Ausstellung - Künstler widmen sich in ihren Werken der Bedeutung des Geldes und zeigen dabei auch die Folgen einer entfesselten Finanzwelt

Die Angst vor Armut nährt den Traum von Reichtum

Von 
Georg Patzer
Lesedauer: 

Im Geld baden - das gefällt nicht nur Dagobert Duck, sondern auch der "Iranian Beauty" (Iranische Schönheit) im Video von Anahita Razmi.

© anahita Razmi/staatliche Kunsthalle Baden-Baden

Wie gehen Menschen mit Geld um und was macht es aus ihnen? In Baden-Baden zeigt die Große Landesausstellung "Gutes böses Geld" eine Bildergeschichte der Ökonomie.

Geld und Gold, Schuld und Schulden: Die Wörter sind sich seltsam nah. Dabei haben Geld und Gold nichts miteinander zu tun: Gold kommt vom gotischen Wort "gilp" für gelb, Geld vom angelsächsischen "gilt". Dieses angelsächsische "gilt" meint das, was abzugelten ist, was geschuldet, noch zu zahlen ist. Und eine "Gilde" war zunächst keine Handwerkerzunft, sondern eine Opfergemeinde. Das Geschuldete - das waren Opfer an eine höhere Macht, die einen beschützen sollte. Geopfert wurden lebendige Kreaturen, Rinder meist.

Von Zinsen und Opfer, von der Geldwirtschaft und den Gefühlen erzählt eine große Ausstellung in Baden-Baden, die in der Kunsthalle, dem Stadtmuseum und passenderweise dem Casino gezeigt wird. Sie folgt dem Geld durch die Jahrhunderte und fragt: Wie gehen Menschen mit Geld um und was macht es aus ihnen? Die Ausstellung beginnt mit einem tönernen Schuldstein aus Mesopotamien. Nur ein paar Zentimeter groß, stammt er aus dem 18. oder 19. Jahrhundert vor Christus; auf diesem Schuldstein bittet ein gewisser Puzur-Assur seine Brüder, ihm gegen Zinsen von ihrem Silber zu leihen.

Wertmaß der Antike

Schon in der "Ilias" liest man von einem Wettkampf, bei dem der Sieger einen "zwölfrinderigen" Preis (zwölf Rinder wert) bekommt, der Verlierer einen "vierrinderigen", das Rind war ein anerkanntes Wertmaß. Allerdings nicht auf den freien Märkten. Warum? Weil der Wettkampf im Rahmen von Totenfeiern stattfand, die Rinder mithin Opfertiere waren.

Schuld hat als Opferschuld begonnen, als Zahlschuld. "Opfern heißt teuer bezahlen", schreibt jedenfalls der Philosoph Christoph Türcke. "Dass die höhere Macht tatsächlich existiert und den gewünschten Schutz gewährt, ist in höchstem Maße zweifelhaft. Aber unter solchen zweifelhaften Bedingungen hat Zahlung begonnen, und ob sie sie jemals losgeworden ist, wird sich zeigen." Schon Friedrich Nietzsche hat in seiner "Genealogie der Moral" darauf hingewiesen, dass Schuld und Schulden zusammenhängen, "dass jeder Schaden irgend worin sein Äquivalent habe und wirklich abgezahlt werden könne". Dass man sich also von seiner Schuld freikaufen könne, durch Opfer, Zinsen oder den Sündenablass.

Schuld und Schulden

Diesen geheimnisvollen Charakter mit seinen mysteriösen, vielfältigen und oft unerkannten Auswirkungen hat das Geld noch heute: Wer Schulden hat, wer Schulden macht, der fühlt sich oft schuldig. Oder wird schuldig, wenn er Schulden nicht zurückzahlt. Noch die Eltern- oder Großelterngeneration sparte, bevor man sich etwas leistete, und im Vaterunser kommen die Begriffe "Schuld" und "Schuldiger" vor: Schulden haben auch heute noch einen emotionalen Beigeschmack, einen nahezu religiösen Unterton.

Richtiges Geld entstand sehr viel später. Es ging über den Umweg von künstlerisch gestalteten Tonklumpen oder Metallen, die das Opfertier darstellten oder sein Bild trugen: Wir kennen das Goldene Kalb der Israeliten. Später ersetzten kostbare Edelmetalle die Opfergabe. So entstand der Tempelschatz - Edelmetall konnte man sammeln, und wieder ausgeben. Und so verselbstständigte sich der Münzfluss allmählich: Im westanatolischen Lydien kamen um 600 vor Christus die ersten Geldmünzen auf. Griechische Tyrannen gaben ihrer Leibgarde Gold- und Silberzeichen, auf denen das Symbol des Stadtstaates geprägt war. Auch diese Münzzeichen stellten einen quasi-sakralen Stempel, ein Siegel dar: Verletzte man es, wurde das "Geld" wertlos. Wie heute: Zerstört man einen Geldschein, verliert er seinen Wert.

Abkehr von der Tauschwirtschaft

In dieser Zeit entwickelte sich das Geldgeschäft. Die Tauschwirtschaft mit Naturalien wich der Geldwirtschaft. Mittelalterliche Herrscher prägten Münzen, oft mit ihrem Konterfei darauf. Der Name "Heller" zum Beispiel leitet sich vom Namen der Münzprägestadt Schwäbisch-Hall ab, der Florin kommt aus Florenz. Dort, in Italien, nahm das Geldgeschäft ab dem 13. Jahrhundert seinen Aufschwung - und mit ihm das Bankengeschäft: Fast alle Ausdrücke aus diesem Gewerbe - Konto, Debitor, Bank, Bilanz, Börse - stammen aus dem Italienischen.

In Baden-Baden sieht man daher Registerbücher der Biccherna, der Finanzbehörde in Siena, deren Buchdeckel um 1264 mit künstlerischen Bildern geschmückt wurden: Zu sehen sind der Kämmerer, ein Geldsack und Münzen. Ein normaler Vorgang, emotionslos, alltäglich.

Nur wenig später änderte sich das: Da sieht man - auf Bildern, die sie selbst in Auftrag gegeben haben - selbstbewusste Bürger, die ihren Reichtum zur Schau stellen. Und die Bürger mischten sich in die Politik ein: Mit dem Geld der Augsburger Fugger zum Beispiel wurden im 16. Jahrhundert Maximilian I. und sein Enkel Karl König und Kaiser, der Bankier Agostino Chigi finanzierte sowohl Papst Julius II. als auch die Dogen von Venedig und bekam dafür die Papstkrone als Pfand und Handelsmonopole für Salinen.

Die Künstler Leonardo da Vinci, Michelangelo, Raffael sind nicht denkbar ohne den Aufstieg des Bürgertums aufgrund seiner Überlegenheit in der Geldwirtschaft. Das Geld wurde zur treibenden gesellschaftlichen Macht. Und durch die Zinsen erhöhten sich auch die Schulden und die Schuld. In der Baden-Badener Ausstellung sieht man auch die gierigen "Zinswucherer" von Marinus van Reymerswaele (um 1540).

Bilder des Elends

Die andere Seite der Geldvermehrung ist die Armut, die in Baden-Baden auch zu sehen ist - in Bildern von David Teniers fast sachlich abgebildet. Da sitzen die armen Bauern, spielen Karten und grölen, trinken, hören Musik, einer erleichtert sich in der Ecke der Wirtsstube: Sie ertragen ihr Schicksal.

200 Jahre später bekommt die Darstellung von Arbeit einen kritischeren Charakter, die Revolutionen haben den Arbeitern Selbstbewusstsein gegeben, sie fordern Teilhabe an der Macht, an der Ökonomie, am Geldfluss. Sie lesen, wie der "Unzufriedene" im Bild von Ludwig Knaus, sozialistische Zeitungen. Carl Wilhelm Hübners Bild "Die schlesischen Weber" zeigt das Elend, das durch Mangel an Geld und durch Ausbeutung bedingt ist. In dieser Zeit analysierte Karl Marx den Charakter der entfremdeten und entfremdenden Arbeit, die ja erst die Werte schafft, die dann in Geld umgewandelt werden.

Im 20. Jahrhundert verlagerten sich die Geldgeschäfte an die Börse. Spätestens damit ist das Geld unsichtbar geworden, zu einer puren Zahl, einem Spekulationsspiel. Wenn die Europäische Zentralbank Milliarden an Staaten überweist, schickt sie ja keinen Geldkoffer: Das Geld wird in dem Moment erfunden. Dennoch leiden alle, wenn diese Zahlen verrücktspielen: Der Kollaps der Banken in den 1920er Jahren verursachte eine Weltwirtschaftskrise ungeheuren Ausmaßes. Auf den Fotos aus dieser Zeit der sogenannten Großen Depression sieht man in Baden-Baden Elend, Verzweiflung, Hunger. Solche emotionale Auswirkungen kann Geld auf die Menschen haben - wenn sie es nicht haben. Ein Beispiel für Auswandererschicksale auf der Suche nach einem besseren Leben liefern Dorothea Langes Fotos einer Mutter mit ihren Kindern.

"Soll und Haben"

Neben Beispielen historischer Werke wird die Geschichte des Geldes in Baden-Baden auch immer wieder durch "Störungen" unterbrochen. Im Großen Saal der Kunsthalle zum Beispiel zeigt Künstlerin Hanne Darboven Fotokopien aus einem Hamburger Rechnungsbuch von 1933, die drei Wände bedecken. "Soll und Haben" heißt das Werk, dazwischen schreibt sie "Heute" und unterbricht damit das Rechenbeispiel.

Von Alicja Kwade sind vergoldete Briketts zu sehen, Monopoly-Spiele ebenso, und in den von Künstlern gestalteten Scheinen der Alternativwährung "Knochengeld" vom Prenzlauer Berg Anfang der 1990er Jahre zeigt sich ein anarchistischer Protest gegen die Forderung nach Wachstum. Zwischen den stolzen Bürgerporträts dreht sich ein vergoldeter Einkaufswagen von Sylvie Fleury als Persiflage auf die Konsumgesellschaft, und Fotos zeigen Yves Kleins Kunstaktion, "Zertifikate" zu verkaufen, die ihrem Erwerber zusichern, teilzuhaben an "Zonen immaterieller malerischer Sensibilität". Die Zertifikate wurden verbrannt und das Gold, mit dem sie bezahlt wurden, ins Wasser geworfen: eine Art von modernem Opfer, das Gold und Geld wieder in den Bereich des Religiösen überführt.

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen