Mit einem ehrgeizigen Projekt sollen Schüler nicht nur gesund ernährt werden - sie sollen auch lernen, Geschmack neu zu erleben und auf Nachhaltigkeit zu achten.
Heute gibt es Lasagne - natürlich hausgemacht. Marc-Niclas Janz schaut zufrieden auf seinen Teller und nimmt sich eine Gabel mit Salat, der neben der Lasagne angerichtet ist. "Früher sind wir immer in die Stadt gegangen, haben einen Döner gegessen oder einen Hamburger", erzählt der Zwölftklässler, der auch Schülersprecher des Gymnasiums am Römerkastell in Bad Kreuznach ist. Eigentlich eine normale Schule, die aber eine Besonderheit hat: eine den Bedürfnissen der Schüler angepasste Mensa.
Hinter dem außergewöhnlichen Projekt steckt Sternekoch Johann Lafer, der nur wenige Kilometer entfernt das Hotel-Restaurant "Stromburg" betreibt. Sein Ziel: Die Schüler sollen einen Unterschied zwischen Fast Food und frisch gekochten Gerichten kennenlernen - und das in einem schönen Ambiente genießen. Dazu gehören selbst kreierte Tabletts, schicke Gläser und Teller sowie Markenbesteck.
Wer glaubt, in Bad Kreuznach freudloses Ökoessen vorgesetzt zu bekommen, der täuscht sich. Schon der Kiosk im Eingangsbereich des Kubus' mit Glasfronten lockt mit Schoko-Croissants (1,60 Euro) oder Pizza-Brötchen (2 Euro). Die Mensa ist freundlich mit Douglasienholz-Decke und bunten Raumteilern ausgestattet. "Das war der Entwurf eines Schülers, den der Architekt umgesetzt hat", erzählt Johannes Zimmermann, Prokurist bei "food@ducation". Lafer hat die Firma für sein Mensa-Projekt gegründet.
Idee von den "Geschmackstagen"
Die Idee zu dem Projekt kam dem gebürtigen Österreicher vor fünf Jahren, als er mit Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner "Geschmackstage" ausrief. Seitdem steht jährlich bei Geschmackstagen der Einsatz regionaler Produkte im Mittelpunkt - und Nachhaltigkeit. Und Lafer entschloss sich, dies im Schulalltag umzusetzen.
Kurzerhand wandte sich der Fernsehkoch an das Land Rheinland-Pfalz und fragte nach einer Schule, wo er sein Mensa-Projekt, das auf regionale Produkte setzt, finden kann - und er bekam das Römerkastell vorgeschlagen. "Früher gab es hier einen Caterer, der in zwei Klassenräumen sein Essen anbot", blickt Zimmermann zurück. Doch im Zuge der Einführung einer Ganztagsschule reichten die Kapazitäten nicht mehr aus.
Heute können in der Modellmensa 600 Schüler von 32 Mitarbeitern - zehn feste, der Rest sind Eltern, die ehrenamtlich arbeiten - versorgt werden. In der Regel sind es etwa 400 bis 500 Kinder und Jugendliche, die hier täglich essen. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt, das vorerst bis Jahresende laufen soll, von der Hochschule Fulda, an der Lafer Ökotrophologie lehrt.
Grundlage für den Bau des Gebäudes war eine Umfrage, wie Zimmermann erläutert. Hier sollten die Schüler sagen, was sie sich von einer Mensa wünschen. "Die Ergebnisse waren beeindruckend", so der Prokurist. Ganz oben stand "Freunde treffen", dann kam "WLAN", erst auf Platz sechs "Essen", "Bio" an neunter Stelle. Was das Ambiente anbelangt, gab ein Wort den Ton an: "cool". Und das ist die Mensa heute. Die bunten Raumteiler schlucken den Schall, geschwungene Stühle verleihen Leichtigkeit. Rot, Grün und Gelb dominieren den Saal und finden sich auch auf den Tabletts wieder. Entsprechen werden jeden Tag drei Gerichte angeboten, die im Vorfeld im Internet bestellt und bezahlt werden. Die Schüler gehen nur noch mit ihrer Karte zu der jeweiligen Ausgabestelle und bekommen das bestellte Essen.
Heute gibt es die Lasagne, als vegetarisches Gericht Frühlingsrolle mit Sweetchili-Soße und Bistrobaguette mit Sauerrahm. Die Kosten pro Mahlzeit, inklusive kleinem Dessert, liegen für den Schüler bei drei Euro. Wasser ist gratis, Cola und zuckerhaltige Getränke gibt es nicht. Einen Euro schießt der Landkreis zu. Da bleibt nicht viel Spielraum für Koch Sebastian Rösler, der früher Souschef auf der "Stromburg" war. "Bevor ich hier den Job antrat, musste ich erst mal gründlich darüber nachdenken. Das ist eine Herausforderung auf einer ganz anderen Ebene", sagt der 29-Jährige. Rösler macht es heute Spaß, den Kontakt zu den Schülern zu haben. Auch dass er geregelte Arbeitszeiten hat, gefällt dem Koch. "Allerdings musste ich mich an das sehr enge Budget gewöhnen."
60 Gerichte gehören zum Repertoire der Mensa, die ein Beirat, bestehend aus Schülern, Lehrern, Eltern sowie Johann Lafer und Johannes Zimmermann, ausgewählt hat. Der Beirat kocht neue Vorschläge jeweils in der mensaeigenen Lehrküche zum Test - wobei der Schwerpunkt auf saisonalen und regionalen Zutaten liegt. Das Gremium entscheidet dann, welches Gericht neu aufgenommen wird. Vier Mal im Jahr wechseln die Menüs.
Viel Wert wird auf die Produkte gelegt, die Erzeuger der Zutaten sind bekannt: "Ein Landwirt zum Beispiel baut nur für uns Kartoffeln an, wir holen sie bei ihm ab, schälen sie natürlich selbst und verarbeiten sie frisch", erzählt Zimmermann.
Die Lasagne ist heute nicht nur bei Marc-Niclas der Renner. Auch seine Kumpels finden, dass selbst ihre Mütter sie nicht besser hinbekommen. Gerd Maier ist begeistert, "obwohl ich meist das vegetarische Gericht nehme". Die 16-jährige Carlotta Marini hat sich für die Frühlingsrollen entschieden. "Früher bin ich immer zum Supermarkt gegangen, aber hier ist es einfach viel besser - und bequemer."
Auf der Speisekarte stehen auch Essen, die man nicht erwartet. Der Cheeseburger vom heimischen Rind - mit Fleisch vom Metzger gegenüber - und handgeschnitzte Pommes zum Beispiel. "Eine Lehrerin hat sich sogar einmal beschwert, weil wir den Burger auf der Karte hatten", so Zimmermann. "Wir wollen aber kein freudloses Ökoessen kochen, sondern den Schülern zeigen, wie Produkte wirklich schmecken - ohne Geschmacksverstärker, E-Nummern oder Konservierungsstoffe." Das ist nicht immer leicht. Vor allem mit beschränkten finanziellen Mitteln. "Deshalb ärgert es uns auch, dass eine Schulmensa mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belastet wird, und nicht mit dem ermäßigten Satz von sieben Prozent", sagt Zimmermann. Am Ende des Jahres wollen Johann Lafer und sein Team Bilanz ziehen. "Bislang sind wir mit den Zahlen zufrieden", sagt Zimmermann. Und 150 Anfragen von Schulen aus ganz Deutschland, die auf den Mensa-Zug aufspringen wollen, klingen vielversprechend.
Marc-Niclas Janz schmeckt die Bayrischcreme zum Nachtisch ebenfalls. Das Essen kann er wohl nur noch ein Jahr genießen. Dann hat er sein Abi - und muss in einer Mensa an der Uni satt werden.
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