Jerusalem. Grund zum Aufatmen gibt es für Israels Wähler schon vor den ersten Hochrechnungen: Einer der schmutzigsten Wahlkämpfe in der Geschichte des Staates ist vorbei. Als „verrückt“, „unstabil“ und „völlig ungeeignet für das Amt des Regierungschefs“ schimpfte die Kampagne des Likud Benjamin Netanjahus gefährlichsten Gegenkandidaten Benny Gantz. Netanjahu machte sich die Affäre um das Handy von Gantz zu Nutzen, aus dem iranische Hacker empfindliche Informationen gezapft haben sollen, auch über das Liebesleben des früheren Generalstabschefs.
Gantz, Chef der Partei Blau-Weiß, resümierte die Wahlkampfzeit als die „schwierigsten Wochen in meinem Leben“. In einem Fernsehinterview beschuldigte er Netanjahu: „Wenn er einen Weg hätte, mich zu verletzten, mich zu töten, dann würde er das tun.“ Personenkulte und persönliche Angriffe ersetzten die inhaltlichen Auseinandersetzungen.
Kaum Unterschiede
Bis zum Wahltag bleibt offen, wo die Unterschiede sind von Likud und Blau-Weiß. In Außen- und Sicherheitsfragen verfolgen beide dasselbe, und wohin die Reise in innenpolitischen Detailfragen schließlich geht, liegt mit an den künftigen Koalitionspartnern. Nichts wäre passender als eine Große Koalition von Likud und Blau-Weiß. Gantz schloss jedoch ein Zusammengehen mit Netanjahu aus. Ohnehin sind die Umfragen mit Vorsicht zu genießen. In der Wahlnacht 1996 knallten nach den ersten Hochrechnungen bei der Arbeitspartei schon die Sektkorken, um den Sieg von Schimon Peres zu feiern, und dann wurde es doch Netanjahu. Ähnlich gaben die Hochrechnungen bei der letzten Wahl dem Bündnis der Sozialdemokraten und Zipi Livni einen Vorsprung, und doch war es wieder Netanjahu.
Für die beiden Spitzenkandidaten geht es persönlich ums Ganze. Blau-Weiß könnte bei einer Niederlage so schnell wieder aus Israels Parteienlandschaft verschwinden, wie es darin aufgetaucht ist. Das Szenario der Wahlen von 2009 könnte sich wiederholen, wenn Gantz, wie es die Prognosen vorhersagen, zwar als Erster durchs Ziel geht, aber keine regierungsfähige Koalitionsmehrheit zustande bekommt. Die Wahlen 2009 entschied die neue Partei Kadima für sich, musste aus Mangel an Koalitionspartnern dann aber Ne-tanjahu das Feld zur Regierungsbildung räumen.
Netanjahu kämpft um seine Freiheit. Nur wenn er die Wahl gewinnt und anschließend eine Gesetzesreform durchsetzt, die ihm Immunität verschafft, kann er sich vor den drohenden Anklagen wegen Korruption und Betrug retten. Er weiß die frommen Parteien auf seiner Seite, die rechts-nationalen, die national-religiösen und die rassistischen Listen. Ob er die Wahl gewinnt oder nicht – in der Knesset ist Netanjahu eine Mehrheit sicher.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/deutschland-welt_artikel,-welt-und-wissen-spannendes-finale-eines-schmutzigen-zweikampfs-_arid,1432635.html