Plattform - Hospitäler lernen aus anonymen Hinweisen / Pannen passieren oftmals wegen schlechter Kommunikation

Wenn "Suggi" mit "Succi" verwechselt wird

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Ob glimpflich oder folgenschwer verlaufen - bei der anonymisierten Fehlerberichts-Plattform CIRS (Critical Incident Reporting System) geht es darum, kritische Ereignisse in der Medizin bewusst zu machen und aus möglichen Ursachen sowie Schwachstellen zu lernen.

Wer die "Fälle des Monats" studiert, stößt in der Rubrik "Wo sehen Sie die Gründe?" häufig auf Unzulänglichkeiten in der Kommunikation, aber auch auf mangelndes Training. Immer wieder wird personelle Überlastung beklagt.

In jenem Fall, bei dem ein "Infusiomat" falsch programmiert wurde - gepumptes Volumen und Laufrate gerieten durcheinander -, spricht der anonyme Melder von einer "hoch anspruchsvollen Tätigkeit".

Permanenter Stress und Hetzerei

Die Anästhesie-Pflegekraft führt aus: Aufgrund steigender Arbeitsverdichtung könnten Anforderungen mit hoher Konzentration "nicht mehr in Ruhe ausgeführt werden" - zumal ständig Alarme, Besucher und Bedürfnisse anderer Patienten ablenken. "Das Gefühl von permanentem Stress und Hetzerei" sei allgegenwärtig. Aus dem "CIRS"-Bericht geht auch hervor, dass eine erfahrene Fachkraft nach 15 Minuten die falsch eingestellte Glukose-Infusion entdeckt hatte.

Risikopotenzial bergen auch ähnlich klingende Namen beziehungsweise Abkürzungen. So wurde in einem OP-Saal beinahe ein falsches Medikament verabreicht: Eine Schwester sollte "Suggi" (Sugammadex) beschaffen, um bei einem narkotisierten Patienten die Wirkung von muskelerschlaffenden Mitteln aufzuheben. Sie verstand aber "Succi" und besorgte "Succinylcholin", das ihr ein Assistenzarzt ohne größeres Nachfragen aushändigte - und das Gegenteilige beim Patienten bewirkt hätte. Der Irrtum fiel auf, weil sich die Oberärztin über die ungewohnte Ampullengröße wunderte. Ein weiterer veröffentlichter Verwechslungsfall: Eine Patientin sollte Azathioprin bekommen - ein Arzneimittel, das überschießende Immunreaktionen drosselt. Stattdessen bekam sie Azithromycin, ein Antibiotikum. Entdeckt wurde die falsche Gabe zwei Tage später bei einer Oberarztvisite.

Inzwischen gibt es Initiativen, um gleichklingende Wirkstoffnamen und Abkürzungen, aber auch ähnlich gestaltete Medikamentenpackungen zu verhindern oder zumindest für das Risiko einer Verwechslungsgefahr zu sensibilisieren. Portale für datengeschütztes Melden von Beinahe-Komplikationen und Fehlern haben viele Kliniken intern eingerichtet. Davon profitieren alle - auch Hersteller. Beispielsweise hat im Mannheimer Universitätsklinikum ein Mitarbeiter der Intensivmedizin darauf hingewiesen, dass ein Katheter-Druckmesser leicht zur Fehlbedienung führen kann. Aufgrund dieser Beobachtung, so Klinikumsprecher Dirk Schuhmann, hat der davon informierte Geräteanbieter das Kontrollinstrument technisch modifiziert. (wam)

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