Zeitzeugen - Erinnerungen belasten Betroffene auf unterschiedliche Weise / Gerüche oder Geräusche als Verursacher von Beklemmungen

Wenn Feuerwerke und Sirenen Panik auslösen

Von 
Natalie Magri
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Die Bombennacht zerstörte die Schwetzingerstraße. © PfaU

„Ich bin vielleicht etwas stabiler und härter geworden“, sagt die 1928 geborene Monika Gruber nachdenklich. Die Bombennacht hat die damals 14-Jährige mit der Hausgemeinschaft im Keller des fünfstöckigen Wohnhauses in der Eichelsheimerstraße 19 in Mannheim-Lindenhof verbracht – von der Dreizimmerwohnung der Familie sei danach nichts mehr übrig gewesen.

Der Krieg hat ganz unterschiedliche Spuren in der Erinnerung seiner Opfer hinterlassen: So sind der 1930 geborenen Elisabeth Maurer die Sirenen des Bombenalarms sehr unangenehm gegenwärtig. „Das war schon ein Stich ins Herz, ist es auch heute noch“, sagt Maurer. Bei Alarm musste es schnell gehen, es blieb nicht viel Zeit zu packen.

Angst bei Enge

So sagt auch die 1936 geborene Rita Wrobel: „Unsere Mutter hat uns damals eingeprägt, unsere Kleider so hinzulegen, damit wir sie im Dunkeln wieder anziehen können. Das geht mir heute noch nach“, sagt sie.

Manchmal werden Zeitzeugen aber auch ganz plötzlich in die Vergangenheit zurückgeworfen: „Das ist etwas, was ich mir nicht nochmal ansehe“, sagte die 1934 geborene Lore Rieser, als ihr bei der Heidelberger Schlossbeleuchtung und dem dortigen Feuerwerk die traumatischen Erinnerungen hochkamen.

Genauso können ganz alltägliche Dinge wie Grillfeste zum Problem werden: Bei der heute 87-jährigen Ulla Hofmann hat sich besonders der Geruch von verbranntem Holz eingebrannt, der sie noch heute an die schlimme Vergangenheit erinnert. „Deshalb habe ich nie wieder Grillfeste veranstaltet“, sagt die 1931 geborene Hofmann.

Auch Claus Feil beunruhigt Rauchgeruch, zumindest, bis er die Quelle findet. Dem 1937 geborenen Feil ist bis heute auch das panikartige Gefühl geblieben, wenn es zu eng wird. Denn in der Bombennacht hat er im Friedrichsparkbunker in einem dreistöckigen Hochbett ganz oben schlafen müssen, dicht unter der Betondecke, die bei Bombeneinschlägen zitterte. Seinen Schlafplatz dort bezeichnet er als „Liegeregal“.

Eine ganz andere Dimension nehmen die Erinnerungen derer an, die selbst inmitten des Kriegsgeschehens standen: „Seitdem habe ich eine Hörstörung“, erläutert der 1926 geborene ehemalige Luftwaffenhelfer Dr. Hans Günther Haass die Folgen des Abfeuerns einer Flugabwehrkanone.

Chronik

  • Am 30. Januar 1933 ernennt Reichspräsident Paul von Hindenburg den Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), Adolf Hitler, zum Reichskanzler.
  • Danach bauen Hitler und die NSDAP die Weimarer Republik in eine Diktatur um.
  • Der Reichstagsbrand in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933, als dessen Urheber sich der links-orientierte Marinus van der Lubbe als Alleintäter bekennt, löst eine Verhaftungswelle von NS-Gegnern aus. Van der Lubbe wird am 10. Januar 1934 hingerichtet. Bis heute sind die Hintergründe des Brandes nicht geklärt.
  • Durch das Ermächtigungsgesetz, dem am 24. März 1933 außer der SPD alle im Reichstag vertretenen Parteien zustimmen, setzt Hitler die Gewaltenteilung de facto außer Kraft. Die die Koalitionsregierung beherrschende NSDAP kann nun ohne Zustimmung des Reichstages neue Gesetze verabschieden.
  • Folgen des Gesetzes sind unter anderem Gleichschaltung der Presse, Errichtung von Konzentrationslagern, stärkere Verfolgung von politischen Gegnern und die Entlassung zahlreicher, vor allem jüdischer Beamter.
  • Nach dem Tod von Hindenburgs am 2. August 1934 wird Hitler auch Reichspräsident. Hitler hat bereits am Tag zuvor per Gesetz die Ämter von Präsident und Kanzler vereint.
  • In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 werden jüdische Geschäfte und Synagogen angezündet, zerstört oder mit Davidsternen markiert. Bei den Ausschreitungen (bis zum 13. November) werden rund 400 Menschen ermordet oder in den Selbstmord getrieben.
  • Mit dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 beginnt der Krieg, der sich mit dem deutschen Einmarsch in die Sowjetunion (22. Juni 1941), dem Überfall Japans auf Pearl Harbor (7. Dezember 1941) und dem anschließenden Kriegseintritt der USA zum Zweiten Weltkrieg ausweitet. Er endet in Europa mit der deutschen Kapitulation offiziell am 8./9. Mai 1945. Japan kapituliert nach dem Abwurf der US-Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki am 2./12. September 1945.
  • Hitler begeht am 30. April 1945 im Bunker in Berlin Selbstmord.
  • Deutschland wird gemäß den Beschlüssen der Konferenzen von Teheran (1943) und Jalta (1945) nach Kriegsende im Westen von Frankreich, England und den Vereinigten Staaten besetzt. Im Osten kontrolliert die Sowjetunion die deutschen Gebiete. Berlin wird zwischen allen vier Besatzungsmächten aufgeteilt.
  • Überlebende NS-Funktionäre werden in den Nürnberger Prozessen in zahlreichen Verhandlungen zwischen 1945 und 1949 zu langjährigen Haftstrafen oder zum Tode verurteilt. Unter den Angeklagten ist Hermann Göring. Der ehemalige Oberbefehlshaber der Luftwaffe, den Hitler am 23. April kaltgestellt hatte, entzieht sich seiner Hinrichtung wenige Stunden zuvor durch Gift-Suizid.
  • Nachdem in den westlichen Besatzungszonen der Parlamentarische Rat unter Vorsitz des späteren Bundeskanzlers Konrad Adenauer das Grundgesetz ausarbeitet hat, das nach Zustimmung aller westdeutschen Landtage (außer Bayern) am 23. Mai 1949 in Kraft trifft, gründet sich am 7. Oktober des gleichen Jahres in der sowjetischen Besatzungszone die Deutsche Demokratische Republik (DDR).
  • In der Nacht vom 12. auf 13. August 1961 riegeln Volkspolizisten und Nationale Volksarmee der DDR den ostdeutschen Staat und Ost-Berlin ab (Berliner Mauer). Zuvor sind zahlreiche Menschen in den Westteil der Stadt oder ins Bundesgebiet geflohen.
  • Die Mauer fällt am 9. November 1989 im Zuge friedlicher Proteste der DDR-Bürger. Es ist das Ende der deutschen Teilung, das am 3. Oktober 1990 offiziell besiegelt wird. Die deutsche Wiederveinigung und der Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 markieren das Ende des Kalten Krieges, einer seit 1945 andauernden Epoche, in der sich die Supermächte USA und Sowjetunion gegenüber standen.
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Bombardierung von Mannheim: Zeitzeugen erinnern sich

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