaputt gemacht und ich hätte nicht mehr in der MLS gespielt.“

Ibrahimovic blieb, schloss sich 2020 aber dem italienischen Nobelclub AC Mailand an. Diesmal tütete Raiola den Deal ein, diesmal kassierte er mit. Als Teil des Milliardengeschäfts. Oder wie es der Italiener nannte: Eine „Industrie“, die er „mit meinen Verträgen zu erneuern“ versuchte. „Jeder, der Erfolg hat, macht etwas, das den Markt verändert.“ Es gebe nun mal ein zweites Spiel abseits des Rasens: den Transfermarkt: Früher habe man vier, fünf Tage über das Spiel diskutiert, sagte Raiola: „Heute spricht man zwei Tage über das Spiel und fünf Tage über das Geschäft.“

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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