Populismus - Die Rechtspartei Alternative für Deutschland plant eigene Medien wie Fernsehsender, Radio oder Zeitung und will der eigenen Position damit Ausdruck verleihen

Die AfD und ihre Sprache

Von 
Heidrun Deborah Kämper
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Wie weit rechts steht die AfD tatsächlich? Ein Blick in das Grundsatzprogramm der Partei beantwortet diese Frage - da die Wortwahl an eine lange vergangen geglaubte Zeit und Gesinnung erinnert.

Über die AfD wird viel geredet - manchmal zu viel. Andererseits aber bieten ihre Akteure immer wieder Anlass, sich für den demokratischen, offenen Rechtsstaat ins Zeug zu werfen und die verbalen Attacken gegen diesen Rechtsstaat zu erwidern. Und das zurecht: Denn einschlägige Äußerungen von Akteuren einer Partei wie der AfD dürfen nicht widerspruchslos als Realität hingenommen werden.

Sie kennen die provokative Einlassung der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry, man solle das Wort völkisch wieder verwenden, es sei ja lediglich eine Ableitung von Volk und als solche unverfänglich.

Widerspruch nicht zugelassen

Dies ist natürlich keine naive Geschichtsvergessenheit, sondern einer der vielen fragwürdigen Versuche, durch Provokation Aufmerksamkeit zu erhalten. Petry weiß, was wir alle wissen: Völkisch ist nicht lediglich eine Ableitung von Volk, sondern vielmehr ein Wort, das seit Nationalsozialismus und Holocaust kontaminiert und derart indiziert ist, dass sich seine Verwendung verbietet - das ist übrigens eines der Tabus, von denen die AfD meint, sie fielen unter die Beschränkungen der freien Meinungsäußerung.

"Völkisch" ist politisch national und rassistisch konnotiert, ist insofern eine Abgrenzungsvokabel, die Differenz markiert und wird im Nationalsozialismus als Legitimationsvokabel für antisemitisch-rassistisches Handeln, das die Vernichtung einschließt, verwendet. Wir sind bei unserem Thema. Es geht um Sprachspuren, die Denkmuster offenbaren, menschenverachtende und demokratiefeindliche Leitbilder, die in unserer Gegenwart rechtspopulistisch vorgetragen werden.

Die AfD gründet - mit dem Selbstbild einer Instanz, die aufräumt und Ordnung schafft - ihr Parteiprogramm auf Parteienkritik. Ihr dient diese Kritik zur Schaffung ihres Existenzrechts, das in der Denunzierung von Parteien und Parteipolitiker*innen besteht. Ihre Leitwörter sind zum Beispiel "Parteibuchwirtschaft" und "Ämterpatronage", sie spricht von "Deutschlands Staatsapparat" und der "politischen Klasse", von "korruptionsfördernden Strukturen".

Im Programm wird ein "heimlicher Souverän" beschworen, eine "kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien", eine "politische Klasse von Berufspolitikern". Deren alleiniges Interesse sei: "ihre Macht, ihr Status und ihr materielles Wohlergehen". Wir erkennen als sprachliche Strategie: Rechtspopulistische Partei- und Politikkritik wird in denunziatorischer Diktion vorgetragen.

Die typische Sprachhandlung ist die der Behauptung, Verleumdung und der Unterstellung, vorgebracht in apodiktischen Aussagesätzen, die Widerspruch nicht zulassen. Damit inszeniert sich die AfD gleichzeitig programmatisch als diejenige Partei, die alle - behaupteten - "Missstände" in Politik und Gesellschaft beseitigt und Ordnung herstellt.

Mehrdeutiges "wieder"

Aufräumer-Attitüde nenne ich diese Selbstkonzeption: Wer Unordnung, Missstände und Fehlentwicklungen behauptet, zeigt auf sich selbst als diejenige Instanz, die die Ordnung wiederherstellt.

Wer aufräumt, bewegt sich in dem vergangenheitsorientierten Denkmuster der Restituierung ("Wiederherstellung", "Restauration"). Dieses Denkmuster hat eine lexikalische Entsprechung in dem Wörtchen "wieder". Es ist auffallend, wie häufig es im Text des AfD-Programms vorkommt, wie häufig beansprucht wird, etwas in einen ursprünglichen Zustand zurückversetzen zu wollen. "Wieder" wird dann nicht in temporal-repetitiver Lesart, sondern im Sinn einer restituierenden Bedeutung verwendet.

In dieser Bedeutung ist "wieder" mehrdeutig, was mit dem Wahrheitswert der Behauptung zu tun hat. Hinsichtlich des Wahrheitswertes der Aussage ist der Gebrauch dann unproblematisch, wenn in Bezug auf etwas, das einmal existiert hat, gefordert wird, es einzuführen -zum Beispiel die Wehrpflicht: "Wehrpflicht wieder einsetzen" fordert die AfD zum Beispiel. "Wieder" bedeutet hier: Das Bezeichnete hat einmal existiert und soll erneut existieren.

Strategisch suggestiv und hinsichtlich des Wahrheitswerts problematisch dagegen ist der Gebrauch von "wieder", wenn eine Aussage mit der entsprechenden Forderung die Existenz eines Sachverhalts leugnet, die rein ideologisch motiviert ist. Insbesondere in Bezug auf die Grundhaltung der AfD, die dem Autoritären als Prinzip verpflichtet ist und die eine Gesellschaft der Vertikalität idealisiert, kommt ihre vergangenheitsorientierte Restituierungshaltung zum Ausdruck - vor allem hinsichtlich der Rechtsprechung und vor allem in diesen Sätzen ist der Wahrheitswert ideologisch geprägt: "Dem Recht wieder zur Durchsetzung verhelfen; die Organe müssen sich wieder an das Recht halten; Wiederherstellung unseres Rechtssystems."

Daneben ist auch die freie Meinungsäußerung Gegenstand solch ideologisierender AfD-Behauptungen von Nichtexistenz: "dem Grundrecht zur freien Meinungsäußerung muss . . . wieder zur uneingeschränkten Geltung verholfen werden."

Wer fordert, das Rechtssystem wieder herstellen zu wollen, behauptet, dass es gegenwärtig außer Kraft ist. Wer behauptet, dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung wieder Geltung verschaffen zu wollen, behauptet, dieses habe gegenwärtig keine Gültigkeit. Das ist diejenige sprachliche Camouflage-Strategie, mit der die AfD ein Klima des Misstrauens und der Konfrontation erzeugt. Die Ideologie des autoritären Ordnungsstaats, dessen Restituierung gefordert wird, ist das Motiv. Wir finden übrigens dasselbe Muster in der Weltsicht des neugewählten US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump: "We will make America great again!" lautet das Mantra seiner politischen Botschaft. "Again" - "wieder" - auch in dieser Version von Populismus ist die Suggerierung einer Ordnung, die es angeblich einmal gab und die es erneut geben wird, enthalten.

Im Zentrum der Programmatik steht das Menschenbild der AfD. Nach einem Menschenbild fragen, bedeutet, danach zu fragen, wie über Menschen geredet wird. Menschenbilder entstehen durch Sprache, wir sprechen von "sprachgeprägte[n] Menschenbildern". Menschenbilder entstehen unter anderem durch Abgrenzung, durch den - konstruierten - Gegensatz zwischen dem Eigenen und dem Fremden.

Im Grundsatzprogramm der AfD werden einander gegenübergestellt, einerseits das Deutsche: "deutsche Schriftsteller, deutsche Musiker, deutsche Designer; Digitalisierung der Deutschen Literatur . . . eine von Deutschland zu leistende Aufgabe. Nur die eigene Bevölkerung und deutsche Literaturfachleute können deutsche Literaturwerke gewinnen; Die Alternative für Deutschland bekennt sich zur deutschen Leitkultur; die deutsche kulturelle Identität selbstbewusst verteidigen."

Andererseits das Nichtdeutsche: "Niedrigqualifizierte wandern überwiegend über missbräuchliche Asylanträge zu; Mehrzahl der Täter im Bereich der organisierten Kriminalität sind Ausländer; Einwanderung in die Sozialsysteme; Einwandererkriminalität - nichts verschleiern, nichts verschweigen".

Das Programm der AfD ist dem Denken des ethnischen Nationalismus zuzuordnen. Die Identifikationsinstanz dieses Ethnonationalismus ist nicht die des Staates, sondern die des Volkes, der Ethnie. Dieses Denken beruht auf einer biologistischen, kulturalistisch-nationalistischen Weltanschauung nicht nur mit Ungleichheitsvorstellungen, die gegen 'Nicht-Zugehörige' gerichtet sind, sondern auch mit dem Denkmuster der Ungleichwertigkeit von Menschen.

Zur Feststellung von Ungleichwertigkeit wird nicht nur danach gefragt, inwiefern sich die Angehörigen der eigenen Gruppe von denjenigen der anderen Gruppe unterscheiden, sondern das Eigene und das Fremde wird zur Erreichung politischer Ziele auf- beziehungsweise abgewertet. Und: Es wird ein Kausalzusammenhang hergestellt zwischen bestimmten Eigenschaften und ethnischer Zugehörigkeit. "Deutsch" ist im Kontext dieses Denkens kein Herkunfts-, sondern ein Wert- und damit ein Differenz- und Ausschlussbegriff. Die im Programm der AfD fantasierte Gemeinschaft der Deutschen ist die hoch bewertete geschlossene Gesellschaft der "Deutschstämmigen". So bedient das AfD-Programm nationalistisch-rassistische Ressentiments, die historisch aus dem völkisch-nationalistischen Geist des frühen 20. Jahrhunderts ableitbar sind. Seinen Ursprung hat dieser Geist im rassistisch-nationalistischen Denken des späten 19. Jahrhunderts, war zur Zeit der Weimarer Republik hoch präsent und in der Zeit des Nationalsozialismus die Raison d'être, das Selbstverständnis des gesamten Staates, der gesamten Gesellschaft und ihrer Herrschaft.

Kündigung des Konsens

Nach 1945 und bis vor wenigen Jahren war er kein zu problematisierendes Thema mehr im gesellschaftlich-politischen Diskurs, bis vor wenigen Jahren mit umso größerer Ausdrucksstärke ein nationalistisches Denken aufkam, das nach Nationalsozialismus und Holocaust überwunden schien.

Die Gesellschaft der Bundesrepublik ist eine auf den Werten des Grundgesetzes fundierte Gesellschaft. Denn die Grundrechte des Grundgesetzes sind die verpflichtende Wertegrundlage der Gesellschaft. Das Menschenbild des Grundgesetzes ist geprägt von Gleichheit und Gerechtigkeit. Der Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" legt eine Haltung fest, die Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus tabuisiert. Diese Tabuisierung ist gesellschaftlicher Konsens. Diesen Konsens kündigt das AfD-Programm auf, indem es gute, nützliche, arbeitsame, ehrliche und gebildete Deutsche unterscheidet von kriminellen und ungebildeten Migranten.

Die sprachliche Bewertung des Programms muss die gesellschaftliche Aufkündigung des Konsenses als sprachliche Gewalt einordnen. Denn: Wer den gesellschaftlichen Konsens aufkündigt, kündigt diesen Konsens auch sprachlich auf.

Sprachliche Gewalt bedeutet auch, rassistische Denkmuster auszudrücken und Menschen ihre Gleichwertigkeit abzusprechen. Das ist ein Tabubruch, dessen kalkulierte Provokation in einer rechtspopulistischen Weltanschauung mit Ungleichheitsvorstellungen von 'Nicht-Zugehörigen' besteht: Dieser Tabubruch bedient xenophobe, fremdenfeindliche Ressentiments. Mit jedem Bruch der sprachlichen Konvention, mit jeder Aggression, mit jeder Provokation werden die Grenzen zu sprachlicher Gewalt erweitert. Jeder Tabubruch verschiebt systematisch die Grenzen des Sagbaren.

Heidrun Deborah Kämper

  • Heidrun Deborah Kämper, (geb. 1954, Bild) studierte Germanistik und Politologie an der Universität Hamburg und an der Technischen Universität Braunschweig.
  • 1981 bis 1991 Assistentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für deutsche Sprache und Literatur an der TU Braunschweig.
  • Von 1993 bis 2003 Mitarbeit bei der Neubearbeitung des Deutschen Fremdwörterbuchs am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim.
  • Bis 1999 Lehrtätigkeit an der Universität Mannheim und an der Technischen Universität Darmstadt.
  • Seit 2000 Leiterin des Arbeitsbereichs 'Sprachliche Umbrüche des 20. Jahrhunderts' am Institut für Deutsche Sprache.
  • 2005 Habilitation an der Universität Mannheim
  • Forschungsschwerpunkte: Sprachgeschichte als Zeitgeschichte, Antisemitismus, Nationalsozialismus.
  • Gastdozenturen in Düsseldorf, Sarajevo, Istanbul und an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Außerplanmäßige Professorin an der Universität Mannheim.
  • Seit 1978 SPD-Mitglied , seit 2014 im Gemeinderat der Stadt Mannheim.

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